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Ahmad Mansour zu Vorwürfen über falsche Vita: „Man wirft, bis etwas kleben bleibt“

Ein Journalist zweifelt Abschlüsse und Lebenslauf des Islam-Experten Ahmad Mansour an. Gegenüber der Berliner Zeitung äußert sich Mansour – und die HU bestätigt sein Diplom.

Die Humboldt-Universität hat seinen Abschluss bestätigt: Psychologe und Autor Ahmad Mansour.
Die Humboldt-Universität hat seinen Abschluss bestätigt: Psychologe und Autor Ahmad Mansour.Patrick Scheiber/Imago

Ahmad Mansour ist einer der bekanntesten Experten in Deutschland, wenn es um den politischen Islam, Muslime und Extremismus geht. Sein Engagement wurde vielfach ausgezeichnet, seit 2022 trägt er das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Dennoch: Mansour ist alles andere als unumstritten. Der in Berlin lebende deutsch-israelische Psychologe und Autor arabisch-palästinensischer Herkunft plädiert für eine innere Reform des Islam und hat Bücher geschrieben, die Titel tragen wie „Generation Allah. Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen“ oder „Operation Allah. Wie der politische Islam unsere Demokratie unterwandern will“.

Immer wieder gibt es Kritik an Mansours Äußerungen – vor allem auf Social Media. Und so ist es kaum verwunderlich, dass auch die jüngste Auseinandersetzung um seine Person hauptsächlich auf Twitter ausgetragen wird, wo Mansour mehr als 72.000 Menschen folgen. Ins Rollen gebracht hat die aktuelle Diskussion ein Artikel des freien Journalisten James Jackson, den dieser auf der Onlineplattform Hyphen veröffentlicht hat, nach eigener Aussage ein Medium, „das sich auf Themen konzentriert, die für Muslime in ganz Großbritannien und Europa wichtig sind“.

Jackson, der durch die Verbreitung seines Artikels auf Twitter schnell eine große Reichweite für seinen Text erzielte, sagt, er habe Monate damit verbracht, sich mit Ahmad Mansour auseinanderzusetzen. Er habe Tira besucht, jene Stadt in Israel, in der Mansour 1976 geboren wurde und wo er aufwuchs. Er habe mit Klassenkameraden, Familienmitgliedern und der Universität gesprochen, die Mansour besuchte. In seinem langen Text will Jackson Mansour nachweisen, dass „ein Großteil seiner Hintergrundgeschichte übertrieben oder erfunden“ ist: „Er war nie ein Muslimbruder, der Imam war kein Imam, er hat nicht Psychologie an der Universität Tel Aviv studiert.“

Wir haben Ahmad Mansour am Dienstagnachmittag erreicht. Er zeigte sich gegenüber der Berliner Zeitung sichtlich angegriffen ob der Vorwürfe, die seinen Lebenslauf infrage stellen: Er sei Shitstorms gewöhnt, „aber diese Dimension habe ich noch nicht erlebt, das ist eine andere Qualität“. Er habe eine Firma mit 20 Leuten, sei auf öffentliche Gelder angewiesen: „Wenn da Zweifel an meiner Vita und Glaubwürdigkeit aufkommen, ist das natürlich nicht schön.“

Mansour bezeichnet die Recherche als „oberflächlich und extrem dünn“. Auf Twitter hat er ein Zeugnis seines Diploms an der Humboldt-Universität gepostet, dessen Echtheit von etlichen Usern angezweifelt wurde. Auch Jackson säte mit dem Vergleich einer anderen Urkunde Zweifel an der Authentizität des Dokuments. Den Tweet löschte er später wieder.

Die Humboldt-Universität bestätigte der Berliner Zeitung am Dienstag, dass Mansour am 24. März 2009 der akademische Grad Diplom-Psychologe durch die HU verliehen wurde und er eine entsprechende Urkunde erhalten habe.

Gegenüber der Berliner Zeitung nimmt Mansour auch zu den anderen in Zweifel gezogenen Stationen seines Lebens Stellung. So schreibt Jackson an einer Stelle, der radikale Imam, von dem Mansour eigenen Angaben zufolge in Jugendjahren radikalisiert worden war, sei kein offizieller Imam gewesen, sondern ein Lehrer für Religionswissenschaft und Arabisch an der örtlichen Schule.

Mansour entgegnet: „Jeder kann sich als Imam bezeichnen. Das bedeutet ‚Vorbeter‘. In keiner Publikation habe ich behauptet, dass der Imam, von dem ich sprach, der offizielle Imam der Abu-Bakr-Moschee in Tira war. Er war in der Moschee aktiv, manchmal auch als Vorbeter, hat sie mit aufgebaut und war der Leiter der Quran-Schule. Die anderen Schüler seines Unterrichts und ich bezeichneten ihn als Imam und sprachen ihn auch damit an.“ Der Imam sei eine Vaterfigur gewesen, er habe ihn unterrichtet und in die Moschee gebracht. Und: „Er hat uns radikalisiert.“ 

Auch zu den Vorwürfen, er sei nie ein Muslimbruder gewesen, äußert sich Mansour so: „Als ich Teil dieser Bewegung war, in den Jahren 1989 bis 1995, war die Muslimbruderschaft in Israel noch nicht als Terrororganisation verboten. Zu dieser Zeit nannte sich diese Gruppe ‚Islamische Bewegung‘.“ Aufgrund der Sicherheitssensibilität und der politischen Gegebenheiten zwischen Israel und Ägypten leugne die Islamische Bewegung in Israel ihre Verbindung zu den Muslimbrüdern und zur Hamas.

„Ideologisch war die Gruppe jedoch deckungsgleich mit den Muslimbrüdern“, sagt Mansour. Er habe in deutschen Medien darüber gesprochen, Teil der Muslimbruderschaft in Israel gewesen zu sein, weil die Islamische Bewegung ideologisch zu den Muslimbrüdern zähle.

Zur Abu-Bakr-Moschee in Tira, deren Hausmeister und Nachbarn der Journalist James Jackson getroffen hat, hat Mansour eine dezidiert andere Meinung, als sie im Hyphen-Artikel dargestellt wird. 

Jackson schreibt, der Hausmeister habe „nie etwas Extremistisches gehört“, Nachbarn hätten gesagt, es sei ein Ort, an dem Tischtennis gespielt und gebetet wurde. Mansour entgegnet, man habe durchaus auch Tischtennis gespielt, dies sei aber Teil der Ideologie gewesen: „Es gab auch einen Keller, in dem sehr radikaler Unterricht stattfand.“ Mansour sagt von dieser Zeit, er sei damals beinahe zu einem Islamisten geworden.

Der Journalist hat auch mit dem Dozenten Nimer Sultany gesprochen, der Mansour von früher kennt und sich „nicht erinnern kann, dass dieser besonders religiös oder politisch gewesen sei“. Gegenüber der Berliner Zeitung sagte Mansour, er habe Sultany erst im Studium richtig kennengelernt, „und da war ich nicht mehr radikal“.

Das ist der nächste Punkt, den Jackson in seinem Artikel in Zweifel zieht: Mansour habe „nicht Psychologie an der Universität Tel Aviv studiert“, schreibt er. Mansour erwidert, er habe an der Universität Tel Aviv von 1995 bis 1996 das Fach Krankenpflege studiert „mit dem Ziel, meine Noten zu verbessern, um anschließend Psychologie studieren zu können“. Im Jahr 1996 habe er dann eine Zulassung an der Akademischen Fachhochschule Tel Aviv-Yafo bekommen, „die damals in Zusammenarbeit mit der Universität Tel Aviv das Studium der Verhaltenswissenschaften angeboten hatte, darunter fielen die Fächer Psychologie, Soziologie und Anthropologie. Viele Kurse fanden an der Universität Tel Aviv statt.“ Das habe er auch nie anders dargestellt.

Deutsche Welle: Mansour vermutet Rache hinter dem Artikel

Mansour sagt, er arbeite als Dozent an der Polizeiakademie, man könne also sicher sein, dass alle seine Abschlüsse und Qualifikationen durchleuchtet worden seien. Außerdem: „Als ich in Berlin die Zulassung zum Diplom-Psychologiestudium an der Humboldt-Universität erhielt, musste ich, wie jeder ausländische Studierende, meine Abschlüsse anerkennen lassen.“ Es sei gar nicht möglich gewesen, etwas zu erfinden.

Wie erklärt Mansour sich die schweren Vorwürfe im Text von Jackson? Mansour ist sich sicher, dass Rache dahintersteckt, weil er 2022 Teil einer Expertenkommission war, die Antisemitismusvorwürfe gegen die Arabisch-Redaktion der Deutschen Welle untersuchen sollte. Die Kommission stellte damals keinen strukturellen Antisemitismus, aber punktuelles schweres Fehlverhalten fest, das zu Konsequenzen führen müsste. Der durch Steuergelder finanzierte deutsche Auslandssender trennte sich daraufhin von mehreren Mitarbeitern.

Mansour sagt, er sei danach in arabischen Medien als der Böse dargestellt worden, der „die schmutzige Arbeit für Israel“ mache. Nun komme dieser Artikel. Die Geschichte belaste ihn sehr, sagt Mansour, es gehe schließlich um seine Karriere und seine Arbeit. Die Strategie seiner Gegner sei, „mit Dreck zu werfen, bis etwas kleben bleibt“.