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Krimi-Bestseller als Serie: Simon Becketts „Die Chemie des Todes“

Ein traumatisierter Forensiker flieht aufs Land, wo bald ein Frauenmörder wütet. Das neue Prestigeprojekt von Paramount+ rutscht auf ausgetretenen Pfaden aus.

Lässiger Forensiker: Harry Treadaway als David Hunter.
Lässiger Forensiker: Harry Treadaway als David Hunter.Daniel Impertro/Paramount+

Für einen Krimihelden, der Millionen Fans hat, ist erstaunlich wenig über das Aussehen von David Hunter bekannt. Er habe bewusst darauf geachtet, seinen Protagonisten nie optisch zu beschreiben, sagte der britische Bestseller-Autor Simon Beckett gerade gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview. Den Verantwortlichen der neuen Serie „Die Chemie des Todes“, die am 12. Januar nach Dani Levys Serie „Der Scheich“ als zweite Prestigeproduktion bei dem neuen Streamingdienst Paramount+ anläuft, hat der Autor damit wohl ein Geschenk gemacht: So viel Freiheit bei der Wahl des Hauptdarstellers ist bei der Adaption einer erfolgreichen Vorlage eher selten.

Es ist nun der Brite Harry Treadaway (bekannt unter anderem aus „Star Trek: Picard“, nicht zu verwechseln mit seinem Zwillingsbruder Luke aus „Bob der Streuner“) geworden, der in der sechsteiligen Serie den Forensiker Hunter verkörpert, den eine große internationale Leserschaft nun schon seit sechs Romanen begleitet. Die ersten beiden davon, „Die Chemie des Todes“ und „Kalte Asche“, wurden nun für diese britisch-deutsche Koproduktion umgesetzt, von der es für die Presse vorab drei Episoden zu sehen gab.

In der Gerichtsmedizin galt Hunter früher als großes Talent, doch nach einem familiären Schicksalsschlag hat er diesen Teil seines Lebens eigentlich aufgegeben und sich ins kleine englische Örtchen Bantham zurückgezogen. Dort lebt er bescheiden und arbeitet als Hausarzt, zwischendurch blickt er mit traurigen Augen auf die Kommode in der Ecke, in der all die Erinnerungen an glücklichere Tage schlummern. Doch dann wird eine weibliche Leiche entdeckt – von zwei Kindern, deren Mutter daraufhin bald verschwindet. Und aus Gründen, die ein wenig an den Haaren herbeigezogen wirken, kommt die eigens angereiste Polizei ohne Hunters Hilfe nicht weiter.

Echte Spannung kommt nicht auf

Was dem Publikum dann in „Die Chemie des Todes“ geboten wird, ist nichts, was man nicht in anderen britischen Krimiserien so oder so ähnlich schon mal gesehen hätte: vom Ermittler, den private Dämonen quälen, über das Provinzsetting mit dichten Wäldern und in die Jahre gekommenen Pubs, wo jeder jeden kennt, bis zum düsteren Slowpop des Titelsongs. Dieser stammt übrigens von der Frankfurter Sängerin Mogli, die, genau wie „Barbaren“-Star Jeanne Goursaud in der Love-Interest-Rolle als reizende Dorfschullehrerin, wohl nicht zuletzt dank der Beteiligung der deutschen Produktionsfirma Nadcon Film engagiert wurde. In der zweiten Staffelhälfte kommt auch noch Hardy Krüger junior zum Einsatz.

Per se ist gegen Bekanntes nichts einzuwenden. Das Problem ist nur: Man hat all diese Elemente längst in deutlich interessanteren Umsetzungen gesehen. Verglichen mit „The Rising“, „Dublin Murders“, „Sherwood“, „Happy Valley“ und all den anderen Produktionen dieser Art kommt „Die Chemie des Todes“ sowohl visuell als auch schauspielerisch eher schwachbrüstig daher. Nichts hebt die Serie über ein bescheidenes Mittelmaß hinaus, auch nicht Hunters detailreiche Off-Kommentare zu den verschiedenen Verwesungsstadien von Leichen und anderen forensischen Spezifika, die sich literarisch sicherlich eleganter in die Handlung integrieren lassen als audiovisuell.

Der größte Schwachpunkt der Serie aber ist, dass hier einfach das Tempo nicht stimmt. Die erste Folge plätschert lahm vor sich hin, in der zweiten überschlagen sich dann – Cliffhanger inklusive – die Ereignisse, bevor in der dritten alles ganz schnell abgewickelt und Hunter ebenso flott wie unmotiviert in seine nächsten Ermittlungen geschickt wird. Echte Spannung, für die der Name Simon Beckett bei Fans eigentlich steht, will da nie aufkommen. Nicht zuletzt in diesem Kontext bleibt es ein Rätsel, warum Showrunnerin und Drehbuchautorin Sukey Fisher angesichts zweier kaum miteinander verbundener Fälle darauf setzt, das Ganze als Serie zu erzählen. Zwei 90-minütige Filme wären womöglich das stimmigere und erzählerisch sinnvollere Format gewesen. Aber für alles, was zu sehr an öffentlich-rechtliche TV-Zweiteiler erinnert, hat man bei Streamingdiensten bekanntlich wenig übrig.

Simon Becketts Die Chemie des Todes. Serie, 6 Folgen, Paramount+