Die Männer tragen Maske, es war also ein Zwischenspiel aus den Tagen der Pandemie. Vor zwei Jahren, als Bob Dylan sich zur Unterbrechung seine schier endlosen Tournee gezwungen sah, überraschte der damals gerade 80 Jahre alt gewordene Dichter und Sänger mit einem in dezente Schwarz- und Grautöne getauchten Konzertfilm. Unter der Regie der amerikanisch-israelischen Filmemacherin Alma Har’el hatte er 13 Songs aus seinem Repertoire aufpoliert. Die neuen Arrangements der Dylan-Klassiker und Raritäten verblüfften durch eine ebenso sparsame wie liebevolle Instrumentierung. Die Fans mussten sich lange warten. Wer ein paar Dollar überwies, konnte den Konzertfilm exklusiv, aber nur für kurze Zeit via Notebook streamen.

Ein echter Dylan. Der Einfallsreichtum des Literaturnobelpreisträgers von 2016 kennt im Erschließen ungewohnter Distributionswege kaum Grenzen. Zusammen mit dem Musiker und Produzenten T-Bone Burnett, der bei den Aufnahmen zu „Shadow Kingdom“ zart an der Gitarre zupft, hatte er unlängst mittels eines ganz neuen Produktionsverfahrens den über 60 Jahre alten Dylan-Hit „Blowin‘ In The Wind“ als Unikat eingespielt und für rund 1,7 Millionen Euro versteigern lassen. Das Klubkonzert mit Maskenmännern – Jeff Taylor, Tim Pierce, John Was und andere – war also eine preisgünstige Variante jener Dylan-Exklusivität.
Der Sänger als dichterisch Vortragender
Jetzt, zwei Jahre später, meint man nach mehrfachem Durchhören ein ganz neues Klangerlebnis zu vernehmen. Was beim flüchtigen ersten Hören und Sehen nach einem Griff in die Materialkiste klang, entpuppt sich nun als erstaunliche Neuinterpretation von Songs, die mit jedem Ton und jeder Zeile ihren stilistischen Reichtum kenntlich machen. Dylan dehnt und rafft seine Stücke, dass es eine Freude ist, sie als bluesige Abschweifung oder als Gedichtvortrag mit Akkordeonuntermalung zu hören.
Das Album, zu dem in Kürze auch der Film in Umlauf gebracht wird, eröffnet mit „When I Paint My Masterpiece“, das hier in einer retardierenden Kunstversion vorgetragen wird. Dylans Stimme, die in Live-Konzert vor ein paar Jahren schwer angeschlagen wirkte, ist hell, beinahe zart, und gelegentlich mit rauer Patina versehen. Nichts wird vernuschelt, im Alter scheint Dylan die lyrische Dimension seiner Songs noch stärker betonen zu wollen. Der Sänger als klassische Gestalt des dichterisch Vortragenden. Plötzlich scheinen oft gehörte Zeilen auf eine Bedeutungslinie zu drängen wie eine Zeile aus „Queen Jane Approximately“, in der Nähe ohne Worte beschworen wird: „If you need someone, you don’t have to speak to, won’t you come see me, Queen Jane“.


