Mein Mann und ich machen eine Pause. Nach Jahren der Negativschlagzeilen über Corona, Krieg und Klima gehen wir auf Reisen. Drei Jahre haben wir geplant, ein Jahr gespart, nun sind wir drei Monate unterwegs. Wir besuchen Freunde und Familie, die wir jahrelang nicht sehen konnten, und sprechen mit Journalist:innen und Aktivist:innen, denen es so geht wie uns. Menschen, die mehr wollen als Negativschlagzeilen konsumieren.
Ob Umweltschutz in den Anden, Sozialarbeit in der Wüste oder Musikfestivals auf dem Land. Auf der ganzen Welt bewegen Menschen im Kleinen Großes. Sie engagieren sich, in der Hoffnung, etwas zu verändern. In den deutschen Medien sieht man davon wenig – Inflation, Gas und der Tod der Queen scheinen wichtiger. Das macht Sinn, hilft aber wenig. Denn wir brauchen diese kleinen Geschichten des Widerstandes. Sie lassen uns wieder daran glauben, dass die Welt nicht komplett vor die Hunde geht.
Unser erster Stopp: New Orleans. Mit einer Bevölkerung von knapp 384.000 Einwohner:innen ist sie die bevölkerungsreichste Stadt Louisianas im Süden der USA. Berühmt für Jazz und Zydeco-Musik, die kreolische Küche und jährliche Festivals, allen voran Mardi Gras, ist New Orleans eine kulturelle Perle in den USA. Läuft man durch die Straßen der alten Kolonialgebäude, liegt Musik in der feucht schwülen Luft.
Doch auch in New Orleans, wie in den ganzen USA, teilt sich das Leben in eine Zeit vor und nach Corona. Wie ein Katalysator schlug die Pandemie tiefe Furchen in wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten. Hatten es viele Menschen vor Corona schon schwer, kämpfen sie bis heute um ihre Existenz – nicht selten ohne Zugang zu den notwendigen Dingen des Alltags, inklusive Nahrung. „Ernährungsunsicherheit“ nennt sich das. Die gibt es, wenn Menschen keinen gesicherten Zugang zu ausreichend gesunden, nahrhaften Lebensmitteln haben.
Im Jahr 2021 lebten schätzungsweise 65 Prozent der Einwohner:innen New Orleans’ in Gemeinden mit unsicherer Ernährung. Das heißt: Hunger vor allem für Minoritäten, also Migrant:innen und Afroamerikaner:innen. Laut dem Fernsehsender PBS ist heute fast jeder vierte afroamerikanische Haushalt in New Orleans von Ernährungsunsicherheit betroffen. Damit gehören Essensausgaben zum täglichen Stadtbild. Organisiert werden sie von vielen Tausenden Freiwilligen.
Zu Corona-Zeiten lieferten Freiwillige Lebensmittel an Bedürftige; Köch:innen versorgten Arbeitslose und Bürger:innen sammelten Spenden. Heute, erzählt Erica Chomsky-Adelson, kämen die Freiwilligen mit der Nachfrage kaum hinterher. „Wir kämpfen in einer Zeit, in der es mehr hungernde Menschen denn je gibt“, sagt sie. Chomsky-Adelson ist Direktorin der Culture Aid NOLA (CAN), einer kleinen gemeinnützigen Organisation, die zweimal pro Woche kostenloses Essen an etwa 3000 Menschen verteilt. Es kämen vor allem „berufstätige Erwachsene zum Essen, die es nicht alleine schaffen“, erzählt sie. Hungern trotz Job – da läuft etwas gewaltig schief, nicht nur in New Orleans.


