Lisa Schäfer ist 23 Jahre alt, Verwaltungsfachangestellte und seit vier Jahren in der CDU. Sie hat schon einige Ämter in ihrer Partei übernommen und sie macht Kommunalpolitik als Kreistagsabgeordnete in ihrer Heimatstadt Solms in Mittelhessen. Am Montagabend war Schäfer zum ersten Mal zu einer Talkshow eingeladen. Bei „hart aber fair“ in der ARD. Sie ist mit ihrem Auftritt schlagartig bekannt geworden. Vor allem, weil der Moderator der Sendung, Louis Klamroth, alles andere als fair mit ihr umgegangen ist.
Es ging in der Sendung um den Fall Rammstein, um die Vorwürfe gegen Till Lindemann, den Sänger der Band, der Frauen sexuell gefügig gemacht und seine Macht gegenüber weiblichen Fans missbraucht haben soll. Und es ging um das Verhältnis zwischen Männern und Frauen insgesamt in Deutschland. Um Belästigung, schlechtere Bezahlung, um Quoten in der Politik.
Lisa Schäfer war die Jüngste in der Runde. Sie ist etwa im Alter der Frauen, die Vorwürfe gegen Till Lindemann erhoben haben. Aber sie kommt aus einer anderen Welt und hat andere Erfahrungen gemacht. Gibt es Situationen, denen sie als junge Frau bewusst aus dem Weg geht? Das wollte Klamroth nach einer halben Stunde von ihr wissen.
Bei Rammstein waren wir uns einig, dass bei uns weiterhin eher die Aussage mehrerer Frauen hinterfragt wird als die eines (!) Mannes. Auch in diesem Fall gilt: Lisa thematisiert etwas, was vielleicht unlieb ist, mir aber auch täglich widerfährt. pic.twitter.com/spwcc8TI6Q
— Clara *Optimismusbeauftragte* Nathusius (@CNathusius) June 20, 2023
Schäfer machte den Fehler, nicht so zu antworten, wie Klamroth es wohl erwartet hätte. Sie erzählte nicht von übergriffigen Chefs oder sexistischen Parteikollegen. Sie sagte, dass sie zum Glück noch nie körperlich belästigt wurde. Sie empfinde es aber als unangenehm, wenn sie „durch Brennpunktstraßen in größeren Vierteln laufe“ und ihr „junge Männer, deren Sprache ich teilweise nicht mal verstehe, Sprüche hinterherrufen“. Da entstehe ein Gefühl der Unsicherheit.
Das ist die Situation, der Lisa Schäfer aus dem Weg geht. Da war sie, die Störung der Sendung. Werden Ihnen Dinge hinterhergerufen?, fragte Klamroth. Wie gesagt, sie verstehe die Sprache nicht, sagte Schäfer. „Sprechen Sie kein Englisch?“, war Klamroths Entgegnung.
Zu Erinnerung: In der Sendung ging es darum, wie Frauen von Männern nicht ernst genommen, wie ihnen Erfahrungen abgesprochen werden, wie Männer sich über sie lustig machen. Klamroth machte alles – in einem einzigen Satz. Er führte Schäfer vor, die junge, konservative Frau aus der Provinz, Tochter von Landwirten, die sich bemüht hatte, zu umschreiben, von wem sie sich belästigt fühlt, aber die, höhö, vielleicht nicht mal Englisch spricht. Männer wie Louis Klamroth würden immer dafür eintreten, dass Frauen gehört werden sollen. Dass man ihnen glauben soll. Hätte man gedacht.
Soll man lieber nur über das Oktoberfest reden?
Schäfers Stimme zitterte etwas, sie schien um Fassung zu ringen. Sie sagte nicht, dass die Frage eine Unverschämtheit war. Sie verteidigte sich, sie spreche Deutsch und Englisch. Sie würde aber gern auch über das Frauenbild von Männern reden, die sich in Deutschland integrieren sollen.
Stefanie Lohaus, feministische Journalistin, die auch in der Sendung war, warf ein, dass sie in Neukölln lebe und sie sich „auf dem Oktoberfest“ unwohl fühle. Erlebt habe sie da noch nichts. Aber das Oktoberfest sei ihr fremd. Damit war die Diskussion über Schäfers Unsicherheitsgefühl erledigt, bevor sie hätte beginnen können.
Geht es vielen Frauen so wie Lisa Schäfer? Ist es rassistisch, überhaupt diese Frage zu stellen? Sollte man sicherheitshalber nur über das Oktoberfest reden? Übergriffe dort sind so schlimm wie Übergriffe in den Straßen von Großstädten. Es gibt viele Arten von Sexismus, Belästigung, männlichem Druck auf Frauen. Aber es scheint in einer öffentlich-rechtlichen Talkshow nicht möglich zu sein, über alle zu diskutieren. Jedenfalls nicht bei Louis Klamroth.


