Kulturelle Aneignung

Abschied von der Opferrolle: Der Fall Fabian Wolff

Seit ein paar Tagen macht das hässliche Wort vom Kostümjuden die Runde. Der Journalist Fabian Wolff musste einräumen, sich eine jüdische Identität zugelegt zu haben.

Davidstern auf einem Grabstein
Davidstern auf einem GrabsteinInsadco/Imago

Schon wieder eine Geschichte über kulturelle Aneignung. Diesmal aber ohne bunten Federschmuck und Hufgetrappel, zumindest nicht im buchstäblichen Sinn. Der Journalist Fabian Wolff hat in einem ausufernden Text auf Zeit Online mehr darüber sinniert als offen bekannt, dass er sich eine jüdische Identität zugelegt hat. Erst jetzt, einige Jahre nach dem Tod seiner Mutter, will er herausgefunden haben, dass die Großmutter, wie die Mutter ihm erzählt hat, gar keine Jüdin war.

Das wortreiche Geständnis einer angeeigneten Familienlegende – sofort drängt sich der Name Binjamin Wilkomirski auf. Er war Pseudonym eines Schweizers, der sich fälschlicherweise als Holocaust-Überlebender dargestellt hatte. Unter dem Stichwort Wilkomirski-Syndrom wird seither debattiert, ob es sich dabei um eine Form von Identitätsbetrug handelt oder ob der Autor selbst Opfer falscher Erinnerungen geworden ist.

Der Fall Fabian Wolff hat in den letzten Tagen wohl vor allem deshalb einiges Aufsehen erregt, weil dieser als Autor nicht gerade zimperlich in die Debatten über BDS, Israelkritik, etc. eingegriffen hat. Wiederholt hat er dabei seine Sprecherposition markiert, etwa in einem Essay auf Zeit Online: „Ich bin Jude in Deutschland. Um Maxim Biller, den harten Hund, zu zitieren: Jemand wie ich ist in diesem Land nicht vorgesehen, immer noch oder schon wieder, je nachdem.“

Der „harte Hund“ Maxim Biller

Wenn er kritisiert wurde, keilte er zurück. So unterstellte er dem Autor Jens Balzer antisemitische Motive, nachdem dieser sich ausführlich mit den Strategien der Boykott-Organisation BDS auseinandergesetzt hatte. In seinem jüngsten Pamphlet zitiert er den „harten Hund Maxim Biller“ noch einmal, diesmal selbstmitleidig in dem Bewusstsein, sich wohl von seiner Opferrolle verabschieden zu müssen. Die Jüdische Allgemeine berichtet, dass das Eingeständnis der Camouflage keineswegs freiwillig kam. Viele wussten Bescheid, eine Enttarnung Wolffs habe unmittelbar bevorgestanden.

Die Fallgeschichte verweist über die familiären Irrungen und Wirrungen hinaus auf die Schieflage in identitätspolitischen Debatten, in denen Herkunft und Authentizität ein besonderer Stellenwert zugebilligt wird. Das gilt selbst für kritische Interventionen. In den sozialen Medien war durchgängig davon die Rede, dass Fabian Wolff der sogenannten DDR-Aristokratie entstamme. Tatsächlich spricht er in seinem Text viel über seine Mutter, die Kommunistin. Es fällt das Wort Parteikarriere, die allerdings sei nicht bedeutend gewesen.