Berlin

Angeklagt in mehreren Fällen: Klima-Kleber trägt tränenreiche Rede vor

Erneut musste sich ein Aktivist der Letzten Generation am Dienstag vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten. Das Verfahren war emotional, doch das Urteil fiel milde aus.

Der Angeklagte Dennis B.
Der Angeklagte Dennis B.Pressefoto Wagner

Mit Tränen in den Augen steht Dennis B. in Saal 4100 des Amtsgerichts Tiergarten und hält eine fast 20-minütige Rede: Er spricht von „Verantwortung, die sich wie Blei anfühlt“, vom „Versagen der Regierung“. Der 22-Jährige trägt seinen blauen Abipulli (Abi-Jahrgang 2019), graue Reeboks und hat zerzaustes braunes Haar. Am anderen Ende des Saales schluchzen leise in den Zuschauerreihen seine Freunde – ebenfalls Aktivisten der Letzten Generation.

Der 22-jährige Dennis B. ist einer von vielen, ein weiterer von Hunderten Klimaaktivisten, die das Amtsgericht Tiergarten in diesem Jahr beschäftigten. Am Mittwochmorgen muss er sich für seine Teilnahme an mehreren Aktionen der letzten Generation im Sommer des vergangenen Jahres verantworten. Am selben Tag wurde eine Mitstreiterin in Berlin zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Das ist besonders, denn bisher wurden in Berlin fast nur Geldstrafen oder Arbeitseinsätze gegen angeklagte Klimaaktivisten angeordnet. 

Dennis B. sagt in seiner Rede, er habe dem Klimaschutz sein Leben gewidmet, obwohl dieses ganz anders hätte aussehen können. „Ich hab eine Lücke im Lebenslauf“, sagt er. Er habe zwar Abitur, aber noch keine Ausbildung oder einen Studienplatz. Stattdessen wollte er sich ehrenamtlich für die Gesellschaft einbringen. Ob er mit Ehrenamt den Aktivismus meint, bleibt offen.

Von insgesamt fünf Aktionen werden am heutigen Verhandlungstag nur zwei zur Anklage gebracht. Die Anklagepunkte sind typisch: Sachbeschädigung, Nötigung und Widerstand gegen Polizeibeamte. Am 24. Juni 2022 gegen 18 Uhr habe er zusammen mit fünf weiteren Aktivisten die Südseite des Bundeskanzleramtes mit den Schriftzügen „Nö zu Öl“ und „Wo ist Olaf?“ beschmiert, so die Anklage. 

Neue Art von Klebstoff im Einsatz

Der Polizeibeamte Patrick G. aus Brandenburg ist am Mittwoch als Zeuge geladen. Er erzählt, wie er an diesem Tag im Einsatz im Regierungsviertel war. Er nahm die Personalien von Dennis B. auf und bestätigt auch, dass die Aktivisten zu dem Zeitpunkt die Sachbeschädigung leugneten. Es sei nicht ihre Farbe, hätten sie dem 43-Jährigen gesagt.

Vor Gericht bekennt sich Dennis B. jedoch zur Aktion. Ob eindeutig der Kanzler gemeint sei, witzelte der Beamte im Zeugenstand, könne er nicht 100-prozentig sagen. Der Schriftzug „Wo ist Olaf?“ könnte ja auch auf den Schneemann aus „Frozen“ zielen. 

Die zweite Aktion geschah am 6. Juli 2022 in Prenzlauer Berg. Dennis B. nahm gegen 8 Uhr an einer Straßenblockade der Letzten Generation in Höhe der Greifswalder Straße teil. Dabei klebten sich er und einige Mitstreiter mit einem Quarzsand-Gemisch auf den Asphalt der Straße. Dies bezeugte der 26-jährige Polizist Christopher K., der an der Räumung der Blockade beteiligt war. Mit diesem Gemisch ließen sich die Hände schwerer lösen, sonst reiche oft normales Speiseöl. Durch die Blockade kam es zu einer Verspätung der Straßenbahnen von acht Minuten. 

Dennis B. wird schließlich zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt, verteilt auf 80 Tagessätze. Die Richterin begründet das mit dem leeren Vorstrafenregister und damit, dass er „noch sehr jung und engagiert“ sei. Am Ende der Verhandlung wendet sich Dennis B. noch einmal zum Saal und sagt die großen Sätze, für die seine Organisation bekannt ist: „Wir sitzen alle im selben Boot“, sagt er, „die Verantwortung liegt bei uns allen.“ Erneut bricht seine Stimme, wieder hat er Tränen in den Augen.