Kommentar

Schluss damit! Erhöhungen der Kaltmiete passen nicht in die Zeit

Berlins landeseigene Wohnungsunternehmen zeigen mit ihren Mietsteigerungen wenig Gespür für die aktuelle Not. Die Unternehmen brauchen aber auch selbst Hilfe.

Bauprojekt Waterkant in Spandau. Hier erhöhte die Gewobag die Mieten um vier Prozent.
Bauprojekt Waterkant in Spandau. Hier erhöhte die Gewobag die Mieten um vier Prozent.Imago Images/Jochen Eckel

Keine Frage: Die landeseigenen Wohnungsunternehmen mit ihren rund 350.000 Wohnungen dämpfen mit preiswerten Wohnungen den Mietanstieg in Berlin. Trotzdem kommen auch sie nicht gänzlich ohne Mieterhöhungen aus – um mit den Einnahmen den Bau neuer Wohnungen oder die für den Klimaschutz wichtige Sanierung zu finanzieren. Es passt aber absolut nicht in die Zeit, dass die landeseigenen Unternehmen seit Juni für Tausende Wohnungen in Berlin die Kaltmiete erhöhen, während viele Haushalte wegen explodierender Energiekosten und hoher Inflation vor wachsenden finanziellen Belastungen stehen. Für viele Haushalte zählt jeder Euro im Portemonnaie. Selbst geringste Erhöhungsbeträge sind eine Erhöhung zu viel.

Das Entlastungspaket der Bundesregierung wird zwar durch eine Ausweitung der Wohngeldzahlungen einen Teil der Not lindern, aber eben nur einen Teil. Denn nicht jeder, der in finanzielle Schwierigkeiten gerät, wird davon profitieren. Was die Situation so schwer erträglich macht, ist der Umstand, dass momentan zwar klar ist, dass neben Butter, Brötchen und Benzin die Wohnnebenkosten steigen, die tatsächliche Belastung jedoch lässt sich nur grob vorhersagen. Die Prognosen, die von Mehrkosten in vierstelliger Höhe ausgehen, sind allerdings beunruhigend genug. Was genau auf Mieterhaushalte zukommt, lässt sich aber erst sagen, wenn im nächsten Jahr die Nebenkostenabrechnungen für 2022 vorgelegt werden.

In einer solchen Situation, also noch vor der ersten großen Abrechnung, die Kaltmieten zu erhöhen, zeigt wenig Gespür für die aktuelle Not der betroffenen Haushalte. Dass die landeseigene Gewobag die Mieten in Neubauwohnungen in Spandau, die erst seit Mai 2020 vermietet werden, im Schnitt um 28,07 Euro monatlich erhöht, lässt einen gar ratlos zurück. Denn die Kaltmieten der betreffenden Neubauwohnungen liegen schon ohne Erhöhung bei zehn Euro je Quadratmeter, die Warmmieten bei 13,30 Euro je Quadratmeter. Eine rund 58 Quadratmeter große Wohnung verteuert sich durch die Anhebung auf rund 799 Euro. Dabei sind höhere Vorauszahlungen für steigende Nebenkosten hier noch nicht mal berücksichtigt. Der Anspruch der landeseigenen Unternehmen, Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung, darunter Haushalte mit geringem Einkommen, zu tragbaren Belastungen anzubieten, stößt spätestens hier an seine Grenzen.

Mangelndes Gespür in der Mietenpolitik

Es passt zum Bild des mangelnden Gespürs bei der Mietenpolitik, dass die Gewobag die Mieterhöhungen in der Spandauer Neubausiedlung mit der Benennung von drei Vergleichswohnungen begründet. Das ist zwar rechtlich in Ordnung, sollte bei den landeseigenen Unternehmen aber die seltene Ausnahme bleiben, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu Recht betont. Denn sonst wird der Mietspiegel infrage gestellt.

Im vorliegenden Fall waren die Wohnungen noch so neu, dass deren Baualtersklasse nicht im aktuellen Mietspiegel abgebildet ist. Der erfasst nur Wohnungen, die bis zum Jahr 2017 bezugsfertig wurden. Weil die Gewobag nicht abwarten wollte, bis die Neubauwohnungen aus Spandau im Mietspiegel ausgewiesen werden, stützte sie sich bei der Begründung der Mieterhöhung auf die Vergleichswohnungen. Die ebenfalls landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gesobau zeigt, dass es anders geht. Sie hat die Mieten in Neubauwohnungen eigenen Angaben zufolge bislang nur erhöht, wenn die Baualtersklasse im Mietspiegel abgebildet wird. Das beweist, dass eine maßvolle Mietenpolitik im Neubau möglich ist.

Wer in einer Zeit der steigenden Nebenkosten darauf verweist, dass gemäß der Härtefallregelung der landeseigenen Unternehmen die Nettokaltmiete nicht mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens ausmachen darf, der hat den Ernst der Lage nicht verstanden. Es geht darum, dass sich die Nebenkosten voraussichtlich so stark erhöhen, dass sie viele Haushalte finanziell überfordern werden. Da hilft es wenig, auf die Härtefallregelung zu Nettokaltmieten zu verweisen. Die aktuelle Steigerung der Nebenkosten zeigt, dass es höchste Zeit ist, die Härtefallregelung zu ändern. Die Belastung durch die Nebenkosten muss angemessen berücksichtigt werden. Um das durchzusetzen, sind klare Vorgaben der Politik, also des Berliner Senats, notwendig.

Soziale Leistungen der Unternehmen müssen auch bezahlt werden

Ohne weitere finanzielle Unterstützung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften wird es aber sicher nicht gehen. Denn alle sozialen Leistungen haben ihren Preis. Wenn sich die Landesregierung mieterfreundlich zeigen will, muss sie also zugleich bereit sein, die landeseigenen Vermieter finanziell noch stärker zu unterstützen. Der soziale Frieden in der Stadt sollte es wert sein.