Kolumne

Verhaltensfrage: Darf ich Fehler zugeben?

Wer etwas falsch gemacht hat, benötigt rhetorisches Geschick zur Schadensbegrenzung. Egal, ob man Verantwortung übernimmt oder sie jemand anderem zuschiebt.

Zugeben und Reue zeigen? Oder sich doch lieber auf die Unschuldsvermutung berufen und alles abstreiten? Beides macht Arbeit.
Zugeben und Reue zeigen? Oder sich doch lieber auf die Unschuldsvermutung berufen und alles abstreiten? Beides macht Arbeit.imago/imagebroker

Als ich beim Film jobbte, war die Antwort auf die heutige Verhaltensfrage sehr eindeutig: Fehler zugeben? Niemals. Sei froh, dass du einen Fuß in der Tür hast, beweis dich als Profi, der du vielleicht mal sein wirst. Tu so, als wärst du ein unfehlbarer Crack, umgeben von Schwachmaten, die so tun, als seien sie unfehlbare Cracks. Entschuldige dich niemals, schieb alles sofort jemand anderem, der sich nicht wehren kann, in die Schuhe.

Und es gibt in diesem Metier wirklich viele Möglichkeiten, mit kleinen Fehlern riesige Schäden zu verursachen. Angefangen beim Blick in die Filmdose, nur um mal kurz zu prüfen, ob das die mit dem eben gedrehten Material war, bis zu dem Moment, in dem man sich wieder erinnert, wo man die Filmklappe hingesteckt hat, nämlich ins Plumeau, wo sie sich während des Drehs einer sensiblen Liebesszene der Kameramann durch sein Okular wiederfindet.

Ich habe Stromkabel links- statt rechtsrum aufgewickelt, was nur für den nach einer Lappalie klingt, der noch nie versucht hat, in der Hektik eines Aufbaus die verdrillten Dinger auszurollen (nicht erwischt worden). Ich habe einen Lichtbus beim Rückwärtsfahren mit dem angehängten Generator eingedellt (erwischt worden, aber die Schuld einfach stur auf den Generator geschoben). Ich habe in Ermangelung einer Nebelmaschine bei Innenaufnahmen Schwarzpulvernebel verwendet und damit für einen Husten- und Lachanfall der beiden nackten Protagonisten in der Badewanne gesorgt (entpuppte sich beim Schnitt als die schönste Variante und wurde verwendet). Das Schlimmste: Bei einem kleinen Dokfilm über Stasi-Repressalien habe ich einen ganzen Drehtag mit sehr emotionalen Interviews durch eine Fehleinstellung beim Tonaufnahmegerät verdorben (da half kein Leugnen, und beim Nachdreh hatten sich die Protagonisten leider besser im Griff).

Ich glaube nicht, dass es an den Fehlern lag, dass aus meiner Filmkarriere nichts wurde, sondern unter anderem daran, dass ich den eingangs erwähnten Rat nicht konsequent genug verfolgt habe und eindeutig zu nachlässig und ungeschickt bei der Anschwärzung von Kollegen war, um mir die nötigen Vorteile zu verschaffen.

Das ist bestimmt rein anekdotisches und von Kränkungen verzerrtes, zumal jahrzehntealtes Erfahrungswissen. Dass ich bei freien Theaterproduktionen einen viel entspannteren Umgang mit den Fehlern erlebt habe, war bestimmt Zufall. Aber vielleicht lag es auch einfach daran, dass es um viel weniger Geld ging.

In der modernen Unternehmensführung ist nun die Fehlerkultur in aller Munde. Mitkommuniziert werden hierbei immer auch die Segnungen für das Betriebsklima, aber das können wir getrost als Compliance-Gewäsch abtun. Interessant ist die Fehlerkultur vor allem in kommerzieller Hinsicht, Fehler dürfen und müssen passieren, wenn Unternehmen ihre Triebfedern Innovation und Wachstum anziehen. Man probiert neue Abläufe aus und merkt dann, was funktioniert oder eben nicht funktioniert. Und erst, wenn es richtig knirscht und quietscht, weiß man, dass man an eine Kapazitätsgrenze gestoßen ist. Fehler werden in Feedback-Konferenzen als Freunde bezeichnet: Aus ihnen können wir lernen, noch effizienter zu werden. Man macht sich also verdient, indem man Fehler begeht, sich mit ihnen brüstet und am besten gleich selbst erklärt, wie man sie beheben und in Zukunft vermeiden kann. Das geht so weit, dass man sich angstvoll fragt, was man im Bereich Fehlerkultur schon wieder alles falschgemacht hat. Oder wie man dem Konkurrenten einen Strick aus dessen Unfehlbarkeit drehen könnte.