Im Jahr von Sergej Rachmaninows 150. Geburtstag widmet sich das Berliner Klavierfestival in besonderer Weise der Musik des großen russischen Komponisten.
Wem jedoch die Musik Rachmaninows auch nach der engagierten Fürsprache des ehemaligen Berliner-Zeitung-Autors Jan Brachmann in der FAZ nicht zusagt, der konnte ausweichen auf das Programm von Anton Gerzenberg – der zudem sein Debüt beim Klavierfestival gab.
Der 1996 in Hamburg geborene Pianist hat vor zwei Jahren in Zürich den Géza-Anda-Wettbewerb gewonnen und fällt nicht nur durch extravagante Virtuosität, sondern durch reges Interesse an zeitgenössischer Musik auf. So spielt er in diesem Jahr auch sämtliche Etüden von György Ligeti.
Indes hat Gerzenbergs Virtuosität auch eine bedenkliche Seite. Ihre Poesie und musikalische Gestaltungskraft entfaltet sie erst, wenn der Klaviersatz ihr eine Art räumlicher Struktur vorgibt. Die zweite Hälfte mit den ersten sechs Stücken aus Franz Liszts „Années de Pélerinage: Suisse“ bot ihm reiche Möglichkeiten. Ab der Tremolo-Stelle der „Chapelle de Guillaume Tell“ mit den gleichsam aus verschiedenen Richtungen gerufenen Signalen kommt Gerzenberg zu sich, hier wird es interessant.
Melodische und figurative Linien
Hier bricht sich der Klavierklang plötzlich in hundert Farben, ebenso im Wasserstück „Lac de Wallenstadt“ oder in der Sturmmusik „Orage“: Trotz angemessenen Gedonners klingt das Stück durchaus differenziert. Liszts absurd schwere Transkription von Wagners „Tannhäuser“-Ouvertüre wirkte noch nicht ganz fertig studiert, zeigte dennoch aber Gerzenbergs große Begabung im klanglichen Auffächern eines bestürzenden Gemischs melodischer und figurativer Linien.
Wenn die Textur jedoch einfacher ist – Melodie rechts, Begleitung links – wirkt Gerzenbergs Vortrag eigenartig desinteressiert. Aus Unterforderung? Robert Schumanns „Papillons“ werden buchstäblich erst auf der letzten Seite interessant, wenn sich mehrere Melodien überlagern und auch noch die Nachtglocke hineinschlägt, also die Musik wieder gleichsam räumlich wird – bis dahin passierte nicht viel, weder würde man die Charakterisierung dieser Tänze scharf nennen noch ihre Phrasierung sonderlich liebevoll. Franz Schuberts „Wanderer-Fantasie“ schüttelt Gerzenberg anscheinend aus dem Ärmel, von den im Pedal verwaschenen Anfangsrhythmen bis zu den fiesen Schlussarpeggien klingt das allerdings auch geschüttelt, so unscharf wie untief.



