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Lizzo unter Missbrauchsverdacht: Warum das viele mehr schockiert als bei Rammstein

Lizzo galt als die Königin der Wokeness. Nun wurde in Los Angeles Klage wegen schwerwiegender Delikte gegen sie eingereicht. Warum ist der Vertrauensverlust so groß?

Lizzo, hier beim Auftritt am 6. Juli 2023 in Madrid
Lizzo, hier beim Auftritt am 6. Juli 2023 in MadridValeria Magri/imago

Als Lizzo am 28. Februar dieses Jahres in Berlin, in der Mercedes-Benz-Arena, kichernd den Song „Du hast“ von Rammstein coverte, konnte wohl kaum jemand ahnen, dass die beiden Acts schon bald, kaum ein halbes Jahr später, noch mehr verbinden würde. Denn in vielem ist Lizzo, die US-amerikanische Grammy-Preisträgerin, ja eine Art Anti-Rammstein: Während Rammstein schon immer mit dem Leumund des Bösen flirteten, galt uns Lizzo bislang als die Suppernette und die Hohepriesterin der Wokeness: diejenige, die uns, auch bei ihrem Auftritt damals in Berlin, versichert, dass wir alle wunderschön sind, so wie wir sind, gleich welcher Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder Identität – sogar wenn wir, wie Lizzo selbst, doppelt so viele Kilos auf den Rippen haben als uns Heidi Klum gestatten würde. 

Der Rammstein'schen Liedzeile „du hast mich“ (die immer auch mit dem Quasi-Gleichklang zu „du hasst mich“ spielte) setzte Lizzo übrigens damals auf ihrem Berlin-Konzert (auf Deutsch!) effektreich  „ich liebe mich“ entgegen. Eine Selbstliebe, die auch der Quell einer Hochachtung für alle Menschen um sie herum ist – so sollte man damals meinen. Doch daran kommen nun erhebliche Zweifel auf: Drei von Lizzos Tänzerinnen reichten am Los Angeles Superior Court gegen ihre Chefin Klage ein; unter anderem wegen sexueller Belästigung. Lizzo, so ist in Medienberichten zu lesen, soll in Amsterdam auf einer Aftershow-Party Tänzerinnen genötigt haben, die Brüste von Stripperinnen anzufassen, sowie Bananen aus deren Vaginas zu essen.

Der Aufschrei ist riesig. Viele Fans verlieren das Vertrauen in ihre Ikone. Juristisch gilt freilich, wie bei Rammstein auch, die Unschuldsvermutung. Aber während Rammstein schon immer Grenzüberschreiter des sozial Akzeptierten waren und somit auch viele ihrer Fans nicht die größten Befürworter von Wokeness sein dürften, gehörte es bei Lizzo immer zum moralischen Versprechen wie auch zum Geschäftsmodell: Jeder Mensch besitzt die Autonomie über seinen eigenen Körper. So lautet die zentrale Message von Lizzo, die sie gewinnbringend vermarktet.

Wenn eine solche Predigerin der Liebe plötzlich verdächtigt wird, selber die Menschenwürde zu verletzen, so ist die Fallhöhe, ist der Vertrauensverlust verständlicherweise noch viel größer als bei einem Act, der ohnehin auf Härte setzt in seiner Ästhetik. Lizzo selbst weist die Vorwürfe inzwischen zurück und nennt sie abscheulich. Ob das reicht, um ihr Image zu retten?