Rückgabe

Benin-Bronzen: Nigerias neuer Präsident äußert sich erstmals und düpiert Deutschland

Nigerias Präsident Bola Tinubu hat sich jetzt zum ersten Mal zu den von Baerbock zurückgegeben Benin-Bronzen geäußert. Der Anlass: ein Treffen mit dem Oba von Benin.

Nigerias Präsident Bola Tinubu
Nigerias Präsident Bola TinubuBen Curtis/AP

Auf diesen Moment haben viele in Deutschland gewartet: Der neue nigerianische Präsident Bola Tinubu hat sich am Wochenende erstmals zu den Benin-Bronzen geäußert, nachdem sein Vorgänger diese im März per Präsidentenerlass dem Oba von Benin übereignet hatte.

Anlass war der Antrittsbesuch des Oba Ewuare II. bei Tinubu, der seit Ende Mai im Amt ist. Offenbar ist Tinubu gewillt, den Oba beim Bau eines Palastmuseums zu unterstützen, in dem die Bronzen dann ausgestellt werden sollen. Damit düpiert er Deutschland, das bereits vier Millionen in ein anderes Museum für die Benin-Bronzen in Benin-Stadt gesteckt hat.

„Wir werden an dem Museum arbeiten“, sagte er laut der Zeitung Premium Times Nigeria und zahlreicher anderer nigerianischer Medien. Tinubu beglückwünschte den Oba hinsichtlich der Wiedergewinnung der Bronzen. „Wir sind froh, dass wir sie zurückhaben, und wir sind froh, dass Sie glücklich sind“, sagte er zu Ewuare II. Das bedeutet wohl, dass er den Oba als deren neuen Eigentümer nicht infrage stellt. Auch versprach Tinubu, die Bronzen zu schützen.

Der Oba von Benin ist der Nachfolger der Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten beraubten Königsfamilie, der von den Briten gestürzte Oba ist sein Ururgroßvater. Der heutige Oba bekleidet kein politisches Amt, ist aber der traditionelle und spirituelle Führer des Volks der Edo. Was durch Tinubus Worte klar wurde: Die Bronzen befinden sich derzeit nicht in der Hand des Oba von Benin. „Sie sind an einem sicheren Ort untergebracht“, sagte Tinubu. 

Mit dem Versprechen, den Oba beim Bau eines königlichen Museums zu unterstützen, düpiert Tinubu die europäischen Museen, die nicht mit dem Oba von Benin verhandelt und Verträge geschlossen haben, sondern mit der National Commission for Museums and Monuments (NCMM) in Nigeria. Auch war die deutsche Bundesregierung bis zur Übereignung der Bronzen an den Oba davon ausgegangen, dass die Artefakte in dem Edo Museum of West African Art (EMWAA) gezeigt werden, das noch errichtet werden muss. Der Entwurf stammt von dem bekannten Architekten David Adjaye, gegen den vor einigen Tagen Vorwürfe sexueller Belästigung erhoben wurden. Deutschland hat bereits vier Millionen Euro in dieses Projekt investiert; das kleinere Gebäude des EMWAA, der sogenannte Pavillon, ist bereits im Bau. Favorisiert wird das EMWAA auch von dem Gouverneur des Edo-Bundesstaates Godwin Obaseki. 

Noch hat Nigeria keine Benin-Bronzen aus Berlin angefordert

In Deutschland war die Übereignung der Benin-Bronzen erst Anfang Mai der Öffentlichkeit bekannt geworden. Die Nachricht hatte großes Aufsehen erregt und auch Empörung ausgelöst. Der Tenor: Die Bronzen, die dem nigerianischen Volk gehörten, vor allem dem Volk der Edo, befänden sich nun in Privatbesitz, der Oba könne sie womöglich verkaufen. An der Realisierung eines Palastmuseums wurden Zweifel geäußert, auch wurde die Frage gestellt, wer zu diesem Zugang haben werde.

Erst Ende 2022 hatten die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und die Kulturstaatsministerin Claudia Roth 21 Benin-Bronzen persönlich nach Nigeria gebracht – ein hochsymbolischer Akt im Rahmen der Rückgabediskussion zu in kolonialen Kontexten erworbenen Artefakten, die sich in europäischen Museen befinden. Sie sei hier, um ein Unrecht wieder gutzumachen, sagte Baerbock damals. 

Während Baerbock nach Bekanntwerden der Übereignung klargestellt hatte, an die Rückübertragung der Artefakte seien keinerlei Bedingungen geknüpft gewesen, hatte Claudia Roth erklärt, man wolle mit der neuen nigerianischen Regierung nach deren Amtsantritt klären, was diese Maßnahme zu bedeuten habe. Denn eine wichtige Grundlage der Verhandlungen sei die Zuständigkeit der National Commission for Museums and Monuments in Nigeria gewesen. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger wurde von der Übereignung der Benin-Bronzen an den Oba ebenfalls überrascht, bekräftigte im Mai aber wie Baerbock, dass die Rückübertragung bedingungslos geschehen sei. Zehn der 21 von Baerbock und Roth  zurückgegebenen Bronzen kamen aus Berlin.

Fast alle Bundesländer haben die Rückgabe der Benin-Bronzen vertraglich vereinbart

Die SPK hat sämtliche ihrer 514 Objekte aus Benin per Vertrag an Nigeria zurückgegeben, allerdings befinden sich die allermeisten noch in Berlin. Der Präsidentenerlass bezieht sich allerdings auch auf alle Objekte, die künftig nach Nigeria gehen, doch haben weder die nigerianische Regierung noch der Oba bisher weitere Objekte angefordert, wie die SPK am Montag auf Nachfrage mitteilte. Ein Drittel der Objekte soll als Leihgabe in Berlin bleiben.

In Deutschland haben fast alle Bundesländer die Verträge mit Nigeria über die Rückgabe der Benin-Bronzen bereits abgeschlossen. Die beiden Ausnahmen sind Bayern und Sachsen. Sachsen wartet noch ab, hier liegen 262 Benin-Bronzen in den Museen. Bisher hat das Bundesland nur für die drei Benin-Bronzen einen Vertrag abgeschlossen, die Ende 2022 von Baerbock und Roth nach Nigeria überführt wurden. Im Mai hieß es, man wolle zunächst eine Position Nigerias abwarten, ob der Präsidentenerlass rechtlich verbindlich sei und wie die neue Regierung damit umgehen werde. Als eine Bestätigung der Rechtskräftigkeit des Präsidentenerlasses können wohl auch Tinubus Äußerungen gegenüber dem Oba nicht dienen.

Auch das zur Universität Cambridge gehörende Museum für Anthropologie und Archäologie, das am 16. Mai einer nigerianischen Delegation 116 Benin-Bronzen übereignen wollte, hat diesen Termin nach dem Bekanntwerden des Präsidentenerlasses abgeblasen. Der BBC sagte ein Vertreter der Institution, es gebe jetzt einige Verwirrung, sodass es ihnen besser erschienen sei, eine Pause einzulegen. Allerdings stehe die Rückgabe im Grundsatz nicht zur Disposition. Cambridge beherbergt die zweitgrößte Sammlung von Benin-Bronzen in Großbritannien.