Filmpolitik

„Sound of Freedom“: Ein QAnon-Missionar an der Spitze der US-Kinocharts

Mit dem Kinderhandel-Thriller „Sound of Freedom“ zeigt Mel Gibson, dass die amerikanische Rechte Hollywood für ihren Kulturkampf nicht mehr braucht.

Jim Caviezel befreit in „Sound of Freedom“ nach Kolumbien verschleppte Kinder.
Jim Caviezel befreit in „Sound of Freedom“ nach Kolumbien verschleppte Kinder.Angel Studios

Der Sommer war für „Indiana Jones“ reserviert. Disney hatte 300 Millionen US-Dollar in den Blockbuster gesteckt, von den Werbekosten ganz zu schweigen, hatte den Film nach Cannes gebracht, seinen Star Harrison Ford um die Welt geschickt – und dann stand schon eine Woche nach Filmstart nicht mehr der rüstige Archäologe an der Spitze der US-Charts, sondern ein anderer, ungleich abgründigerer Charismatiker: Jim Caviezel, Hauptdarsteller des Kinderhandel-Actionthrillers „Sound of Freedom“ und flammender Verbreiter von QAnon-Verschwörungsmythen.

Im Film – „nach einer wahren Geschichte“ – geht es um Tim Ballard, einen ehemaligen Agenten des amerikanischen Heimatschutzes, der auf einige Faust in Kolumbien Kinder vor Menschenhändlern rettet. Die Verbrecher bleiben anonyme Rebellen; eine zahlungskräftige US-Elite, die sich an den Kindern vergehen will, wird allenfalls zwischen den Zeilen angedeutet. Soll heißen: Ein QAnon-Primärtext ist dieser Film nicht.

Anschlussfähig aber ist er allemal. Caviezel, der vor zwanzig Jahren in Mel Gibsons „Die Passion Christi“ Jesus gespielt und offenbar einen Messias-Komplex davongetragen hat, predigt seit Jahren und nun auch auf der Promo-Tour zum Film gegen sinistre Eliten, die sich das lebensverlängernde Stoffwechselprodukt Adrenochrom spritzen ließen, eine Substanz, die nur aus dem Blut gefolterter Kinder gewonnen werden könne – praktisch QAnon-Basis wissen. In einem Podcast mit dem rechten Aktivisten Charlie Kirk sagte er kürzlich, er habe von QAnon nichts gewusst, als er bereits 2018 den Film gedreht habe, und fügte hinzu, der Film habe nichts damit zu tun.

Mel Gibson plant „Wiederauferstehung“

Der völlig überraschende Erfolg dieser unabhängigen Produktion – deren 15-Millionen-Budget wäre vermutlich gerade die Hälfte von Harrison Fords Gage – ist der jüngste Ausdruck eines amerikanischen Kulturkampfs. Die amerikanische Rechte ist mächtig, aber der Filmindustrie des traditionell moderat linken Hollywoods hat sie bisher keine Konkurrenz gemacht. Ändert sich das gerade? „Sound of Freedom“ wurde von den dezidiert christlichen Angel Studios produziert, die in Utah ansässig sind. Der Erfolg zeigt, dass genug Werbung auf rechten Plattformen eine kleine Produktion ohne Verbindung zum Hollywood-Apparat in kommerzielle Höhen pushen kann.

Mitgeholfen bei der Promoarbeit hat Caviezels alter Regisseur: Mel Gibson, nach unzähligen antisemitischen und misogynen Ausfällen eine Persona non grata in Hollywood, ruft in einem Video dazu auf, den Film anzuschauen. Zudem ging vor kurzem ein altes Interview von ihm viral, in dem er verschwörerisch vom sündigen Treiben in Hollywood raunt, ein Clip, der nun millionenfach, häufig im Zusammenhang mit „Sound of Freedom“, geklickt wurde.

Caviezel und Gibson planen gerade einen nächsten gemeinsamen Film und wollen noch dieses Jahr drehen. Eine Fortsetzung der „Passion Christi“, die Wiederauferstehung. Auch wenn bei den großen Studios niemand mit ihnen arbeiten will, sollten sie mit der Umsetzung kein Problem haben. Hollywood, das zeigt „Sound of Freedom“, brauchen sie nicht mehr.