Wir sitzen hier im klimatisierten Großraumbüro und lassen die wertvollen Sommertage, die es jedes Jahr eiliger zu haben scheinen, vorüberziehen. Vielleicht lässt sich die Zeit ein bisschen bremsen, wenn wir uns an unseren Erinnerungen festhalten? In den nächsten Tagen wollen wir hier eine kleine Sammlung vergangener, aber nicht vergessener Sommerferienaugenblicke anlegen. Hier zum Beispiel dieser aus dem Juli 1982.
Heiß war es früher ja auch manchmal. Acht Wochen dauerten zu DDR-Zeiten die Sommerferien. Zwei Wochen Camping mit den Eltern, eine Woche bei den Großeltern, drei Wochen Ferienlager. Da blieben schon mal zwei Wochen übrig, die man zu Hause verbrachte in der halbverwaisten Stadt.
Weizenspreu und Grashüpfer
Ich hatte das Glück, mitten in Berlin zwischen zwei Badeseen aufzuwachsen, von denen der eine – der Weiße See – allerdings als dreckig galt, zumindest in meiner Familie, nachdem meiner Schwester mal eine nach ihren Angaben seeungeheuergroße Kackwurst entgegenschwamm. Zum anderen See, dem Orankesee, ging es am Rain eines Kirchenackers entlang, durch in der Sonne tanzenden Staub aus Weizenspreu. Grannen kitzelten die nackten zerschrammten und zerstochenen Beine. Grashüpfer sprangen panisch auf und davon.
Heute ist das durchzogen von einer überdimensionierten Betonstraße und bebaut mit Häusern, die inzwischen sanierungsbedürftig sind. Die Tankstelle gab es schon damals, ein Schleichweg führte hinter ihr entlang, direkt am Maschendrahtzaun. Mein Freund und ich rollten schwitzend einen aufgeblasenen Traktorreifen durchs Unterholz, uns war warm, der Weg endlos, das Wasser fern. Es stank nach Benzin, Gummi und Staub.
Ein Wundertruck mit Kühlschrank
Auf der anderen Seite des Zaunes beobachtete uns ein Mann mit Schnurrbart. Er winkte uns heran, bedeutete uns zu warten und bestieg seinen Lkw, einen Truck aus dem Westen, mit Aufklebern, Andenken, Vorhängen, Schlafkabine, Pornoheften und Düften aus der ganzen Welt. Das Fahrerhäuschen schwankte gemütlich unter seiner Last. Er kam zurück und rollte uns zwei Dosen Coca-Cola unter dem Zaun durch, die sofort beschlugen. Offenbar verfügte der Wundertruck auch über einen Kühlschrank.


