Die Mehrheit unserer Gesellschaft reagiert sehr empfindlich auf Kritik. Wenn man von strukturellem Rassismus oder Antisemitismus spricht, hören die meisten schon nicht mehr zu, weil sie sich als Rassisten oder Antisemiten beschimpft, wähnen und beleidigt sind. Die Abwehrreflexe wiederum werden von den Kritikern zur Kenntnis genommen und nicht ganz unberechtigt als Beleg für die Rassismusthese zurückgespielt, sodass wir schnell die nächste Stufe der Eskalation erreichen, das heißt, uns vom eigentlichen Thema entfernen.
Homosexuelle werden diskriminiert
Deshalb mal ein anderes Beispiel und eine kleine therapeutische Übung in Analyse und Reflexion. Es soll um die sexuelle Orientierung gehen. Die Mehrheitsgesellschaft ist in dieser Hinsicht möglicherweise gar nicht so liberal, wie sie glaubt. Nein, den Satz bitte nicht zuspitzen zu: Alle Heten sind homophob. Dennoch werden Homosexuelle diskriminiert. Dass dies von der Mehrheit kaum zur Kenntnis genommen und sogar geleugnet wird, ist ein Teil ihrer queerfeindlichen Charakterstruktur. Beweis? Bis heute werden Homosexuelle qua Richtlinie benachteiligt, wenn sie Blut spenden wollen.
HIV: Wie man das Übertragungsrisiko mindert
Männer, die mit Männern Sex haben, werden für vier Monate gesperrt, wenn sie einen neuen Partner haben. Bei heterosexuellen Spendern gilt diese Sperre nur, wenn sie den Partner häufig wechseln. Bis 2021 galt nach Angaben der Deutschen Aidshilfe sogar, dass schwule Männer ein Jahr lang keinen Sex gehabt haben dürfen, bevor sie ihr Blut geben dürfen. Es gehe darum, „das Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten“ zu reduzieren. Wer könnte leugnen, dass hier gruppenbezogene Ressentiments im Spiel sind? Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat, wie die dpa meldet, nun einen Änderungsantrag zum Transfusionsgesetz eingereicht. „Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität dürfen keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien sein“ heißt es da schön rational.


