Ratgeber

Verspätungen, Stornierungen im Flugverkehr – wie bekomme ich mein Geld zurück?

Im Sommer waren wegen Personalnot bei den Airlines viele Flüge verspätet und fielen aus. Was können Passagiere tun, um Erstattung und Entschädigung zu erhalten?

Menschen am Flughafen in der Warteschlange beim Sicherheits-Check
Menschen am Flughafen in der Warteschlange beim Sicherheits-CheckImago/Rolf Kremming

Seit bald zwei Wochen sind die Sommerferien in Berlin zu Ende. Es war für viele der erste Sommer seit Beginn der Pandemie, in dem wieder längere Fernreisen möglich waren. Doch für manche Reisende haben die Ausflüge in die Ferne nicht nur Erholung gebracht, sondern auch Enttäuschungen: stundenlanges Anstehen, schlaflose Nächte, unnötige Umwege – und teilweise ein Vielfaches der geplanten Kosten.

Die Gründe dafür sind bekannt: Die Flugbranche hat Personalnot. Es gab Streiks, es gab Engpässe in fast allen Bereichen rund um den Flughafen. In der Pandemie waren viele Angestellte von Airlines und Flughäfen gezwungen, sich andere Jobs zu suchen. Der Flugverkehr war die Branche, die als Erste stark von Reise- und Kontaktbeschränkungen betroffen war, und wird der Bereich sein, wo die Restriktionen am längsten zu spüren sein werden. Für viele Angestellte hieß das: Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit. Dazu kamen dann in den Sommerferien die wieder gestiegenen Corona-Inzidenzen, das traf auch die Crews. Die Folge: Verspätungen und Ausfälle von Flugverbindungen.

Flüge erst nach dem Check-in bezahlen

Erste politische Konsequenzen klingen nun an, so will etwa das Land Niedersachsen im September den Vorschlag im Bundesrat einbringen, die Vorkasse bei Flügen zu streichen. Reisende sollen erst nach dem Check-in das gebuchte Ticket bezahlen müssen, damit sie bei Ausfällen und Verspätungen nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Ob das ein Zukunftsmodell sein kann, ist offen. Doch der wachsende Ärger über unzuverlässige Airlines wird spürbar. „Dieser Sommer hat wieder einmal gezeigt, dass die Luftfahrtbranche keinen Vertrauensvorschuss verdient hat“, sagte etwa Ramona Pop, Leiterin der Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Was aber können Reisende tun, wenn der Schaden bereits angerichtet ist? Wenn die Airline sich weigert, Erstattung und Entschädigung zu bewilligen?

Ein Antrag, die Zusatzkosten zu erstatten, ist in der Regel der erste Schritt. Betroffene können sowohl eine Erstattung – wie für Getränke und Essen, Hotelübernachtungen oder Zugreisen – beantragen als auch in vielen Fällen eine Pauschale zur Entschädigung. Das geht meist über ein Formular direkt bei den Fluglinien selbst. Doch auch ein selbst aufgesetztes Schreiben ist möglich.

Der Berliner Rechtsanwalt Ehssan Khazaeli empfiehlt, sich immer schriftlich an die Fluggesellschaft zu wenden und zunächst zu beschreiben, wie die Reise ursprünglich geplant war. Anschließend sollten alle Ansprüche tabellarisch aufgezählt und erklärt werden. Khazaeli rät, dem Flugunternehmen eine angemessene Frist von einem Monat zur Prüfung und Zahlung zu setzen. „Erst dann tritt Verzug ein und das Flugunternehmen müsste auch Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden erstatten“, sagt Khazaeli.

Denn nicht immer reagieren die Fluggesellschaften auf eine Beschwerde, manche verweigern sogar die Zahlung. In Foren und Ratgeberseiten im Internet gibt es viele Geschichten von Passagieren zu lesen, die auf Mehrkosten sitzen geblieben sind. Viele klagen darüber, dass die Fluggesellschaften die Zahlung verweigern. Schritt-für-Schritt-Anleitungen sollen helfen, durch das Dickicht der Bürokratie zu finden. Doch viele Fälle sind komplex.

So wie die Situation von drei Freundinnen, die im Juni eine Woche vom BER nach Sardinien fliegen wollten. Sie berichteten bereits damals der Berliner Zeitung von ihrem Urlaubs-Chaos. Der Flug wurde erst nach der geplanten Abflugzeit storniert, von der Airline gab es vor Ort weder eine Ansprechperson noch alternative Flüge. Alle Folgeflüge waren ausgebucht oder ebenfalls storniert. Um an ihr Reiseziel zu kommen, musste die Gruppe am nächsten Morgen mit dem Zug nach Frankfurt am Main und dort abends in einen anderen Flieger einer anderen Airline steigen.

Stornierung wegen „höherer Gewalt“

Doch nun verweigert die Airline nicht nur die Erstattung der Mehrkosten, sondern auch die Entschädigung von 400 Euro, die Passagieren bei einer Stornierung einer Flugstrecke von bis zu 3500 Kilometern zusteht. Welche Entschädigungen Reisenden in etwa zustehen, kann man sich ohne Garantie etwa vom ADAC in einem Online-Rechner schätzen lassen.

Bei den drei Freundinnen setzten sich die Zusatzkosten beispielsweise so zusammen: 571 Euro für einen nicht mehr stornierbaren Mietwagen am Urlaubsziel, rund 387,15 Euro für die zusätzlichen Zug- und 314 Euro für die Flugtickets. Außerdem Verpflegung für 74 Euro. Macht für die Gruppe 1346,15 Euro mehr als veranschlagt – für einen einwöchigen Urlaub.

Die Fluggesellschaft verweigert die Zahlung nun und begründet dies in einer E-Mail, die der Berliner Zeitung vorliegt, mit „außergewöhnlichen Umständen“. Darunter fällt üblicherweise ein Ereignis, das außerhalb der Verantwortung der Fluggesellschaft liegt – ein anderer Begriff dafür ist: „höhere Gewalt“.

Darunter fällt etwa ein schlimmes, unvorhersehbares Gewitter oder ein Streik. Doch meist ist die Antwort nicht so leicht. Wenn etwa das Personal streikt, das unmittelbar zum Unternehmen gehört, dann ist es kein Haftungsausschluss, erklärt Sabine Cofalla, die Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp).

Schlichtung: Kostenfrei, aber nicht bindend

Der Verein hat das Ziel, Konflikte zwischen Verkehrsunternehmen und ihren Kundinnen und Kunden beizulegen. Dazu prüfen Juristinnen und Juristen jeden vorliegenden Fall einzeln. Dass in diesem Sommer viel schiefgelaufen ist, erkennt man an der Anzahl der eingegangenen Schlichtungsanträge: Allein zwischen Juni und Mitte August gingen über 3000 Anträge bei der söp ein, mehr als 80 Prozent aus dem Flugverkehr. Tendenz steigend. Cofalla geht davon aus, dass sie bis Ende 2022 sukzessive mehr Schlichtungsanträge erreichen – „sofern Reisen nicht erneut nur stark eingeschränkt möglich sein sollten, zum Beispiel aufgrund des Ukraine-Kriegs oder einer schweren Corona-Welle“.

Wer sich nicht selbst um eine Erstattung bemühen kann oder möchte, kann auch eine Agentur damit beauftragen, den Anspruch auf Entschädigung bei der Fluggesellschaft durchzusetzen. Doch diese Unternehmen beanspruchen bis zu 40 Prozent der Erstattungen als Honorar. Außerdem kann es passieren, dass die Unternehmen auch Aufträge ablehnen. Die Schlichtungsstelle dagegen prüft alle Fälle, kostenfrei.

Aber: Parallel zur Schlichtungsprüfung darf kein gerichtliches Verfahren zur Klärung der Zahlung laufen. Außerdem muss das Unternehmen Mitglied im söp sein. Kommt es dann zu einer Schlichtung, gilt diese zunächst nur als Empfehlung, und ist für die Unternehmen nicht bindend, hat aber den Stellenwert eines außergerichtlichen Vergleichs. Das ganze Verfahren ist für die Antragstellenden kostenlos. Laut söp sind rund 80 Prozent der Schlichtungen erfolgreich. Verweigert die Fluggesellschaft trotz der Schlichtung die Zahlung, kann die rechtliche Prüfung für einen gerichtlichen Prozess verwendet werden.