Konzertkritik

Cat Stevens alias Yusuf in der Zitadelle Spandau: Soundtrack für die Boomer-Generation

Mit Liedern wie „Wild World“ spielte sich Yusuf/Cat Stevens in Berlin ins Klanggedächtnis einer ganzen Generation. Die Konzertkritik.

Cat Stevens alias Yusuf bei seinem Auftritt in der Zitadelle Spandau
Cat Stevens alias Yusuf bei seinem Auftritt in der Zitadelle SpandauChristoph Söder/dpa

Das Publikum, das am Montagabend gegen 19 Uhr in Richtung Zitadelle Spandau strebte, war beinahe ausnahmslos von der Sorte derer, denen man in der U-Bahn einen Platz anbietet. Erwartungsfroh saß denn auch eine rüstige 80-Jährige auf ihrem Platz, nicht einmal ahnend, wohin die Reise geht. Ihr Sohn habe sie eingeladen, sie wisse eigentlich gar nicht, wozu. Ein Konzert mit Cat Stevens alias Yusuf, erklärte ihr jemand. Den kennen Sie doch, oder?

Das schon, sagte die Dame, sie jedoch höre lieber Klassik. Den Abend habe ihr Sohn wohl auch sich selbst geschenkt. Irgendwann in den 70ern, sagte sie noch, sei die mit dem damals 14 Jahre alten Jungen zu einem Konzert der Eagles nach München gefahren. „Hotel California“, ach ja. Waren nicht alle, die das Gespräch belauschten, auf einem Nostalgietrip?

In einem weißen Jackett betrat Yusuf/Cat Stevens, der als Sohn eines zypriotischen Griechen und einer Schwedin 1948 in London geboren wurde, die Bühne vor dem Gebäudeensemble in der Zitadelle Spandau. Etwas verspätet, aber noch weit vom Schimmer des Mondlichts entfernt. Zeit für Wortspiele? Cat Stevens eröffnete sein knapp 90-minütiges Konzert mit „Moon Shadow“. Vergiss die Dramaturgie, vergiss den Spannungsbogen.

Einer der größten Songschreiber der 60er- und 70er-Jahre hat keine Muße, seine Lieder in eine umständlich durchdachte Reihenfolge einzubetten. Schade eigentlich. Einige seiner schönsten Stücke verpackte er in einen sogenannten Medley, „The First Cut Is The Deepest“ zum Beispiel, Rod Stewart hatte es einst zu einem Hit gemacht. Für Yusuf/Cat Stevens diente es an diesem Abend, dem ersten von zwei Deutschlandkonzerten (ein weiteres folgt am Donnerstag im Hamburger Stadtpark) als nonchalanter Verweis auf seine berückende Werkdichte.

Ein Schuss Grundmelancholie

Der in Würde ergraute Mann ließ sich auch nicht aus dem Konzept bringen, als ganz in der Nähe eine Alarmanlage losheulte. „They found me“, rief er ins Publikum. Nun haben sie mich also doch gefunden. Mitsingen, schunkeln, tanzen – alles erlaubt. Die vielköpfige Band – eine Brass-Sektion und zwei Backgroundsängerinnen – hatten gerade bei den drei Stücken vom neuen Album „A King of a Land“, für deren Fremdheit sich Yusuf/Cat Stevens vorsorglich entschuldigte, komplexe Arrangements anzubieten.

Meistens aber genügten ein paar Akkorde, um mit dem Klanggedächtnis einer ganzen Generation zu spielen. Konzentriert und mit pophistorischem Bewusstsein spielte sich Cat Stevens, dessen Stimme gut gealtert ist, durch sein von einer Grundmelancholie geerdetes Werk der guten Laune. Ein vergrübelter Sinnsucher ist er wohl immer gewesen, ein sanfter Riese auch. Die gefällige Kunst seiner Songs strahlt eine Leichtigkeit aus, die auch 50 Jahre später nicht peinlich wirkt, selbst wenn man sich gewünscht hätte, dass die mit erstklassigen Musikern bestückte Band, die Yusuf/Cat Stevens nur bei ihren Vornamen vorstellte, ein wenig aus dem Gängelband der Erinnerung entlassen worden wäre.

Sinnsuche? Vielleicht gab es doch so etwas wie eine versteckte Erzählung, einen Versuch, die vielfach mit Argwohn betrachtete Konversion zum Islam, die Yusuf sogar zu einer fragwürdigen Rechtfertigung der Fatwa gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie getrieben hatte, zu erklären. Yusuf/Cat Stevens huldigte George Harrison, einem anderen Spiritualisten des Pop, mit „Here Comes The Sun“. Und große Reverenz erwies er gegenüber der schwarzen Blues-Ikone Nina Simone, deren Version von „Don’t Let Me Be Misunderstood“ der Höhepunkt des Abends war. „I’m just a soul, whose intentions are good.“ An den guten Absichten von Yusuf/Cat Stevens mochte in Spandau um diese Zeit nun wirklich niemand zweifeln. Im Spandauer Abendlicht gleich die Zusammenkunft zwischen Star und Fans einer Kommunion der Versöhnung.

Hymnen der Diversität

Danach hatte der Mann immer noch genug im Rucksack, um sein Publikum ins Schwelgen zu versetzen. „If You Want To Sing Out, Sing Out“ zum Beispiel – eine Art Hymne der Diversität. Waren die Zeiten wirklich einmal liberaler, wenigstens gelassener? Die ewige Jugend war vielleicht nicht auf der Setlist, die Lieder, die gesungen werden, wenn man sich danach sehnt, aber schon. „Wild World“ hieß 1970 ein Stück von dem herausragenden Album „Tea For The Tillerman“, das zunächst in der gleichzeitig erschienenen Coverversion von Jimmie Cliff zum Hit wurde. Ganz nebenbei hat Yusuf/Cat Stevens so einen wichtigen Beitrag zur Globalisierungsgeschichte des Reggae beigesteuert. „It’s hard to get by, just upon a smile.“

Und wer der Meinung war, dass hier deutlich zu viel an Emotionen und Verklärung in Umlauf gebracht worden sei, der sollte sich eingestehen, dass Yusuf/Cat Stevens einer der großen Melodienlieferanten seiner Zeit war, gleich neben den Beatles, den Stones und den Beach Boys. In solch schnöder Aufzählung mag das trivial klingen, so hintereinander weggespielt jedoch entfaltete es einen einzigartigen Sog.