Die Täter „kidnappen“ Autos und erpressen dann von den Haltern Lösegeld: Eine mutmaßlich betrügerische Abschleppfirma beschäftigt seit einigen Wochen viele Autobesitzer – und damit auch die Polizei. Mittlerweile werden insgesamt 31 Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführung eines Abschleppunternehmens geführt, teilte die Berliner Polizei auf Anfrage der Berliner Zeitung mit.
Bereits am 9. Juni berichtete diese Zeitung vom Fall einer 22-jährigen Krankenpflegerin, die ihren Opel vor einem Wohnhaus in der Spandauer Heerstraße geparkt hatte. Plötzlich war das Auto weg. Die junge Frau wählte den Polizeinotruf 110. Dort nannte man ihr die Telefonnummer, die dort hinterlegt war. Der Anschluss gehört einer Abschleppfirma namens Yana GmbH. Sie habe das Auto abgeschleppt und umgesetzt, erfuhr die Frau.
Doch die Yana GmbH reagiert nur auf WhatsApp-Nachrichten. Als sich die Frau dorthin wandte, wurde sie aufgefordert, per Echtzeitüberweisung 476 Euro zu zahlen. Sonst würde man ihr nicht sagen, wo das abgeschleppte Fahrzeug steht.
So passierte es auch anderen Autohaltern, die bei der Polizei anriefen und erfuhren, dass jemand ihr Auto abgeschleppt hatte. Betroffen war auch ein Nachbar der Frau. Beide fanden ihre Fahrzeuge durch Zufall wieder. Sie waren mehrere Straßen weiter abgestellt. Andere hatten nicht so viel Glück. Nach dem Artikel in der Berliner Zeitung meldete sich ein Leser, der sein Auto noch immer sucht.
Berliner Polizei ermittelt wegen Nötigung und Erpressung
Die Yana GmbH, die die Rechnungen verschickte, existiert an der auf der Rechnung genannten Adresse allerdings gar nicht.
Inzwischen haben sich mehrere Betroffene im Internet zusammengeschlossen. Einige beklagen, dass die Polizei ihre Anzeige nicht aufnehmen wollte. Sie seien abgewiesen worden mit der Begründung, dass es sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit handele.

Das sieht die Behörde inzwischen anders. „Diese Vorgehensweise wird deliktisch als Verdacht der Nötigung/Erpressung eingestuft“, teilt die Polizei auf Anfrage mit. „Der Modus Operandi ist nach Kenntnis der Polizei Berlin nicht neu.“ Im Zusammenhang mit den noch laufenden Ermittlungen sei ein Abschleppwagen sichergestellt worden. Das geschah nach Angaben der Krankenpflegerin in Spandau, nur ein paar Hundert Meter entfernt von ihrem umgesetzten Auto.
Die Ermittlungen seien durch ein Fachkommissariat der für Spandau zuständigen Direktion 2 übernommen worden und dauerten an, sagte eine Polizeisprecherin. „Durch das Fachkommissariat wird derzeit versucht, allen Geschädigten den Standort ihres Fahrzeuges mitzuteilen, sofern dieser noch nicht bekannt ist.“ Näheres wollte sie nicht sagen. Angaben zu Tatverdächtigen oder zu strafprozessualen Maßnahmen seien Bestandteile des laufenden Ermittlungsverfahrens, so die Begründung.
Berliner Polizei überprüft nicht, ob ein Auto rechtmäßig umgesetzt wurde
Dass die Autokidnapper sogar die Polizei ausnutzten, indem sie ihre Nummer hinterlegten, damit sie diese den Geschädigten mitteilt, lässt die Masche besonders dreist erscheinen. Dazu teilt die Pressestelle der Berliner Polizei folgendes mit:
„Private Umsetzungen werden für Berlin zentral bei unserer Auskunfts- und Fahndungsstelle (AusFaSt) erfasst, in dem die ausführende Umsetzfirma die erfolgte Umsetzung eines Fahrzeuges dorthin meldet. Die AusFaSt notiert sich Ort, Zeit, betroffenes Fahrzeug und ausführende Umsetzfirma, um den betroffenen Anrufenden die telefonische Erreichbarkeit der privaten Umsetzfirma mitzuteilen. Durch anschließenden Kontakt mit der privaten Umsetzfirma durch den Betroffenen selbst, erhält er Kenntnis über den Verbringungsort seines Fahrzeuges, meistens nach Begleichung der Umsetzkosten.
Die Rechtmäßigkeit einer privaten Umsetzung wird durch die AusFaSt nicht überprüft. Sie fungiert als zentraler Ansprechpartner und vermittelt lediglich zu den privaten Firmen. Die Umsetzfirma Yana GmbH wurde wie andere private Umsetzfirmen der AusFaSt vorher angemeldet (Gewerbeanmeldung liegt vor).
Nachdem sich die Berichte zum Vorgehen der Firma Yana GmbH häuften, nach denen sich die Möglichkeit strafbaren Verhaltens durch die verantwortliche Firma nicht ausschließen ließen, erhielten betroffene Fahrzeugführer durch die AusFaSt neben der telefonischen Erreichbarkeit auch den Hinweis, sich bei unberechtigten oder strittigen Umsetzungen an die Polizei zu wenden und keine Gebühren zum Herauslösen ihres Fahrzeuges zu entrichten.“


