Dort, wo ich in meiner Kindheit viele Sommerferien verbracht habe, stand in den Siebziger- und Achtzigerjahren eine von der LPG aufgegebene Scheune. Anfangs kamen noch manchmal Traktoren mit Anhänger, um eine Ladung Strohballen abzuholen. Irgendwann war den Bauern die Aktion zu aufwendig, Stroh gab es ja jeden Spätsommer neu auf den Feldern. Die Scheune erwies sich als der beste Indoorspielplatz, den man sich denken kann. Auch wenn das Wort Indoorspielplatz damals noch nicht erfunden war.
Mecklenburger Sommer waren früher oft verregnet, in der Scheune waren wir geschützt vor Sturm und Wolkenbruch, hier richteten wir Kinder aus zwei Häusern und sämtliche halbwüchsige Gäste uns häuslich ein. Und wir bewegten uns. Ich war nie sonderlich sportlich, auch wenn ich im Lauf der Jahre in die verschiedensten Vereine gesteckt wurde, aber ich muss in der Kindheit extrem mutig gewesen sein.
Der Jäger im Trabi
Mit meiner Freundin Caro ging ich vorzugsweise nachts zum Badesee, durch den Wald, an dessen Eingang heute ein Schild warnt, „Wolf-Durchstreifgebiet“. Wir schwammen dem Mond entgegen und ließen uns von Wasserpflanzen kitzeln. Angst hatten wir nur vor den Jägern, weshalb wir laut sangen, was immer uns in den Sinn kam. „Rote Lippen soll man küssen“ und „Es steht ein Haus in New Orleans“ und „Auf unsrer Wiese gehet was“. Einmal hielt uns so ein Mann an, der in Tarnfarben gehüllt und mit Hütchen auf dem Kopf in seinem Trabi saß. Seinem Schimpfen schmetterten wir „Auferstanden aus Ruinen“ entgegen, die Nationalhymne, die man zwar damals wegen „einig Vaterland“ schon nicht mehr singen sollte, aber als Mittel gegen Jäger taugte sie.
