Preisexplosion

Ende des Tankrabatts: „Bei den Benzinpreisen haben wir Tränen in den Augen“

Stress in der Nacht, Ruhe am Morgen: Was Berliner zum Ende des Tankrabatts sagen und warum ein Tankwart sogar die Polizei rufen wollte.

Eine Tankstelle in Berlin-Kreuzberg: Die Gebäudereiniger Fatih Tedik (l.) und  Alexander Schleiss sind wütend über die Preise an der Zapfsäule.
Eine Tankstelle in Berlin-Kreuzberg: Die Gebäudereiniger Fatih Tedik (l.) und Alexander Schleiss sind wütend über die Preise an der Zapfsäule.Berliner Zeitung/Markus Wächter

Bei Shell an der Oranienstraße sind am Tag, nachdem der Tankrabatt endete, Interviews verboten. Der Filialleiter droht sogar mit der Polizei, sollten Kunden auf dem Gelände befragt werden. Das ist auch an vielen anderen Berliner Tankstellen so. Die Berliner Zeitung hat nachgefragt, was in den letzten Stunden des Tankrabatts los war und wie der Tag danach, ohne Tankrabatt, begann. Aber die meisten Mitarbeiter – unter anderem bei Filialen von Star, JET und HEM – sagten, sie „dürften“ sich nicht zu dem Thema äußern, oder drohten mit der Polizei, falls man ohne Genehmigung der Konzernleitung Kunden interviewe.

Fatih Tedik und Alexander Schleiss stehen nicht auf dem Gelände der Aral-Tankstelle Prinzenstraße, Ecke Ritterstraße in Kreuzberg, sondern daneben. Sie rauchen und trinken Kaffee. Sie sind Gebäudereiniger und arbeiten hier auf einer großen Baustelle. Der Bau des Wohnhauses, in dem sie gerade einen Auftrag erledigen, liegt in den letzten Zügen. Ihre „Lagebesprechung“, wie Schleiss sagt, machen sie wegen des guten Wetters draußen.

Getankt haben die beiden heute nicht, das haben sie gestern erledigt. Wie die meisten Berliner. Die Preise sind auch in der Hauptstadt mit Ende des Tankrabattes über Nacht in die Höhe geschossen. Kostete der Liter Diesel vor zwei Wochen noch knapp 1,90 Euro, prangten am Morgen des 1. September auf der Anzeige feuerrote 2,08 Euro. Um Mitternacht sprangen die Preise mancherorts in Deutschland so hoch, als hätte man einen Schalter umgelegt, wie das Investigativ-Start-up Disclose.tv auf seinem Twitteraccount festhält.

Der gebürtige Kreuzberger Tedik fährt mit einem Kastenwagen zur Arbeit, das Auto tankt Super Benzin. Hier, bei Aral in der Prinzenstraße, müsste er dafür an diesem Vormittag 1,97 Euro pro Liter zahlen. In der Pauschale, nach der er von seinen Kunden entlohnt wird, ist kein Sprit enthalten. Und mit der Bahn zu fahren ist keine Option für ihn – das dauert zu lange. Er muss mit seinen Geräten schnell von Auftrag zu Auftrag fahren. Fatih Tedik sagt: „Ich zahle inzwischen fast das Doppelte, wenn ich ein paar Jahre zurück rechne.“ Es bringe aber nichts, sich aufzuregen, findet er. „Ich schlucke es. Was soll man auch anderes machen?“

„Was machen die mit uns?“

Sein Kollege hingegen ist sichtlich aufgebracht über die hohen Preise und wütend auf die Politik: „Was machen die eigentlich mit uns?“ Es sei alles zu viel, zu teuer: Gas, Benzin, Strom. Ein Stück Butter koste 3,50 Euro. Er spare bereits überall: beim Urlaub, beim Kind, beim Essen! „Das ist doch kein Zustand! Wenn wir diese Preise sehen, haben wir Tränen in den Augen.“

Dem Betriebsleiter fehlt, wie vielen Deutschen, das Verständnis für die Preisentwicklung an den Zapfsäulen: „Der Preis für das Öl-Barrel sinkt, während der Benzinpreis steigt. Das ergibt keinen Sinn.“ Er frage sich, ob die Corona-Hilfen, die zuvor mit der Pumpgun im Land verteilt worden seien, „jetzt mit den Steuern wieder eingenommen werden“.

Bereits zum ersten Tag nach Ende des Tankrabatts wurde mit Preissteigerungen von bis zu 35 Cent für Super E10 und 17 Cent für Diesel gerechnet. Das hat auch der ADAC kritisiert: „Angesichts voller Tanks, die bis gestern zu niedrigen Steuersätzen befüllt wurden, ist das gegenüber den Verbrauchern in keiner Weise zu rechtfertigen“, teilte Sprecherin Katrin van Randenborgh mit.

Grund für die schwankenden und stark steigenden Preise seien die „gestiegene Nachfrage, knappe Kapazitäten in Raffinerien und logistische Herausforderungen“, sagte Adrian Willig, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuel und Energie (EN2X), dem Unternehmen wie BP, Shell, TotalEnergies und Eni angehören, in einer Pressemitteilung. „Sonderfaktoren“ wie das Niedrigwasser im Rhein tragen auch zu regionalen Preisunterschieden bei, so Willig.

Endlich Zeit für den Papierkram

Berliner Tankwarte konnten sich an diesem Morgen von dem Stress am Vorabend erholen. An der Elan-Tankstelle am Fürstenwalder Damm in Friedrichshagen kostete ein Liter Diesel am Mittwoch 1,90 und ein Liter Super E10 1,61 Euro. Am Donnerstagvormittag liegen alle Spritpreise knapp über zwei Euro. Eine Mitarbeiterin erzählt: „Gestern Abend war unheimlich viel los. So viele Kunden! Die Kollegen kamen kaum hinterher!“ Heute sei es dafür sehr ruhig: „Ich habe jetzt endlich Zeit, mich dem Papierkram zu widmen, das ist ja auch mal ganz schön.“

Auch die Mitarbeiterin der TotalEnergies-Tankstelle in der Hildburghauser Straße in Lichterfelde erzählt, gestern Abend sei der Andrang „ungewöhnlich hoch“ für einen Mittwochabend gewesen. Ihre Filiale gehört zu den Tankstellen, wo der Spritpreis am Tag nach dem Ende des Tankrabatts unter dem Durchschnitt liegt – ein Liter Super E10 kostet hier 1,90 Euro. Am Abend zuvor waren es noch 1,639 Euro.

Noch ein wenig niedriger sind die Preise an der Shell-Tankstelle in der Rummelsburger Landstraße – dort liegt Super E10 bei 1,82 Euro pro Liter, für Diesel steht der Preis allerdings bei 2,04 Euro und für Super+ 98 sogar bei 2,11 Euro. Der starke Preisanstieg heißt allerdings nicht, dass die Kunden wegbleiben, berichtet ein Mitarbeiter, das Geschäft laufe für einen Donnerstagmorgen „ganz normal“. „Die Leute müssen ja tanken, auch wenn das Benzin plötzlich wieder teurer geworden ist“, sagt er.