Liebe & Sex

Will denn niemand mehr was Festes? Wieso Beziehungen in Berlin so schwierig sind

Weil es mit der Partnersuche nicht klappte, entschied sich unsere Autorin für ein besonderes Familienmodell. Auf eine monogame Beziehung hofft sie noch immer. 

Die Suche nach einer festen Beziehung in Berlin kann schon frustrierend sein. 
Die Suche nach einer festen Beziehung in Berlin kann schon frustrierend sein. Roshanak Amini für Berliner Zeitung Wochenende

„Ich bin grundsätzlich auf der Suche nach einer festen Beziehung“, antwortete ich kürzlich meinem Bumble-Match auf die Frage, was ich mir hier denn erwarte. Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, wurde ich auch schon am anderen Ende gelöscht, ohne Erklärung, ohne ein höfliches „Auf Wiedersehen“. Das könnte man wohl als Ghosting bezeichnen. Eine Art zwischenmenschlicher Kommunikation – oder in diesem Fall wohl eher Nichtkommunikation –, die sich in der modernen Datingwelt längst breitgemacht hat.

Wenngleich meine Ghosting-Erfahrung eher harmloser Natur war, kenne ich doch zahlreiche Beispiele in meinem Freundeskreis, bei denen es weitaus brutaler und respektloser zuging. Eine Freundin wurde sogar nach einer knapp dreijährigen Beziehung von ihrem Partner geghostet. Das abrupte Ende ohne jegliche Erklärung war der Gipfel einer zermürbenden Zeit. Drei Jahre voller unverbindlicher Dates, kein Liebesbekenntnis wurde jemals tatsächlich in die Tat umgesetzt.

Beziehungsmuster, die ich selbst nur zu gut kenne. Anfänge mit hoffnungsvollen Versprechen und Euphorie, die, sobald sich die Beziehungen in eine ernstere Richtung zu entwickeln schienen, schnell wieder in vage Unverbindlichkeiten mit Floskeln wie „Es liegt nicht an dir, aber ich möchte einfach nichts Festes“ abdrifteten. Meine Erfahrungen waren geprägt von Enttäuschungen, mein Bedürfnis nach einer monogamen Partnerschaft und mein Kinderwunsch setzte die meisten Männer nicht nur unter Druck, sondern gab Anlass dazu, die eigenen Ängste und Unsicherheiten auf mich zu projizieren. „Die will mir bestimmt ein Kind anhängen“, „Die will jetzt sicher Nägel mit Köpfen machen“, „Die ist ja total verzweifelt auf der Suche“ sind nur einige Kommentare, die meinen Selbstwert nachhaltig verletzten und meinen Wunsch nach Zweisamkeit und einer Familie mit Schamgefühlen befrachteten.

Mit der Zeit fing ich an, mich zu verstellen, spielte meine eigenen Bedürfnisse runter und entfernte mich dadurch immer weiter von einer Partnerschaft, wie ich sie mir wünschte. Steckte ich etwa im Dating-Zeitalter der Unverbindlichkeit fest, in dem sich niemand mehr wirklich auf eine andere Person einlassen noch festlegen möchte?

Berlin hat die zweithöchste Single-Dichte Deutschlands

Laut einer aktuellen Studie der Online-Partner-Vermittlung Elite Partner könnte das insbesondere auf meine Wahlheimat Berlin zutreffen. Jeder dritte Deutsche ist mittlerweile Single und Berlin hat mit 37,6 Prozent sogar die zweithöchste Single-Dichte in Deutschland überhaupt. Nur im Bundesland Thüringen ist die Rate noch höher. Als Grund für diese Entwicklung wird der immer stärker werdende Wunsch nach Selbstverwirklichung angegeben, dem die Rücksichtnahme auf einen Partner im Wege stünde. Andernorts wird die moderne Art des Datings als Ursache ausgemacht. Mit der scheinbar unbegrenzten Auswahl in den Dating-Apps wird der potenzielle Partner auf ein Foto, einen Swipe reduziert und mehr wie ein Konsumgut als wie eine reale Person gehandelt. Und entspricht das Gegenüber dann nicht exakt den eigenen Vorstellungen, wird in Sekundenschnelle Ersatz gefunden. Für Höflichkeiten und Respekt haben bei dieser Art des fliegenden Wechsels die meisten weder die Zeit noch die emotionalen Kapazitäten.

So hat sich die sogenannte Nicht-Beziehung, die ihren Ursprung in den USA hat, längst als paradoxes neues Beziehungskonzept auch hierzulande etabliert. Was konkret dahintersteckt? Zwei Menschen verbringen Zeit miteinander und tun alles, was man in einer typischen Beziehung vielleicht auch tun würde, nur ohne jede Art von Verbindlichkeit – weder Treue noch Erklärungen oder sonstige Verpflichtungen bleibt man sich hier schuldig. Und wenn man sich nichts mehr schuldig ist, dann wird eben auch das Ghosting zur Normalität. Denn wie soll man eine Beziehung beenden, die ja streng genommen gar keine Beziehung ist?

Meine Meinung dazu: Alles Feiglinge! Wer sich nicht festlegen will, hat einfach nur Angst. Angst davor, Verantwortung für jemand anderen zu übernehmen, Angst davor, zurückgewiesen und verletzt zu werden, und Angst davor, nicht gut genug zu sein. Wer ständig nach etwas Besserem, Neuerem und Aufregenderem sucht, ist meistens einfach nur in die Idee von Liebe verliebt. Wahre Liebe braucht Mut, sich verletzlich und authentisch mit allen Stärken und Schwächen zu zeigen. „Der beste Beweis der Liebe ist Vertrauen“, sagte die amerikanische TV-Psychologin Joyce Brothers einst sehr treffend.

Ich möchte mit jemandem alt werden

Verstehen Sie mich nicht falsch: Es geht mir nicht darum, eine Lanze für die Ehe oder gar das heteronormative Familienkonzept zu brechen. Ich möchte hier auch kein Single-Shaming betreiben. Ich finde es aufregend, dass es neue Dating-Möglichkeiten gibt, dass die Monogamie als einzig funktionierendes Beziehungs-Konstrukt infrage gestellt wird. Ich selbst habe mithilfe einer Samenspende Kinder bekommen und bin jetzt seit fast über zwei Jahren alleinstehende Mutter und lebe ein ganz neues Familienmodell, für das ich mir gesellschaftliche Akzeptanz wünsche. Jeder soll so leben, wie er es für richtig hält, vorausgesetzt das respektvolle Miteinander wird gewahrt und dazu gehört nun mal eine gewisse Verantwortung für sein Gegenüber. Eine Nicht-Beziehung zu führen, wenn zwei Menschen miteinander interagieren, ist de facto nicht möglich. Oder, wie es der britische Schriftsteller und Dichter John Donne bereits vor 400 Jahren formulierte: „Niemand ist eine Insel, in sich ganz; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlandes.“

So glaube ich auch nach all meinen schlechten Erfahrungen und trotz meiner neuartigen Familienkonstellation an eine feste, monogame Beziehung – mich persönlich würde mehr als eine Person neben Job und Kindern emotional und zeitlich ganz einfach überfordern – und daran, mit einem Partner gemeinsam alt zu werden. Und auf die Gefahr hin, in den Kitsch abzurutschen, hat mir die aktuell viel besprochene Netflix-Doku „Harry & Meghan“ wieder einmal gezeigt, dass sich die Hürden des Alltags zu zweit besser meistern lassen als alleine – zu zweit kann man es sogar mit einem jahrhundertealten Königshaus aufnehmen. „Wir haben es auf die andere Seite geschafft“, sagt Prinz Harry zum Ende der Doku und verweist damit auf sein Leben mit seiner Frau, seinen zwei Kindern und seinen zwei Hunden in Los Angeles.

Nun glaube ich schon lange nicht mehr an den Prinzen auf dem weißen Pferd und das ist auch gut so. Warum ich die Hoffnung auf mein eigenes Happy End trotzdem nicht aufgegeben habe? Ich konzentriere mich auf das, was ich selbst beeinflussen kann. Ich fange mit meinem eigenen Verhalten an, ich stehe heute selbstbewusst zu dem, was ich möchte, und formuliere meine Bedürfnisse klar. Ich bringe meinen Mitmenschen den Respekt entgegen, den ich für mich selbst auch einfordere. Dazu gehört vor allem Verbindlichkeit und Ehrlichkeit. Außerdem versuche ich, mich nicht zu voreilig in irgendetwas reinzustürzen und mir und meinem Gegenüber Raum und Zeit zu geben, um zu schauen, wie kompatibel man jenseits einer sexuellen Anziehung wirklich ist. Natürlich wird mich auch diese Einstellung nicht vor Enttäuschungen bewahren können. Aber das Wissen darum, dass ich Verantwortung für mich übernommen habe und mir selbst treu geblieben bin, wird mir die nötige Stärke geben, mit Zurückweisungen besser umzugehen. Nur so – und daran glaube ich ganz fest – wird der passende Deckel zu mir finden.


Empfehlungen aus dem Ticketshop: