Kommentar

29-Euro-Ticket: Fast hätte sich Franziska Giffey so richtig blamiert!

Am Ende hat der VBB dem Berliner Vorstoß doch zugestimmt. Aber die Begleitschäden könnten groß sein.

Die Regierende Bürgermeisterin <a href="https://prod.berliner-zeitung.de/topics/franziska-giffey">Franziska Giffey</a>
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffeydpa/Michael Kappeler

Da ist die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey haarscharf an einer Blamage vorbeigeschrammt. Das 29-Euro-Ticket kann in Berlin eingeführt werden. Der VBB-Aufsichtsrat hat dem Projekt am Donnerstag dann doch noch zugestimmt.

Das Ticket gilt nur im Stadtgebiet (für Kenner: die Tarifbereiche A, B), es gilt für drei Monate, von Oktober bis Ende Dezember. Es ist für die Berliner das Nachfolgemodell des bundesweiten 9-Euro-Tickets des Sommers und verbunden mit der Hoffnung, dass der Bund dann von Januar an mit den Bundesländern eine Großlösung für Deutschland findet.

Das Ziel ist richtig, ein günstiges Ticket für alle und überallhin. Das hat die große Nachfrage in den drei Sommermonaten gezeigt. Der Vorstoß der Sozialdemokratin Giffey hat allerdings einige vor den Kopf gestoßen. Der Preis, den sie bezahlen muss, könnte hoch sein.

Gemeint sind da weniger die rund 100 Millionen Euro, die aus dem Landeshaushalt für das 29-Euro-Ticket in den drei Monaten aufzubringen sind. Es profitieren vor allem die Abonnenten, die bislang etwas mehr als 63 Euro im Monat bezahlen. Wie schon im Sommer sollen sie die Differenz zurückbekommen. Da sind 29 Euro schon ein attraktives Angebot. 

Giffey hat sich schnell, sehr laut und sehr nachdrücklich für eine Nachfolgelösung stark gemacht. So nachdrücklich, dass die Koalitionspartner ins Hintertreffen gerieten. Vor allem Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch von den Grünen hatte sie ein wenig die Show gestohlen, die  ja zunächst ein 29 Euro für das VBB-Gebiet und  ein bundesweites 69-Euro-Ticket vorgeschlagen hatte.

Es ist nicht das erste Mal, dass Giffey Jarasch mit verkehrspolitischen Vorstößen überrascht. Erinnert sei nur an die Ankündigung Giffeys, dass die Verlängerung der U-Bahn-Linie 7 bis zum BER Priorität genieße. Senatskollegin Jarasch ist aber eher für preiswertere Tramlinien, und, wenn überhaupt, für den Ausbau am anderen Ende der U7-Strecke in Spandau – weil dort die Verlängerung verspricht, wirtschaftlicher zu sein.

Der BER-Ausbau der U7 und die Debatte um das 29-Euro-Ticket für den gesamten VBB-Bereich haben übrigens gemeinsam, dass in beiden Fällen Brandenburg ein wichtiger Partner ist (die U7-Verlängerung ginge über Brandenburger Staatsgebiet) – und vorher nicht gefragt wurde. Der politische Schaden, der im Umgang mit dem wichtigen Nachbarn angerichtet wurde, ist möglicherweise größer als ein aktuell verärgerter Koalitionspartner.

Der Brandenburger Unmut machte auch vor Parteigrenzen nicht halt. Die Sondersitzung des Aufsichtsrates des VBB wäre um ein Haar durch den Einspruch eines Parteigenossen Giffeys verhindert worden. Sie musste den Landrat des Kreises Märkisch-Oderland, Gernot Schmidt, erst telefonisch bearbeiten, bis er sein Veto zurückzog. Man wäre gerne Ohrenzeuge gewesen, wie sie das geschafft hat. Oft kann man solche Einflussnahmen nicht ausüben.

Die Brandenburger müssen sich in ihrer Einschätzung mal wieder bestätigt fühlen: Die Berliner machen, was sie wollen und erwarten, dass das Umland springt. Das ist fatal und hat mit guter politischer Kommunikation nichts zu tun. Dabei hat sich gerade die Berliner Koalition, die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey allen voran, genau das auf die Fahne geschrieben. Dass das mit Brandenburg nicht so richtig funktioniert, ist umso erstaunlicher, da in beiden Ländern ähnliche Koalitionen regieren – und angeblich Giffey mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) gut kann.  Bei einer so eng verwobenen Nachbarschaft wie zwischen Berlin und Brandenburg ist ein solches Vorgehen nicht gut. Ob drei Monate günstiger fahren es wert sind, die Nachbarschaft aufs Spiel zu setzen?