Es ist kurz nach elf Uhr vormittags. Wir treffen Anson Mount in einer Suite im Hotel de Rome, einem schicken Fünf-Sterne-Hotel am Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte. Anson Mount ist in der Stadt für den Launch des neuen Streaming-Services Paramount+. „Star Trek: Strange New Worlds“ ist die Flaggschiffserie dort – und hat in Nordamerika schon positive Kritiken bekommen. Die Handlung spielt auf dem legendären Raumschiff Enterprise, allerdings noch bevor Kirk dort der Captain wird. „Strange New Worlds“ ist somit ein Prequel zur Original-Serie, die von 1966 bis 1969 mitten im Kalten Krieg mit ihrer antirassistischen, antikapitalistischen Vision einer friedlichen Zukunft TV-Geschichte schrieb.
Herr Mount, Sie haben diese fantastische Haartolle. Sicherlich einer der coolsten Haarstyles aktuell im Fernsehen. Nutzen Sie da ein spezielles Wachs oder Öl?
Oh, da müssten Sie den Chef unseres Make-up-Teams fragen! Ich habe einen Hang dazu, morgens ziemlich zerzaust auf der Matte zu stehen. Aber wenn ich dann aus dem Masken-Trailer rauskomme, wirkt es so, als hätten die da etwas Magisches angestellt mit mir.
Wenn Sie etwas „Star Trek“-Technologie in Ihren Alltag integrieren könnten, was wäre das? Warp-Antrieb? Beamen?
Da Sie witzigerweise gerade das Haarestylen angesprochen haben: In meiner Fantasie gäbe es Nano-Roboter, die einem die Haare schneiden und stylen, während man schläft. Man wacht dann auf, und alles liegt perfekt. Ich muss nämlich zugeben: Ich hasse es, mich selbst zurechtzumachen.
Die Figur des Captain Christoper Pike haben Sie auch schon in der zweiten Staffel von „Star Trek: Discovery“ gespielt. Damals als wiederkehrende Neben-, nun als Hauptrolle. Hatten Sie damals schon so ein Gefühl, dass Sie Ihre eigene Spin-off-Serie bekommen würden?
Nein, das nicht. Mittlerweile weiß ich: Unsere Produzenten Alex Kurtzman und Akiva Goldsman hatten damals schon über eine Pike-Serie nachgedacht. Aber Gott sei Dank hatten sie mir das damals nicht erzählt. Erst nach dem Ende der Staffel haben die beiden mit mir darüber gesprochen. Und zum Glück gab es genug Fan-Support für diese Idee – sodass sie Wirklichkeit wurde.
Empfinden Sie „Strange New Worlds“ als Gegenstück zu „Discovery“? Das Erzähltempo ist ja wesentlich entspannter bei „Strange New Worlds“. Und anstelle der großen Erzählbögen steht jede Episode mehr für sich. Das erinnert an das oldschool „Star Trek“.
Absolut, ja. Bei „Discovery“ wurden viele dramaturgische Entscheidungen getroffen, die ich, wäre ich Showrunner, auch so getroffen hätte. Die serielle Struktur funktioniert bei „Discovery“ sehr gut. Aber bei unserer Show wollen wir mehr zurück zu der Idee von: Planet der Woche. Aliens der Woche. Ein kleiner Neustart jede Woche. Natürlich erinnert man sich daran, was in der Folge in der Vorwoche passiert war. Aber trotzdem steht jede Folge auch für sich, so weit es eben geht. So wollten wir das, und es funktioniert sehr gut für uns.
Wie geht es Ihnen mit dem Sixties-Style? „Strange New Worlds“ geht ja sehr liebevoll um mit dem Original-Sixties-Look der Enterprise. Aber durchaus mit einem zeitgemäßen Update.
Unserem Produktionsdesigner ist das wirklich super gelungen, dieses Mid-Century-Modern aus den Sixties zu vermählen mit einer Ästhetik der Gegenwart. Oder vielmehr: mit dem, wie wir uns die Zukunft in der Jetzt-Zeit vorstellen. Denn das war in den Sechzigern natürlich anders. Produktionsdesign ist wirklich kein leichter Job. Ich staune selbst immer wieder, wenn ich an den Filmsets ankomme. Die sind übrigens gigantisch. Mit Abstand die größte Produktion, an der ich je beteiligt war.
Etwas Besonderes an der Figur Captain Pike ist, dass wir aus der Geschichte von „Star Trek“ wissen, was ihm ein paar Jahre später widerfahren wird. Und er selbst weiß es (Zeitreisen lassen grüßen!) auch. Inwieweit wirkt sich das auf sein Leben aus?
Das ist tatsächlich eine der großen Angelegenheiten, die wir in der ersten Staffel angehen. Also die Frage: Was stellst du mit deinem Leben an, wenn du eh schon weißt, wie deine Zukunft aussieht? Wenn du weißt, was vorbestimmt ist? Lässt sich darin Bedeutung finden? Und wenn ja: welche? Es war klar, dass wir all diese Fragen anpacken müssen und wollen. Denn das ist ja der große Elefant im Raum. Aber wissen Sie, was mich echt nachdenklich gemacht hat? Viele Leute, sogar aus unserem Team, haben mich gefragt: Wie ist das wohl für Pike, dass er weiß, dass er bald sterben wird? Ich kann dann nur erwidern: Er stirbt doch gar nicht in ein paar Jahren! Er bekommt eine Behinderung. Ich glaube, das sagt sehr viel darüber aus, wie man gemeinhin über Menschen denkt, die andere Fähigkeiten als wir selbst haben.
Ja, eine Form von Diskriminierung, über die wenig gesprochen wird: Ableismus.
Ja, richtig. Ich möchte Leute daran erinnern: Das ist nicht zwangsläufig ein tragisches Ende. Es hängt von der Perspektive darauf ab.
Inwiefern haben Sie sich eigentlich von früheren „Star Trek“-Captains inspirieren lassen, etwa Captain Kirk?
Ich glaube, alle diese Captains haben ihren eigenen Führungsstil, und das ist auch gut so. Jeder hat ein eigenes Aroma. Führungsstile sind so divers wie die Menschen selbst. Die Drehbuch-Crew von „Strange New Worlds“ wollte mit Pike auf jeden Fall jemanden, der eine gewisse Demut an den Tag legt. Aber er hat auch eine große Schwäche: Er neigt zur Ungeduld. Großartige Eigenschaft, wenn man weiß, dass seine Zukunft limitiert ist, nicht wahr? In jedem Fall will ich noch weiter an Pikes Fähigkeit feilen, seine Brückencrew zu einer Bienenschwarm-Intelligenz zusammenzuschweißen. Eine große Stärke von Pike finde ich, dass er auch mal sagen kann: „Ich hab keine Ahnung, was die Antwort hierzu ist. Hat jemand von euch eine gute Idee?“
Und er kocht für seine Crew. Der Original-Captain-Kirk aus den 1960ern wirkt aus heutiger Sicht ja wie so ein oldschool Frauenheld, manchmal auch Macho. Was denken Sie, wie Ihr Captain Pike über Männlichkeit denkt?
Wissen Sie was? Ich habe das auch den anderen Leuten im Cast irgendwann gesagt: Wir hatten schon mehr als die Hälfte der ersten Staffel abgedreht, bis mir überhaupt erst auffiel, dass wir mehr Frauen als Männer im Cast haben. Ich hatte gar nicht in dieser Kategorie gedacht. Aber irgendwie war ich dann doch stolz drauf. Ich glaube, in der Zukunft, die wir in „Star Trek“ zeigen, ist es keine große Sache mehr. Deshalb glaube ich auch, dass Pike nicht viel Zeit darauf verwendet zu überlegen, was es heißt, ein Mann zu sein. Er denkt eher drüber nach, was es heißt, ein Mensch zu sein.
„Strange New Worlds“ wirkt im Vergleich zu „Discovery“ optimistischer, heller, humorvoller. Glauben Sie, wir haben das in diesen düsteren Zeiten besonders nötig?
Zu Deutschland kann ich leider nicht so viel sagen. Aber so weit es die USA betrifft, würde ich sogar sagen: Wir haben diesen Optimismus gerade bitter nötig. Wir bekamen grünes Licht für die Serie mitten in der Pandemie. In etwa zur Zeit, als George Floyd ermordet wurde. Also ja: Wir denken sehr viel an Gene Roddenberry und seine ursprüngliche Vision für „Star Trek“. Und das ist auch einer der wesentlichen Gründe, warum wir wieder zurück zu den Ursprüngen von „Star Trek“ gehen.
Also auch: Antirassismus, Humanismus. Dann muss es auch eine große Ehre sein, den ersten Captain zu spielen, den Gene Roddenberry einst entworfen hat, noch vor Kirk.
Absolut, so ist es.



