Richmond ist die Hauptstadt des amerikanischen Bundesstaates Virginia. Die Stadt hat rund 230.000 Einwohner, Tendenz leicht steigend. Die Arbeitslosenquote betrug in der Metropolregion zuletzt drei Prozent und lag damit unter dem Landesdurchschnitt von 3,8 Prozent. Das Einkommensniveau ist in der Banken- und Finanzmetropole überdurchschnittlich hoch, aber natürlich lassen sich auch in Richmond Szenen des sozialen Abstiegs beobachten, wie sie der Autor J.D. Vance in seinem Buch „Hillbilly Elegie“ für den amerikanischen Rust Belt beschrieben hat, den inzwischen weitgehend deindustrialisierten Nordosten der USA. Nach der Wahl von 2016 wurde die Vernachlässigung der Malaise der amerikanischen Arbeiterschaft als eine der Hauptursachen für den Sieg Donald Trumps angesehen.
In seinem Anfang August herausgekommenen Song „Rich Men North Of Richmond“ knüpft der Countrysänger Oliver Anthony an dieses Erklärungsmuster an. In dem Lied werden die Lebensverhältnisse von Menschen beklagt, die sich abstrampeln müssen und dabei doch auf keinen grünen Zweig kommen. Überstunden, schlechte Bezahlung, sein Leben lang, so drückt es das lyrische Ich in dem Lied aus, habe es seine Seele verkauft. „Livin’ in the new world / with an old soul.“
Oliver Anthony skizziert in kämpferischer, ein wenig an Bruce Springsteen erinnernder Diktion das Psychogramm eines Abgehängten, der nicht ankommt gegen die Reichen nördlich von Richmond. Dort an der Ostküste ist nicht nur der mächtige und gierige Finanzkapitalismus zu Hause. Aus Sicht Oliver Anthonys, so darf man mutmaßen, befindet sich dort auch die politische Elite, die totale Kontrolle ausübt und hohe Steuern kassiert. Verschwörerische Stereotype klingen an, es ist von Kinderhandel und Wohlfahrtsmissbrauch die Rede. Seit ein paar Tagen steht der Song an der Spitze der Billboard Hot 100 Singlecharts. Binnen weniger Tage wurde er mehr als 17 Millionen Mal gestreamt und 147.000 Mal heruntergeladen.


