Theater

Wenn Miesepeter gute Laune kriegen: Neue Stücke von Damghani, Stuhler und Salzmann

Die Autorentheatertage am Deutschen Theater geben verlässlich Grund zum Nörgeln und zeigen, dass ein Funken reicht, um alle Betriebszweifel verpuffen zu lassen. 

Aus Frankfurt a.M.: „Der kleine Snack“, auf dem Bild: Anna Kubin, Christoph Pütthoff, Mark Tumba, Lotte Schubert, Heidi Ecks (v.l.)
Aus Frankfurt a.M.: „Der kleine Snack“, auf dem Bild: Anna Kubin, Christoph Pütthoff, Mark Tumba, Lotte Schubert, Heidi Ecks (v.l.)Robert Schittko

Das Gastspielprogramm der Autorentheatertage im Deutschen Theater ist angelaufen. Was für ein großzügiges Angebot! Mit finanzieller Unterstützung Berlins, von Stiftungen und Sponsoren werden zehn Inszenierungen aus deutschsprachigen Landen in den Berliner Frühling geholt, zweimal gezeigt und wieder verabschiedet. Und das kurz bevor das Theatertreffen seinerseits zehn Inszenierungen einlädt. Die ATT-Gastspiele hat die DT-Dramaturgie ausgesucht, die des TT eine Kritikerjury. Der Hauptstadtmensch muss sich nicht von der Stelle bewegen und erntet die Sichtungsfrüchte fleißiger Fach- und Betriebsleute. Und dann miesepetert er rum.

Aus Leipzig: „Anouk und Adofa“ mit Paulina Bittner und Patrick Isermeyer
Aus Leipzig: „Anouk und Adofa“ mit Paulina Bittner und Patrick IsermeyerRolf Arnold

Auch der hier Schreibende rutschte prompt in Nörgellaune, als er am Eröffnungstag das kleine Paarproblemstück und Depressionskammerspiel „Anouk und Adofa“, eine Leipziger Auftragsarbeit von Marco Damghani, zu sehen bekam. Viel zu groß und undistanziert gespielt für den kleinen Raum, plump und ergebnisorientiert erzählt. Dann folgte zur Auflockerung „Der kleine Snack“ von Nele Stuhler und Jan Koslowski aus Frankfurt am Main, eine ironisch poppige, mittelschichts- und kapitalismuskritische Diskursballerei mit Tourette- und Comedyausbrüchen, der bunte Abend erinnert an René Pollesch, ist nicht ganz so selbstbezüglich und überdreht, dafür mit plakativ durchgearbeiteter Scheiß-Fress-Konsum-Dienstleistungs-Metapher. Ja, zugegeben, macht Spaß.

Beide Abende sind spürbar auf Publikumsbedürfnisse hin kalkuliert. Wie bei einem Tinnitus machen sich die Erfordernisse des Betriebs und der Spielplandramaturgie im Hintergrund bemerkbar. Man nimmt es erst im Nachhinein wahr, wenn man dann einen Abend sieht, der nicht irgendwelche Ansprüche erfüllt, sondern sich selbst genug ist, der erzählt, weil er von etwas zu erzählen hat.

Aus Hamburg: „Im Menschen muss alles herrlich sein“, auf dem Bild: Toini Ruhnke, Pauline Rénevier, Oda Thormeyer, Oana Solomon (v.l.)
Aus Hamburg: „Im Menschen muss alles herrlich sein“, auf dem Bild: Toini Ruhnke, Pauline Rénevier, Oda Thormeyer, Oana Solomon (v.l.)Krafft Angerer

Das war bei der Produktion aus dem Hamburger Thalia der Fall: Hakan Savaş Mican inszeniert nicht zum ersten Mal ein Stück von Sasha Marianna Salzmann, die ihren preisgekrönten Roman „Im Menschen muss alles herrlich sein“ für die Bühne adaptiert hat. Die Arbeit des Regisseurs findet ihre Poetik in dem, was sie erzählen will. Das Wie ist gutes Handwerk: Sprache, wechselnd zwischen Erzählung und Dialog, dazu Filmaufnahmen (Sebastian Lempe) und Live-Musik (Masha Kashyna und Stefan Stern), die nicht illustrieren, sondern in Spannung zu dem Gezeigten treten, gut abgestimmt und im Ablauf durchkomponiert.

Die Inszenierung gibt dem Inhalt Sicherheit und Orientierung, das ist wohltuend und produktiv, denn die Erzählerin, die junge Journalistin Edi (Toini Ruhnke), ist schon unsicher und desorientiert genug auf ihrer Suche nach den Auswirkungen ihrer ukrainischen Herkunft auf ihre Identität. Spärlich ist, was die in Jena gestrandeten Verwandten erzählen, dünn scheinen die Fäden zu sein, die zurück in die Sowjetunion und in die „Fleischwolfzeit“ nach dem Zusammenbruch der Utopie führen und die Gegenwart im Donbass mit der auf dem Tempelhofer Feld in Berlin verbinden – Fäden, die Edi bestimmen, aber vielleicht doch auch halten.

Autor:innentheatertage. Noch bis 11. Mai im Deutschen Theater, Karten und Informationen unter Tel.: 28 44 12 25 oder deutschestheater.de