Debatte

Markus Lanz fragt Richard David Precht über Jan Böhmermann: „Ist das Denunziantentum?“

Lanz & Precht diskutieren in ihrer neuesten Podcast-Folge über „Meinungsfreiheit– und ihre Grenzen“. Dabei gehen sie auch mit Böhmermann ins Gericht. Der gibt sich schmallippig.

Moderator Jan Böhmermann beim Auftritt in der Berliner Max-Schmeling-Halle im Januar 2025
Moderator Jan Böhmermann beim Auftritt in der Berliner Max-Schmeling-Halle im Januar 2025Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

Moderator Markus Lanz und TV-Philosoph Richard David Precht diskutieren in ihrer neuesten Podcast-Folge „Lanz & Precht“ über das große Thema „Meinungsfreiheit– und ihre Grenzen“. Schnell wird klar: Beide machen sich Sorgen um den Status Quo der Redefreiheit in der Bundesrepublik.

Precht arbeitet sogar an einem ganzen Buch darüber: „Angststillstand“ heißt es und soll Mitte Oktober erscheinen. Auch im Interview mit der Berliner Zeitung hat sich Precht gerade erst ausführlichst zum Sujet Redefreiheit geäußert.

In der Podcast-Folge versuchen Lanz und Precht nun einen Blick aufs große Ganze und ziehen auch Vergleiche zwischen den durch und durch polarisierten USA unter der Präsidentschaft Donald Trumps sowie dem Deutschland der Gegenwart, das einen solch hohen Grad der Polarisierung längst noch nicht erreicht habe. Dabei stützt sich Lanz auch auf die Gegenwartsdiagnose des in Rostock geborenen HU-Sozialwissenschaftlers Steffen Mau und seinen „Triggerpunkte“-Bestseller.

Lanz fragt Precht: „Ist das Journalismus? Oder ist das Aktivismus?“

Gleichwohl wittern Lanz und Precht gefährliche Tendenzen hierzulande. Und dabei kommen sie in der zweiten Hälfte ihrer Podcast-Folge auch auf die Rolle des Journalismus zu sprechen. Insbesondere geht es den beiden um die Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ vom 9. Mai. Darin hatte Moderator Jan Böhmermann sich mit AfD-nahen YouTube-Kanälen beschäftigt, auch dem YouTube-Kanal namens „Clownswelt“. Dabei wurden in der Sendung Hinweise auf die Identität des eigentlich anonymen Betreibers, der sich selber Clownie nennt, gegeben.

„Ist das Denunziantentum“, fragt Markus Lanz, „um es mal ganz deutlich zu sagen? Ist das Journalismus? Oder ist das Aktivismus?“ Auf jeden Fall, so antwortet ihm Richard David Precht, werde hier jemand „in bester mittelalterlicher Tradition an den Pranger gestellt, nackt ausgezogen und dem öffentlichen Spott und dem Hass preisgegeben“.

Precht stellt daraufhin die Frage, wer denn hier darüber entscheiden, dass das öffentliche Interesse gegenüber dem Wunsch (von „Clownie“) nach Anonymität überwiege. So hatte die Wochenzeitung „Die Zeit“ argumentiert, die an der Böhmermann-Recherche beteiligt war. „Wer macht sich hier zum Richter in einer solch komplizierten und sehr intimen Geschichte?“, fragt Precht. Am Rande wird allerdings auch erwähnt, dass „Clownie“ in seinem Wunsch nach Anonymität der gesetzlichen Impressumspflicht nicht nachgekommen war.

Böhmermann kommentiert mit einem Wort

Eine kleine Reaktion von Böhmermann auf diese Podcastfolge „Lanz & Precht“ ist online zu sehen: Böhmermann postete in seiner Instagram-Story einen Artikel des Kölner Stadtanzeigers, den dieser überschrieben hatte mit: „Sehr gefährlich: Lanz und Precht sorgen sich um die Meinungsfreiheit – auch wegen Böhmermann“. Böhmermann gibt sich in seiner Story allerdings schmallippig, kommentiert wortkarg mit einem zweisilbigen „okay“.

Precht: „Ein Linker, wie ich ihn verstehe, würde eigentlich nicht canceln“

Eine These, die sich durch die Sendung zieht, ist, dass der Bereich des Sagbaren in Deutschland eingeschränkt werde. Zwar könne man, so Precht, theoretisch nach wie vor sehr viel sagen. Aber: „Die sozialen Kosten steigen. Das heißt, die Spannbreite von Äußerungen, die man machen kann, damit sie keinen Unmut hervorrufen oder heftige Aggressionen oder moralisierende Repliken, wird kleiner.“

Das führt die beiden auch zum Thema Cancel-Culture: „Ein Linker, wie er ihn verstehe, meint Precht, würde eigentlich nicht canceln.“ Das seien eigentlich Mittel, die aus einer anderen Zeit kommen und aus einer ganz anderen politischen Richtung. „Und leider ist es so, dass sie Einzug in die Wokeness-Kultur erhalten haben, was sehr, sehr schade ist. Aber sind diese Mittel erst mal da, sind sie Teil des gesellschaftlichen Umgangs miteinander. Dass immer irgendeine Sau durchs Dorf getrieben wird.“

„Eine liberale Gesellschaft“ aber, so mahnt Precht, „muss aushalten, dass Leute wirres Zeug im Netz verbreiten.“ Begründete Ausnahmen sehe er dort, wo jemand die liberale Demokratie abschaffen wolle oder zu Gewalttaten aufrufe. Aber das gelte seit Jahrzehnten – dazu bräuchte es keine verschärften Gesetze, etwa gegen Desinformation. „Hellhörig“, warnt hingegen Lanz, müsse man werden, wenn Leute, etwa Donald Trump, sich erst auf die Meinungsfreiheit beriefen und sie dann – kaum seien sie im Amt – aushebeln.

Eindeutig in der Pflicht sehen Lanz und Precht Entscheider an den Universitäten und an Kulturinstitutionen. Dort müsse ein freier Diskurs möglich sein – genauso beispielsweise für pro-israelische wie für pro-palästinensische Stimmen. „Warum verengen wir den Raum des Zulässigen, worüber wir überhaupt reden?“, fragt Precht.  „Unsere Demokratie kann auch den Bach runtergehen, weil wir zu viel Angst vor Andersdenkenden haben.“