Wenn wir uns verlieben, haben wir sprichwörtlich eine rosarote Brille auf, betrachten unseren Schatz in gleißendem Licht, beten ihn oder sie an. Alles ist toll, das Glück perfekt. Doch irgendwann nimmt das Bauchkribbeln ab, der Alltag kommt – früher oder später fängt man an, doch die eine oder andere Macke, kleinere oder größere Betriebsmängel am anderen zu entdecken.
Der erste große Streit ist ganz furchtbar, die nachfolgenden auch, meistens nähert man sich einander an, schließt Kompromisse, verhandelt das Miteinander immer wieder neu. Mal setzt der eine sich durch, mal die andere.
Und was, wenn nicht? Wenn er oder sie die meiste Zeit nur noch nervt, weil man eben doch verschieden ist mit unterschiedlichen Lebenswegen, Prägungen, Erfahrungen. Was, wenn man merkt, dass es so nicht weitergehen kann?
Die Diplom-Pädagogin Uli Bott hat zusammen mit ihrem Mann Bernd gerade ein Buch dazu veröffentlicht. Kernthese: Man muss sich nicht notwendigerweise trennen, nur weil es viel Streit gibt. So ziemlich jedes Paar kann einen Weg finden, miteinander glücklich zu sein.
Die Botts haben vier Kinder, das jüngste ist 13 Jahre alt. Sie sind seit 27 Jahren ein Paar und nach eigener Aussage verliebter denn je. „Und das Geheimnis ist vielleicht, dass wir einander toll finden, uns das sagen und zeigen“, verrät Uli Bott. „Vermeintliche Schwächen können wir akzeptieren, ohne einander ändern zu wollen.“
Das klingt und ist toll, ist für die meisten Paare aber schwer umzusetzen, einfach weil die Ansprüche an sich selbst und an ihn oder sie doch recht hoch sind. „Dazu passt das Gleichnis mit dem kleinen Gelb und dem kleinen Blau“, weiß Uli Bott.
Tipp: Sehen Sie sich als gestalterischen Teil der Beziehung
Die Geschichte geht in etwa so, dass zwei Farbkleckse sich treffen und eins werden. Aus dem kleinen Gelb und dem kleinen Blau wird ein Grün. „Das Spannende jedoch ist, dass dieses Grün bei jedem Paar anders aussieht, es ist ein ganz besonderes Grün, das ein Paar gemeinsam kreiert. Ein Farbton, den es nur ein einziges Mal auf dieser Welt gibt. Das Wunder des gemeinsamen Wir“, erklärt die Expertin.
Und weiter: „Bloß weil man das Gelb und das Blau nicht mehr einzeln wahrnehmen kann, wissen wir trotzdem alle, dass ‚grün‘ nur aus der Mischung der beiden Farben entstehen kann. Das heißt, niemand verschwindet in einer Beziehung oder löst sich auf. Diese verbreitete Sorge ist schlicht überflüssig.“
Wir könnten also aufhören, den anderen so haben zu wollen, wie wir selbst sind, so Uli Bott: „Denn aus einem Blau kann kein Gelb werden. Aber wir können uns zusammentun und das schönste Grün erschaffen. Eine Partnerschaft funktioniert dann besonders gut, wenn wir unsere Verschiedenartigkeit anerkennen und gemeinsam unsere Stärken stärken und unsere Schwächen ausgleichen.“
„Es ist okay, sich mal mehr einzubringen und an anderen Stellen zurückzunehmen“, sagt Uli Bott. Wenn Sie also besonders gut im Wäschemachen oder Rechnungenbezahlen sind, weil es Ihnen vielleicht sogar Spaß macht, bestehen Sie nicht aus Prinzip darauf, dass Sie und Ihr Schatz sich damit abwechseln. Bleiben Sie bei sich und rechnen nichts auf. Jeder Mensch hat eigene Qualitäten, aus denen er Kraft schöpfen kann. Wertschätzen Sie sich ruhig dafür!
„Solange wir als Partner versuchen, uns dem anderen anzugleichen und als Mann weiblich und als Frau männlich zu werden, vergeuden wir unser Potenzial, und unsere Beziehung verdorrt“, notiert das Ehepaar Bott in seinem Buch und beschreibt so eine Realität in vielen Partnerschaften, in denen man sich verbiegt, abkämpft, verärgert.
Was tun, wenn alles verfahren ist?
So ziemlich jede Beziehung kommt an einen Punkt, wo man um Kleinigkeiten bis aufs Messer streitet, wo selbst Nickeligkeiten ganz groß und schlimm sind, man gar nicht mehr zueinander findet. „In solch einer Situation braucht es einen Break, um einmal durchzuatmen“, rät Uli Bott, die seit Jahren auch Paare coacht. „Dann empfehle ich immer, an die Anfangszeit der Liebe zu denken und wie rücksichtsvoll man damals miteinander umgegangen ist.“
Bei den meisten Menschen weckt das melancholische, zärtliche Gefühle. Die können und sollten Sie nutzen! Sobald also die Wut verflogen ist, Sie wieder milder gestimmt sind, versuchen Sie all Ihre Verletzungen, Vorwürfe und Enttäuschungen zu vergessen beziehungsweise in konstruktive Handlungen zu übersetzen. Gute Beziehungen zeichnen sich dadurch aus, dass die Partner bereit sind, einmal öfter zu vergeben als verletzt zu bleiben.
Beziehungs-Lifehack: Heben Sie Ihren Schatz auf ein Podest
Es mag total absurd klingen, nach einem Streit wirklich zurück auf Anfang zu gehen, aber wenn Sie sich darauf einlassen, werden Sie bald vom Erfolg überrascht sein. Pädagogin Uli Botts Geheimtipp lautet: „Machen Sie Ihren Partner zu Ihrem Helden oder Ihre Partnerin zu Ihrer Königin! Das ist meiner Erfahrung nach der wichtigste Aspekt, wie man eine Beziehung so aufstellen kann, dass sie lange hält und dabei glücklich macht.“
Wir alle werden gerne wertgeschätzt und um unserer selbst willen geliebt. Beides spielt eine wichtige Rolle, wenn Sie Ihren Partner zum Helden erheben beziehungsweise Ihre Partnerin zu Ihrer Königin machen. „Verehren Sie Ihre Frau“, rät Uli Bott. „Sehen Sie die Königin in ihr und konzentrierten sich auf all die Aspekte, die Sie an ihr attraktiv finden. Tragen Sie sie auf Händen und sehen Sie, wie sehr sie sich anstrengt, all die familiären Bedürfnisse zu erfüllen. Geben Sie ihr Halt.“
Und umgekehrt bedeutet das: „Lassen Sie Ihren Mann Ihren Helden sein, der Sie auf Händen trägt und Sie unterstützt. Lassen Sie ihn wissen, dass Sie ihn brauchen, dass er Dinge besser kann als Sie selbst. Denn gerade die heutigen Männer sind oft so unfassbar verunsichert von uns starken Frauen. Bitten Sie um Hilfe. Er wird sich stark und gebraucht fühlen.“
Auch wenn es nach Klischee klingt, können derartige Rollenmuster zur Entlastung beitragen und auch für Eindeutigkeit sorgen. Wir Menschen sind nicht gleich. Und in keiner zwischenmenschlichen Beziehung, sei es unter Kolleginnen, unter Kumpels oder beim Sportverein: Niemals herrscht absolute Gleichheit. Jeder bringt sich mit seinen Fähigkeiten ein. In den meisten Beziehungen können wir das akzeptieren, nur in der Partnerschaft fällt es schwer(er).
„Und damit man nicht nur auf das guckt, was nicht funktioniert, und sich so ein Negativbild etabliert, ist es eine schöne mentale Stütze, den Partner oder die Partnerin als Held oder Königin zu sehen und sich immer wieder daran zu erinnern“, so Uli Bott.






