Andrea, 55: Mein Mann und ich sind seit 30 Jahren verheiratet, aber bis heute müssen wir immer wieder neu aushandeln, wer zum Beispiel die Spülmaschine ausräumt oder andere Sachen im Haushalt macht. Mein Mann sagt, er fühle sich von mir entmündigt. Ich wolle ihm meine Vorstellungen davon, wie der Haushalt geführt werden muss, aufzwingen. Tatsächlich sind unsere Standards in Bezug auf Ordnung und Sauberkeit unterschiedlich, aber ich könnte mit seinen niedrigeren Ansprüchen nicht leben. Können wir dieses Problem noch lösen?
Liebe Andrea, ja, Sie können dieses Problem noch lösen und puh – dafür haben Sie beide im Laufe der Zeit anscheinend schon viel Energie aufgewendet. Sie sind mit diesem Problem aber nicht allein. In meine Praxis kommen immer wieder Paare, die sich an solchen scheinbaren Alltagsthemen bis hin zur Trennung reiben. Ich schreibe „scheinbar“, weil es bei der Haushaltsführung und den Gesprächen darüber um sehr intime Dinge geht. Der eigene nahe Raum, die eigenen Gewohnheiten und die eigenen Vorstellungen vom Leben sind für jeden Menschen sehr wichtig. Sie machen einen Teil unserer Persönlichkeit aus. Werden unsere Vorstellungen und Werte vom Partner nicht anerkannt und gewürdigt, bleibt die Beziehung immer ein kleines Stück unerfüllt. Wie ein kleiner Stein im Schuh oder kalte Füße in der Nacht.
Der Ärger reicht noch nicht aus, etwas zu verändern, aber so richtig Spaß macht es auch nicht. Bei Ihnen sind das jetzt schon 30 Jahre. Sie fühlen sich alleingelassen und Ihr Mann fühlt sich bedroht. Eine klassische Mangel- und Engesituation. Sie schreiben, dass Sie mit seinen niedrigen Standards nicht leben könnten. Wie lösen Sie denn solche Unterschiede in anderen Lebensbereichen? Bei der Kindererziehung, der Urlaubsplanung oder dem gemeinsamen Geld? Interessant ist auch der umgekehrte Fall, wenn Ihr Mann etwas in einer bestimmten Art haben will oder braucht? Bei vielen Paaren ist das oft in der Sexualität der Fall, der Mann will hier mehr, erlebt den Mangel, und die Frau spürt jetzt die Enge.



