Sommerferien können auch zum Trauma werden. Durchlitten zum Beispiel in den Siebzigern auf einer Fernverkehrsstraße Richtung Norden, Ziel Ahlbeck, Insel Usedom. Der Vater durfte wieder das Territorium der DDR betreten, als ehemaliger Republikflüchtling 1972 per Amnestie begnadigt. Beflügelt durch die neue Reisefreiheit, zog es ihn nun Sommer für Sommer an ehemalige Wirkungsstätten, und wir alle zogen mit, gezogenermaßen, inklusive unserer Freunde aus dem Berliner Umland.
Deren Sohn hatte die Angewohnheit, gelegentlich aus dem Fond der Westkalesche überholten Ostfahrzeugführern huldvoll wie die Queen mit dem Handrücken zuzuwinken. Richtig peinlich wurde es allerdings erst auf jener Fernverkehrsstraße an die Küste, unabhängig von der Staatszugehörigkeit, sondern vielmehr abhängig von einer hormonell bedingten Übergangsphase namens Pubertät.
Diesmal kam es zu einem wiederholt wechselseitigen Überholvorgang zwischen Ost und West. Wie schnell klar wurde, wegen eines Mädchens im anderen Auto, das ebenfalls im Begriff zu sein schien, die Kindheit abzulegen. Während sich die Mitpubertierende offenbar durch die Kasperei bei Tempo 60 bestens unterhalten fühlte, wäre ich vor Scham am liebsten im aufgeheizt muffigen Lederimitat versunken.
Anstatt aber die alten Herrn am jeweiligen Lenkrad sich weiter zum Klops machen zu lassen und entspannt zwischen den anderen Insassen auf der Rückbank eingequetscht zu bleiben, ließ ich mich krampfhaft vorgebeugt zu erregten Kommentaren hinreißen, die das genaue Gegenteil des beabsichtigten Effekts, nämlich allgemeine Heiterkeit bewirkten. Es fielen Begriffe wie „triebhaft“ und Sätze wie „Lasst mich sofort aussteigen, ich schlage mich von hier aus per Anhalter durch“.


