Bücherfrage der Woche

Thorsten Dönges, wie sprechen Sie mit Maike Wetzel über ihren beunruhigenden Roman?

Ein Buch zu lesen, das aufwühlt, ist die eine Sache. Darüber zu sprechen, eine andere. Thorsten Dönges muss es im Literarischen Colloquium versuchen. 

Die Autorin Maike Wetzel veröffentlichte zunächst drei Erzählungsbände und bringt jetzt ihren zweiten Roman heraus: „Schwebende Brücken“. Sie lebt in Berlin. 
Die Autorin Maike Wetzel veröffentlichte zunächst drei Erzählungsbände und bringt jetzt ihren zweiten Roman heraus: „Schwebende Brücken“. Sie lebt in Berlin. Graziela Diez

Am Donnerstag wird im Literarischen Colloquium – bei gutem Wetter draußen – der neue Roman von Maike Wetzel vorgestellt, die mit ihrem ersten Roman „Elly“ viel Aufmerksamkeit erregt hatte: „Schwebende Brücken“ (Verlag Schöffling & Co.). Das Buch thematisiert eine persönliche Katastrophe, das Weiterleben mit Verlust und Trauer. Die Bücherfrage geht an Thorsten Dönges, den Programmkurator des Literarischen Colloquiums, der die Lesung moderiert: Wie bereitet man sich auf ein Gespräch über einen Roman vor, der so aufwühlt und beunruhigt?

Thorsten Dönges: Wir tummeln uns ja literarisch in einer Zeit, in der Autofiktion boomt und viele Autorinnen und Autoren, Leserinnen und Leser beschäftigt. Und gerade deshalb möchte ich dazu einladen, sich dem Roman (ja, genau, das steht drauf, und das nehme ich sehr ernst!) gar nicht erst mit einem voyeuristischen Blick zu nähern.

Die Frage, was ich aus dem Text eventuell über eine real existierende, in Berlin lebende Schriftstellerin erfahren könnte, die bei einem Unfall ihren Mann verliert und mit zwei Kindern zurückbleibt, stand jedenfalls nicht im Zentrum meines Interesses. Vielmehr hat mich von der ersten bis zur letzten Seite der Lektüre die Form gefesselt und begeistert, die Maike Wetzel für ihren Text gefunden hat. Die Frage, wie man sich einem solchen Ereignis und seinen materiellen und seelischen Folgen überhaupt mit Worten, im Schreiben nähern kann, macht für mich den Kern des Buches aus. Es geht da um Präzision, es geht um die Frage, wie wir uns und unsere Beziehungen zueinander durchs Erzählen überhaupt erst fassbar machen, im Leben und angesichts des Todes.

Das Buch speist sich aus dem Erleben, den Gefühlen, aus Erinnerungssplittern der Ich-Erzählerin. Und es speist sich aus ihren Lektüren: aus Mythen, aus Gedichten, aus Texten der Weltliteratur, die sich mit Verlust und Trauer beschäftigen. Die fragmentierte Form des Romans sorgt dafür, dass das Buch bei aller Schwere des Stoffs mit einer Leichtigkeit, mit einer Eleganz gesegnet ist, die dem Verstorbenen ganz sicher gefallen hätte. Und weil mich die Form so beeindruckt hat, werde ich meine Fragen auch von der Form her stellen. Es wird um den Schreibprozess gehen, um die Frage, welche Rolle die Zeit fürs Schreiben spielt, um den Spagat zwischen Erinnern-Wollen und Vergessen-Dürfen.

Buchpremiere 3.8., 19.30 Uhr, LCB, Am Sandwerder 5