Bücherfrage der Woche

Was liest der Buchhändler selber in den Ferien?

Harald Kirchner von der kleinen Buchhandlung Ludwig Wilde in Kreuzberg ist ein Bücherverschlinger, sagt er. Er reist mit einem hochgeschätzten Autor.

Harald Kirchner in der Buchhandlung Ludwig Wilde nicht weit vom Südstern
Harald Kirchner in der Buchhandlung Ludwig Wilde nicht weit vom SüdsternBenjamin Pritzkuleit

Ein leuchtendes Schild kündigt seit einigen Tagen den Urlaub der Buchhandlung Ludwig Wilde an, ab dem 24. Juli. Harald Kirchner, Mitarbeiter im zwar kleinen, jedoch in großer Fülle mit Büchern bestückten Geschäft in der Kreuzberger Körtestraße, will, dass die Stammkunden vorbereitet sind. Vorher fragen wir: Welche Lektüre empfiehlt er für die Pause und was liest der Buchhändler selber in den Ferien?

Harald Kirchner: Jedem, der es noch nicht gelesen hat, empfehle ich Robert Seethalers „Café ohne Namen“. Das ist eine Zeitreise ins Wien der 60er-Jahre, mit einer klaren, knappen Sprache, die es schafft, ein fotorealistisches Bild zu zeichnen. Man kann sich die Typen alle vorstellen, die in dieses Café hineinkommen, ihre Komödien und Tragödien spielen sich in einem klar bestimmten Zeitraum auf ganz engem Raum ab. Zum Glück hatte ich noch eine Karte für Robert Seethalers Radio-eins-Lesung im Großen Sendesaal bekommen und fand es sympathisch, wie er über die Charaktere in seinem Roman sprach. Er schreibt, wie seine Figuren es verlangen, sagt er, sie haben ihn zu seinem Stil geführt.

Das Geschäft in der Körtestraße
Das Geschäft in der KörtestraßeBenjamin Pritzkuleit

Viele Kunden fragen mich nach Krimis, deshalb muss ich mich manchmal zwingen, welche zu lesen, ich bin da nicht so der Experte. Aber der Roman „Der Taucher“ von Mathijs Deen, einem niederländischen Autor, hat mich gar keine Überwindung gekostet. Das ist der zweite Teil einer Reihe, im Mare-Verlag erschienen. Schon der erste Teil „Der Holländer“ hat mich überzeugt. Sein Kommissar Liewe Cupido, dessen Familie halb deutsch, halb niederländisch ist, ermittelt langsam, sehr überlegt. Und so bekommen wir solide Krimi-Unterhaltung, elegant erzählt.

In den Urlaub nehme ich John Irving mit: „Der letzte Sessellift“. Ich habe den Roman schon vor einer Weile angefangen, weil ich froh war, dass dieser Autor noch mal so ein großes Werk geschrieben hat. Es ist eine schöne Entwicklung von seinem „Hotel New Hampshire“, das vor über vierzig Jahren erschienen ist, bis heute. Ich weiß nicht, ob es anderen Bücherverschlingern auch so geht, aber ich habe mich bei einer Art John-Irving-Bingo ertappt, weil ich auf bestimmte Themen warte, die ich aus den anderen Büchern kenne. Es spielt auch wieder in New Hampshire, Bären und Motorräder habe ich aber noch nicht entdeckt. Man begibt sich in einen Mikrokosmos, angefüllt mit skurrilen Figuren, mit denen man mitfiebert. Jetzt freue ich mich auf die nächsten 500 Seiten.