Das Dekret des scheidenden nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari wirkt sich auf die Rückgabepolitik aus, jedenfalls in Großbritannien und auch in Sachsen.
Am 16. Mai wollte das zur Universität Cambridge gehörende Museum für Anthropologie und Archäologie einer nigerianischen Delegation 116 Benin-Bronzen übereignen – ein hochsymbolisch aufgeladener Akt, denn nicht nur waren die Briten diejenigen, die 1897 den Palast von Benin plünderten und niederbrannten, die Benin-Bronzen raubten und an Museen in der ganzen Welt verkauften. Darüber hinaus verwehrt sich das wichtigste Museum des Landes, das zugleich die größte Sammlung von Benin-Bronzen besitzt, jeder Rückgabediskussion: das British Museum in London. Zu der Übereignung in Cambridge kam es jedoch nicht.
Der BBC sagte ein Vertreter der Institution, es gebe jetzt einige Verwirrung, sodass es ihnen besser erschienen sei, eine Pause einzulegen. Der Museumsdirektor Nicholas Thomas beeilte sich zu bekräftigen, dass die Rückgabe im Grundsatz nicht zur Disposition stehe: Er habe keinen Zweifel daran, dass die Rückübertragung stattfinden werde. Die Rede ist nun von Oktober. Cambridge beherbergt die zweitgrößte Sammlung von Benin-Bronzen in Großbritannien.
Die Verwirrung, von der die Rede ist, beruht auf einem bereits im März erlassenen Dekret des nigerianischen Präsidenten, mit dem dieser sämtliche bereits zurückgegebenen Benin-Bronzen dem Oba von Benin übereignete, der Nachfolger der Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten beraubten Königsfamilie, der von den Briten gestürzte Oba ist sein Ururgroßvater. Der heutige Oba bekleidet allerdings kein politisches Amt, ist aber der spirituelle Führer des Volks der Edo.
Der Präsidentenerlass betrifft alle Benin-Bronzen
Der Erlass, dessen Existenz erst vor zehn Tagen in Europa öffentlich bekannt wurde, betrifft auch die 21 Benin-Bronzen, die die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zusammen mit der Kulturstaatsministerin Claudia Roth Ende 2022 nach Nigeria zurückgebracht hat, die Hälfte stammte aus Berlin. Auch alle Benin-Bronzen, die künftig zurückgegeben werden, sollen dem Erlass des Präsidenten zufolge Ewuare II. gehören, er allein soll bestimmen dürfen, was mit ihnen geschieht.
Der Oba, also der König von Benin, hat bereits angekündigt, sie in seinem Palast-Museum aufbewahren zu wollen. Dieses muss allerdings erst errichtet werden, und wie es mit dem Zugang zu diesem Museum aussieht, ist nicht geklärt. Wobei auch der Oba sicher Interesse daran hat, mit dieser Attraktion Besucher in den Edo-Staat zu locken, in dem er residiert.
Die deutsche Bundesregierung war bisher allerdings davon ausgegangen, dass die Artefakte in dem Edo Museum of West African Art (EMWAA) gezeigt werden, das allerdings ebenfalls noch errichtet werden muss, der Entwurf stammt von dem bekannten Architekten David Adjaye. Deutschland hat bereits vier Millionen Euro in dieses Projekt investiert, das kleinere Gebäude des EMWAA, der sogenannte Pavillon, ist bereits im Bau. Favorisiert wird das EMWAA auch von dem Gouverneur des Edo-Bundesstaates Godwin Obaseki.
Bayern und Sachsen haben noch keine Verträge mit Nigeria abgeschlossen
Verhandelt und Verträge geschlossen haben die europäischen Museen jedoch vor allem mit der National Comission for Museums and Monuments (NCMM). Der Vertragstext zwischen der NCMM und den rund 500 Bronzen, die sich bislang im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befanden, liegt der Berliner Zeitung vor. Die NCMM wird jedoch in dem Präsidentenerlass überhaupt nicht erwähnt. Der Präsident der SPK, Hermann Parzinger, geht davon aus, dass der Erlass noch nicht rechtskräftig ist. Der Generaldirektor der NCMM Abba Tijani teilte der Berliner Zeitung mit, dass er noch nicht offiziell über den Erlass der Präsidenten informiert worden ist. Als Staatsbeamter könne er diesen deshalb jetzt noch nicht kommentieren. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass in Nigeria selbst offenbar noch Klärungsbedarf besteht.
Vielleicht entscheidet endgültig auch erst der nächste nigerianische Präsident Bola Tinubu über die Zukunft der Benin-Bronzen, er tritt der Ende Mai sein Amt an.
In Deutschland haben fast alle Bundesländer die Verträge mit Nigeria über die Rückgabe der Benin-Bronzen bereits abgeschlossen. Die beiden Ausnahmen sind Bayern und Sachsen. Sachsen will nun auch erst einmal abwarten, hier liegen noch 262 Benin-Bronzen in den Museen. Bisher war nur für die drei Benin-Bronzen ein Vertrag abgeschlossen, die im November 2022 von Baerbock und Roth nach Nigeria überführt wurden. „Wir warten nun zunächst eine Position Nigerias ab, welche Wirksamkeit dieser Präsidentenerlass, kurz vor einer Wahl in Nigeria veröffentlicht, entfaltet, ob er rechtlich verbindlich ist und wie die neue Regierung damit umgehen wird. Insofern sehen wir darin noch keinen gültigen Gesetzestext, bis Nigeria das bestätigt. Bis dahin werden keine weiteren Schritte unternommen“, teilte das sächsische Kulturministerium der Berliner Zeitung auf Anfrage mit.
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