Geburtstagskonzertsause

Unverschämt schön: Mit einem mega Konzert hat Radio Eins seine 25 Jahre gefeiert

Was für ein Line-up! Wenn die Beatsteaks, Danger Dan, Bilderbuch, Kitty, Daisy & Lewis sowie Cari Cari in der Waldbühne spielen, ist der Regen vergessen.

Arnim Teutoburg-Weiß von den Beatsteaks bei einem Auftritt im August 2022
Arnim Teutoburg-Weiß von den Beatsteaks bei einem Auftritt im August 2022imago

Selbst die routiniertesten Konzertbesucher:innen dürften im Sommer 2022 – gelinde formuliert – auf ihre Kosten gekommen sein. Speziell im Raum Berlin wurden sie von einem Überangebot an verlockenden Kulturveranstaltungen mehrmals wöchentlich zum Tanz aufgefordert. Und nun, nach mehreren Monaten der völligen Reizüberflutung, wurde ihnen das nächste Event geboten, das definitiv nicht verpasst werden durfte: die Beatsteaks, Danger Dan, Bilderbuch, Kitty, Daisy & Lewis und Cari Cari an einem Abend auf einer Bühne – Anwesenheitspflicht, klar.

Geladen und gewohnt stilsicher kuratiert hat Radio Eins, gefeiert wird der 25. Geburtstag des seit 1997 von Musikliebhaber:innen hoch geschätzten Hörfunksenders aus dem Hause RBB. Ort des Geschehens ist die vielleicht bedeutendste Pilgerstätte der Berliner Popgeschichte, die annähernd ausverkaufte Waldbühne im tiefen Westen der Hauptstadt. Ganz egal, wie viele Abende man schon auf den unwirklich steilen Tribünen dieses Halbrunds verbracht hat, ist man doch jedes Mal neu angetan von der schieren Größe dieser Location – und vielleicht auch überwältigt vom diffus in der Luft liegenden Mick-Jagger-Aroma, wenn man am frühen Freitagabend zu den Klängen des österreichischen Indie-Pop-Duos Cari Cari in den Zuschauerraum gelangt.

Im Publikum tummeln sich – das ist direkt spürbar – viele langjährige Radio-Eins-Hörer:innen. Der Altersschnitt übersteigt den eines berlintypischen Konzerts um geschätzte fünfzehn Jahre. Viele Leute haben Sitzkissen, Ferngläser und Regencapes mitgebracht, scheinen sich beinahe pedantisch auf diesen Abend vorbeireitet zu haben, verhalten sich wahnsinnig zivilisiert und erwachsen.

Derweil überzeugen Cari Cari, die ihr frisch erschienenes Album „Welcome To Kookoo Island“ live bewähren, auf ganzer Linie. Der flächig-gedämpfte Sound des Zweigespanns, der sich im Spannungsfeld zwischen The xx, Fever Ray und Jefferson Airplane bewegt, animiert in kurzen, aufbrausenden Momenten zum Mitklatschen; ein gelungener Start in den Abend.

Unverschämt schön

Nach kurzer Umbaupause verwandeln Kitty, Daisy & Lewis die Waldbühne in ein Tanzlokal Marke „London der 50er“. Inzwischen weltberühmt für ihre stilechte Retro-Attitüde und ihre gekonnt-progressiven Interpretationen altehrwürdiger Rock’n’Roll-, Swing- und Blues-Rhythmen, imponieren die drei leiblichen Geschwister aus London Kentish Town durch Multiinstrumentalismus und Authentizität. Wie Straßenmusiker:innen tragen sie ihre Gitarrenkoffer eigenhändig auf die Bühne; die Ansagen zwischen den Songs machen sie in derbstem British English.

Mit Einbruch der Dunkelheit schallt anschließend das ebenso wohlklingende Wienerische durch den Olympiapark: Bilderbuch treten zu ihrer letzten Bühnenschicht im Kalenderjahr 2022 an. Das unverschämt schöne, unverschämt unaufgeregte, generell unverschämt über den Dingen thronende Quartett beginnt sein Programm mit „Zwischen deiner und meiner Welt“, dem heimlichen Hit der aktuellen Platte „Gelb ist das Feld“.

Dieses Stück steht exemplarisch für den Signature-Sound der Österreicher: harmonische Melodien, die trotz ihrer Sanftheit elektrisieren; futuristisch-waberndes Gitarrenspiel, Popsongs, die zwar berieseln, aber niemals ins Schnulzige kippen. Das Gefühl Bilderbuch matcht nahezu perfekt mit dem Vibe dieses Waldbühne-Abends: Schneidersitz statt Moshpit, Sichtreibenlassen statt Vordrängeln.

Die Überbrückungsphasen zwischen den einzelnen Acts werden von Wortbeiträgen diverser Radio-Eins-Moderator:innen versüßt – und die sind es auch, die gegen 21 Uhr Publikumsliebling Danger Dan auf die Bühne bitten.

Zu Danger Dan (den viele auch als Mitglied der Antilopen Gang kennen) ist anzumerken, dass er das konzertreichste Jahr seiner Karriere durchlebt: Jeder Plot in seiner Performance am Piano sitzt sekundengenau, jeder noch so waghalsige Sprung zwischen politischer Kampfansage und selbstironischer Spitze erscheint schlüssig. Danger Dans ureigene Melange aus Gänsehaut, Consciousness und Gag, Spoken Word, Punkrock-Habitus und Hannes-Wader-esker Ballade wird (auch inmitten der Songs) von tosendem Applaus und schlussendlich sogar von einem Streichquartett begleitet.

Das unliebsame Wetter ist vergessen

Während sich der Wahlberliner mit „Eine gute Nachricht“ in den verdienten Feierabend verabschiedet, beginnt es zu regnen. Doch die Zuschauer:innen bleiben. Zu bedeutsam ist das Finale des Abends, das letzte Heimspiel der Beatsteaks im Konzertjahr 2022. Spätestens als „die charmanteste Band der Welt“ mit „Hello Joe“ die Bühne erstürmt, scheinen die unliebsamen Wetterbedingungen vergessen: „Es regnet. Und es war noch nie egaler“ verkündet Sänger, Gitarrist und Energiebündel Arnim Teutoburg-Weiß, der schon nach kürzester Zeit mit eineinhalb Beinen voraus im tanzenden Menschenauflauf vor der Bühne hängt.

Was von Anfang an eine Party war, sieht spätestens jetzt auch so aus. Die Beatsteaks krönen einen Abend, der – auf und vor der Bühne – angenehm frei ist von Mainstream-Stumpfsinn und toxischer Breitbeinigkeit; einen Abend, der beweist, wie gut und wichtig es ist, dass ein Sender wie Radio Eins existiert. Auf die nächsten 25 Jahre!