Für alle, die in den letzten vier Jahren aus unerfindlichen Gründen keine fünf Staffeln „Élite“ gesehen haben (immerhin eine der meistgestreamten Netflix-Serien überhaupt), hier ein kleines Was-bisher-geschah: „Élite“ ist eine spanische Internatsserie, die im Wesentlichen darin besteht, dass superreiche, superverwöhnte Teenager im Gedächtnislook zu Britney Spears' „Baby One More Time“-Videoclip mit den Widrigkeiten des Lebens zu kämpfen haben. Dazu gehört, dass am Anfang jeder Staffel für gewöhnlich (Ausnahme bestätigt die Regel) ein mysteriöser Mordfall geschieht, dessen Aufklärung dann folterspannend über die Staffellänge gestretcht wird, wobei sich in der Zwischenzeit eine Überdosis an Sex, Drugs, Rock'n'Roll und Intrigen ereignet, c'est la vie.
„Élite“ ist eine Art Hochglanz-Verbotene-Liebe, basierend auf der etwas perversen Prämisse, dass es nicht eh schon anstrengend genug ist, 16 zu sein, sondern obendrein noch allerhand Psycho-Crime passieren muss, damit es nicht langweilig wird. Warum sollte man sich solchen Schmodder überhaupt reinziehen? Eine berechtigte Frage. Aber „Élite“ ist halt verdammt gutes Entertainment, wenn man es nicht allzu ernst nimmt. Und „Élite“ ist tatsächlich ziemlich gut darin, was queere Repräsentation angeht. Im Grunde ist fast keine der dutzenden Figuren, die wir über die Staffeln hinweg kennengelernt haben, hetero, sondern zumindest bi-fluid. Folglich dürfen hier Queers auch mal richtige Fieslinge sein und nicht nur so Sweetboys wie beim niedlichen „Heartstoppers“ (auch Netflix).
Die neue Staffel nun beginnt vielversprechend: Nico steigt nach dem Sport in die Jungs-Gruppendusche, neben die beiden Loverboys Patrick und Iván. Schnell wird klar: Nico ist trans. Kein großes Thema, außer vielleicht in einer der nächsten Szenen für Ari, die ein paar latent transphobe Sprüche raushaut. Es gehört aber zum „Élite“-typischen treffsicheren Unglücksrad des Lebens, dass sich Nico (gespielt von Ander Puig, der selbst auch trans ist) ausgerechnet in Ari verguckt, die durchaus auch was von ihm will – aber dabei etwas überfordert scheint.
Doch keine Sorge, ihre beiden Geschwister haben es ja auch nicht einfacher: Patrick hat sich endlich mal (nach vielen Sexorgien in den vorigen Staffeln) wirklich tief in Ivàn verliebt, doch dummerweise hatte er ja auch schon was mit dessen Vater, einem Fußball-Profi. Was dem das Drehbuch in Staffel sechs zumutet, nachdem er sich als schwul outet, ist wirklich schrecklich. Echt das falsche Signal zur falschen Zeit.
Triumvirat der Toxizität
Mencía indes, die Schwester von Ari und Patrick, hat es auf das Influencerpärchen Sara und Raúl abgesehen: Zwar erledigt sich das mit dem erträumten Dreier schnell, und Mencía verklickert Sara, was für ein toxischer Borderliner Raúl sei; aber eigentlich nur, um sich dann im Gegenzug selbst als toxische Borderlinerin zu erweisen. Im Grunde sind die drei Geschwisterlein (deren Papa, der ehemalige Schulleiter des Internats, wegen mutmaßlichem Mord hinter Gittern einsitzt) ein einziges Triumvirat der Toxizität. Aber wie sang Britney Spears einst: „I'm addicted to you, don't you know that you're toxic?“
Anders als in den fünf vorherigen Staffeln gewinnt man in Staffel 6 nun rasch den völlig korrekten Eindruck, dass die Kids eigentlich nur noch gelegentlich als Hobby ins Internat gehen und sich hauptberuflich in einem Club namens Isadora House (eine Art Friedrichshainer Matrix Club, aber zehnmal so teuer) mit hochprozentigen Highball-Cocktails die Kante geben und sich gegenseitig todunglücklich machen. Gevögelt wird hingegen etwas weniger als noch in Staffel 5.
Insgesamt gelangt man zur süßen Erkenntnis, dass die superreichen superschönen Elite-Model-Kids am Ende auch nur ein Scheißleben haben, wenn auch sonnenbestrahlt in Spanien: Drama, Drama, Drama! Und an manchen Abenden fühlt man sich ja schon dadurch schon etwas besser in seiner berlinischen Winter-Tristesse (ehrlich gesagt natürlich etwas fragwürdig, moralisch). Klare Empfehlung für Menschen, die ihren Anspruch gern mal soweit runterkurbeln wie die abgedunkelte Cabrio-Fensterscheibe: bis auf Anschlag.


