Fallstricke bei der Partnersuche

Wissenschaft des Datings: Wie man den richtigen Partner findet

Die Autorin Nasanin Kamani bietet in ihrem Buch „Date Education“ Analysen, um Situationen und Verhaltensweisen im Dating-Dschungel durchschaubar zu machen.

Manche Begegnungen zwischen den Geschlechtern gestalten sich sehr entspannt. Aber das Dating ist auch voller Fallstricke.
Manche Begegnungen zwischen den Geschlechtern gestalten sich sehr entspannt. Aber das Dating ist auch voller Fallstricke.Imago/Ute Grabowsky

Die Frage ist uralt: Wie findet man einen Partner, der zu einem passt? Oder eine Partnerin. Früher wurde einem die Suche oft abgenommen. Es gab arrangierte Ehen – nicht nur zwischen Fürstenhäusern. Auch bei Bürgern, Handwerkern und Bauern ging es nicht um romantische Liebe, sondern um den wirtschaftlichen und sozialen Zweck. Die Liebe kam später – vielleicht.

Bei heutigen jungen Leuten ist die Interessenlage sehr vielfältig. Ums Heiraten geht es meist erst einmal nicht. Auch Frauen wollen oft einfach nur Spaß und Sex. Solche weiblichen Bedürfnisse wurden jahrhundertelang geleugnet und unterdrückt. Die Partnersuche für eine echte Beziehung, wie es heute heißt, ist wiederum alles andere als einfach. Romantik steht dabei im Mittelpunkt – aber am Ende soll auch alles andere passen: Interessen, Charaktere, Karriere- und Familienplanung.

Missverständnisse im Online-Dating

Von Lisa Forster (dpa)

03.06.2021

Die sozialen Medien spielen heute eine wichtige Rolle bei der Partnersuche. Sie vergrößern zum einen die Zahl der möglichen Partnerinnen und Partner immens. Sogenannte Dating-Apps bieten ein wahres Universum an Bildern und Selbstdarstellungsprofilen. Die Auswahl fällt schwer. Zum anderen überlagern und verzerren die sozialen Medien den Prozess. Sie erzeugen Illusionen, fördern bestimmte Körperideale, denen große Teile der Heranwachsenden nachstreben. Mit Sorge betrachten Ärzte zum Beispiel den Trend sich ausbreitender Schönheitsoperationen unter jungen Frauen.

Bindungsangst, Generation-Maybe-Theater und Social-Media-Terror

Vom großen „Problem namens ‚postmoderne Partnersuche‘“, spricht Nasanin Kamani, Autorin des jüngst erschienenen Buchs „Date Education“. Entstanden sei ein regelrechter Dating-Dschungel, in dem man sich verirren könne und in dem man auf Eigenheiten treffe wie „Bindungsangst, Generation-Maybe-Theater, den Trend von offenen Beziehungen, Social-Media-Terror“.

Wie kann man diese Gefahren umgehen, den Lauf der Dinge steuern? Gibt es für das Dating eine wissenschaftliche Grundlage, an der man sich orientieren kann? Solcher Fragen hat sich die Autorin Nasanin Kamani angenommen. Mit „professionellen und verständlichen Analysen“ will sie den Menschen helfen, „die Datingwelt mit all ihren unterschiedlichen Akteur*innen, Regeln und Trends besser zu durchschauen und damit die Suche nach dem oder der Richtigen ein ganzes Stück zu erleichtern“.

Nasanin Kamani, 1989 in Köln geboren, ist Ärztin in der Psychiatrie und Psychotherapie. Sie arbeitete als Tutorin an der Uniklinik Köln und als Psychologie-Dozentin an einem Kölner Institut. Sie promovierte im Fach Psychiatrie. Ihr Buch „Date Education“ enthält sehr viel Tiefenpsychologie. Einen besonderen Wert erhält es dadurch, dass es neben der fachlichen auch eine ganz persönliche Sicht enthält. Nasanin Kamani weiß, wovon sie spricht. Sie gehört genau zu jener Generation der Zwanzig- und Dreißigjährigen, die intensiv versucht, im „Dating-Dschungel“ jemanden zu finden.

Ohne den gewissen Funken funktioniert es auch im digitalen Zeitalter nicht

Kamani teilt ihre eigenen, im Belletristik-Stil geschilderten Dating-Erfahrungen mit den Lesern – „vom ersten Treffen bis hin zu intensiven Kennenlernphasen mit Hindernissen, Überraschungen und Wendungen, die dem einen oder anderen sicherlich bekannt vorkommen“. Da gibt es den Kommilitonen, mit dem sie für ein paar Monate in einer Studenten-WG lebte. Da gibt es den promovierten Physiker, dem sie in der Bibliothek begegnete. Da gibt es aber auch Dating-Partner, die sie bei Tinder kennenlernte.

Nasanin Kamani, Autorin des Buchs „Date Education“
Nasanin Kamani, Autorin des Buchs „Date Education“Matthias Meurer

Ihre Erfahrungen kombiniert Kamani mit den fachlichen Analyse-Abschnitten, in denen sie auch Verhaltensratschläge anbietet. Sie nennt es nicht Ratgeber, weil sie auch nicht von einer sicheren Warte aus schreibt, sondern selbst eine Suchende ist und mit Enttäuschungen umgehen muss. Als Leser lernt man sozusagen mit ihr mit. Für viele, die selbst auf Partnersuche sind, werden ihre Analysen sicher hilfreich sein.

Im Kern geht es immer noch um das Eine, auch im Zeitalter der „postmodernen Partnersuche“: Egal, auf welchem Wege man sich kennenlernt – die persönliche Begegnung entscheidet. Ohne „den Funken, die Chemie, das ‚Klicken‘“ hat eine engere Beziehung keine Chance. Irgendwie ist das auch beruhigend. Die Frage ist aber, wie es weitergeht. Wird aus dem Funken etwas Größeres oder versiegt das Ganze, weil jemand sich zum Beispiel „nicht binden“ will oder kann? Dies habe oft gar nicht mit mangelnder Anziehung oder mangelndem Interesse zu tun, sagt Kamani im Gespräch. „Inzwischen ist bewiesen, dass es Bindungsangst wirklich gibt.“

Die Gründe dafür, warum jemand nach gelungenem Dating-Auftakt den Kontakt zurückfahre, obwohl es „gefunkt“ habe, können vielfältig sein. Dazu gehört, dass jemand zurzeit überlastet ist, familiäre Sorgen hat, sich minderwertig fühlt oder unter Ängsten leidet – zum Beispiel davor, betrogen und verlassen zu werden (aus negativer Erfahrung), die emotionale Kontrolle zu verlieren und sich durch körperliche Annäherung verletzbar zu machen. Oft finde man traumatische Erfahrungen aus der Kindheit, aus früheren Beziehungen, Co-Abhängigkeit, Missbrauch, Ablehnungen und Vertrauensbrüche. Bei manchen komme es zu körperlichen Reaktionen wie Herzrasen, Übelkeit, Erbrechen und Hitzewallungen.

Warnsignale wie „toxische Spiele“ nicht übersehen

„Wie kann man sich am besten verhalten, um sich zu schützen, den anderen zu schützen, der Dynamik eine Chance zu geben?“ – so laute eine wichtige Frage beim Dating, sagt Kamani. Dabei sollte man auch sogenannte Red Flags, also wirkliche Warnsignale nicht übersehen. Dazu gehöre etwa, dass jemand „toxische Spiele mit einem treibt“, wie etwa „On-Off-Spielchen“, ein Hin und Her zwischen Trennung und Annäherung. Ein weiteres Beispiel sei das „Ghosting“, bei dem jemand plötzlich in der Versenkung verschwinde, „als hätte es ihn nie gegeben, uns nie gegeben, das potenzielle oder bereits bestehende Wir nie gegeben“, so Kamani.

Leben wir in einer völlig verkorksten Welt?, fragt man sich bei der Vielfalt der möglichen Probleme, die einem beim Dating begegnen können.Wie kommen überhaupt noch Menschen zusammen, bilden sich Familien, wird Nachwuchs produziert? Ist es heute ein Glücksfall, wenn die Beziehung von Paaren gesund und zufriedenstellend ist?

„Man muss für diesen Glücksfall etwas tun, indem man nach einer anfänglichen Kennenlernphase an den Problemen arbeitet“, sagt Kamani. Es sei natürlich ein Glücksfall, wenn zwei Menschen aufeinanderträfen, die kein „Päckchen“ zu tragen hätten. Aber ernsthafte Beziehungen entstünden heute oft viel später als zu Zeiten, als man schon mit Zwanzig eine Familie gründete. Und jeder Partner bringe dann seine eigene Geschichte mit.

Benching, Breadcrumbing und Orbiting – was ist das eigentlich?

Es ist allerdings offenbar ein Irrtum, dass es zu anderen Zeiten unkomplizierter gelaufen ist. Man muss sich dafür nur die Scheidungsquote in Deutschland anschauen. Vor 20 Jahren trennten sich etwa 50 Prozent der Paare irgendwann wieder, heute sind es etwa 40 Prozent. Und manche Probleme dieser Ehen waren vielleicht schon am Anfang vorhanden. Sie wurden von der Leidenschaft überdeckt, später verdrängt, vom Alltag zugedeckt.

„Man muss dafür arbeiten, dass sich Dinge gesund entwickeln“, sagt Nasanin Kamani. Auch schon in der Datingphase sollte man sogenannte toxische Entwicklungen vermeiden. Toxizität bedeute, dass aus der Begegnung zweier Menschen eine Dynamik produziert werde, durch die man sich emotional in Gefahr begebe, sagt die Medizinerin. Als Beispiel nennt sie das Zusammenkommen einer Person mit Verlustangst mit jemandem, der sehr bindungsängstlich ist. „Diese zwei Charaktere treffen aufeinander, und dann entsteht so ein toxisches Gemisch, weil der eine immer Druck aufbaut und der andere immer wegläuft“, sagt sie. „Es entsteht ein Katz-und-Maus-Spiel.“ Man sei nur noch damit beschäftigt, diese Bindung am Laufen zu erhalten, ohne sich zu fragen, ob diese überhaupt gut tut.

Weder sei es gesund, eine Beziehung ganz am Anfang schon mit Erwartungen zu überfrachten. Noch sei es gesund, wochenlang Spielchen zu treiben, nicht authentisch zu sein, den anderen hängenzulassen. So etwas kommt in der heutigen Welt der sozialen Medien offenbar recht oft vor. Dafür gibt es eigene Begriffe wie „Benching“ (jemanden auf einer Art „Ersatzbank“ warmhalten), „Breadcrumbing“ (jemanden immer mal wieder mit Kommunikationskrümeln füttern und hinhalten) oder „Orbiting“ (nach Kennenlernen, Treffen und eventuell Sex ohne Erklärung verschwinden, aber weiter sichtbar das soziale Profil des einstigen Dating-Partners verfolgen).

Auch mal entspannt im Dating-Fluss treiben lassen

Anders als zu Zeiten schnellerer fester Bindung scheint es ein Merkmal der Social-Media-Generationen zu sein, sich nicht festlegen zu wollen oder zu können, On-Off-Beziehungen zu führen, sich die Dinge offenzuhalten, weil es eine schier endlose Zahl an Möglichkeiten gibt. Nasanin Kamanis vielfältige Analysen können möglicherweise helfen, Probleme früh zu erkennen und das Verhalten anderer besser zu verstehen, das in ganz verschiedene Richtungen deuten kann: „Wie können wir den Rückzug interpretieren, wie das Meldeverhalten, die gemischten Signale, die schnelle Verbindlichkeit, das plötzliche Abtauchen?“

Kamani erklärt, wann Vorsicht geboten ist und wann Nachsicht – und wie man auch den Eigenanteil am Geschehen erkennt. „Wieso idealisieren wir den einen und entwerten den anderen?“, fragt sie. „Wieso betrügen wir uns manchmal selbst, indem wir die Augen vor Red Flags, vor Warnsignalen verschließen oder auf einen Dating-Partner setzen, bei denen kein Funke überspringt?“ Und: „Warum fallen wir immer auf die gleichen Typen rein?“

Der Titel „Date Education“ könnte allerdings den Eindruck erwecken, dass man etwas, das Spaß machen soll – Dating, Sex, Liebe –, vor allem theoretisch angehen sollte, um ja nichts falsch zu machen, statt sich auch mal „im Dating-Fluss treiben zu lassen“. Aber das Leben ist nicht berechenbar. Das zeigen die Geschichten der Autorin selbst, die sich auch überraschen lässt, auf ihr Gefühl hört. Sie hat eine romantische Ader, ist kreativ, musikalisch, liebt die Sprache, wovon auch die Geschichten in ihrem Buch zeugen.

Widersprüchliches im Verhalten beider Geschlechter

Nasanin Kamanis Analysen können vor allem dazu dienen, dass man Vorgänge bis zu einem gewissen Maße versteht und dass man sich in bestimmten Momenten fragt, ob sich auch alles so entwickelt, dass es einem selbst und anderen gut tut. Wer sich schon in einer sich entwickelnden Beziehung unwohl fühlt oder sehr gemischte Gefühle hat, der kann nach der entsprechenden Frage in den Analysekästen des Buchs suchen. Wobei ein Glossar mit Seitenverweisen die Suche noch erleichtern würde.

Fragen, die Nasanin Kamani behandelt, gab es schon immer. Anhand des Buches kann man zum Beispiel nachvollziehen, warum es so viel Widersprüchliches im Verhalten beider Geschlechter gibt – warum man zum Beispiel manchmal Sex mit jemanden hat, den man nicht liebt, und dann wiederum kaum etwas passiert, obwohl es „gefunkt“ hat. Gerade im Schwebezustand lassen sich Idealisierung und Fantasie eines „dauerhaften Anfangs“ lange aufrechterhalten, wie die Autorin in einer ihrer Geschichten zeigt.

Viel Widersprüchliches im „Dating-Dschungel“ hat mit einer „Schieflage der Gefühle“ zu tun. Nasanin erzählt zum Beispiel, dass mancher schon am Anfang des Datings „von einer Idee fixiert“ sein könne und lichterloh brenne, „bevor der andere überhaupt das Streichholz gezündet hat“. Es fallen Begriffe wie „Small-Talk-Falle“ (bei der der Kontakt aus verschiedenen Gründen einfach nicht vertieft wird) oder „Fate“ – womit weder ein echtes Date noch echte Freundschaft gemeint ist, „sondern etwas, das je nach Lust und Laune des dominanteren Parts mal freundschaftliche und mal datige Züge annimmt“. Auch dies ist eine Form des Hinhaltens aus verschiedenen Gründen, möglicherweise von (Macht-)Spielchen.

Ein Gefühl, das bindet, ohne zu bedrängen

Nahezu klassisch ist die Frage, die wohl fast alle Männer in ihrem Leben mindestens einmal stellen: warum sie bei einer Frau, mit der sie sich super verstehen und gerne Sex hätten, in der „Friendzone“ gelandet sind. „Gerade Männern wird von Coaches und Flirtexperten geraten, sich mit maskulinem Selbstbewusstsein dagegen zu wehren, als Schmusebär, digitaler Brieffreund oder emotionaler Mülleimer zu enden“, schreibt Kamani. Sogenannte Experten geben Tipps, wie man eine Frau dennoch „erobern“ könne. Doch ein Fazit von Kamani lautet: „Lockerheit und Liebe haben eines gemeinsam: Sie lassen sich nicht erzwingen.“ Liebe definiert sie als „ein Gefühl, das bindet, ohne zu bedrängen“. Und das gilt für alle Generationen, zu allen Zeiten.

Dr. Nasanin Kamani: „Date Education: Love Bombing, Tinder-Frust und Bindungsangst: Durchschaue dein Date“. Edition Michael Fischer/EMF-Verlag, 2022, 288 Seiten, 17 Euro.