Am Sonnabend wurde bekannt, dass der scheidende nigerianische Staatspräsident Mohammedu Buhari die Bronzen aus dem historischen Königreich Benin an den Nachfolger der Könige von Benin, Oba Ewuare II, übereignet hat. Sie befinden sich nun also in Privatbesitz, und der Oba entscheidet darüber, was mit ihnen geschieht. Am Sonntag ließ Außenministerin Annalena Baerbock dazu mitteilen: „Bei wem die zurückgegebenen Bronzen verbleiben, welche nigerianischen Institutionen und Personen beteiligt werden, und wo die Verantwortung zur Bewahrung sowie Zugänglichmachung liegt, sind Fragen, über die in Nigeria entschieden wird. Die Rückgabe der Bronzen an Nigeria war nicht an Bedingungen geknüpft.“ Im Klartext: Die Übereignung an den Oba ist laut Annalena Baerbock kein Grund, sich aufzuregen oder die deutsche Rückgabepolitik hinsichtlich kolonialer Raubkunst infrage zu stellen.
Und weiter heißt es in ihrer Erklärung: Das Präsidialdekret vom 28.03.2023, mit dem Präsident Buhari dem Oba Ewuare II Eigentums- und Sorgerechte für die Benin-Bronzen überträgt, sei dem Auswärtigen Amt bekannt. „Die Einbeziehung des Königshauses beim Rückgabeprozess entspricht den Maßgaben einer Beteiligung der Herkunftsgesellschaften, wie sie auch in den Ersten Eckpunkten von Bund und Ländern und Kommunen zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten vom 13.03.2019 festgehalten sind.“ Die Nationale Museumskommission Nigerias, die bei den Rückgaben Vertragspartnerin der deutschen Museen ist, habe dem Auswärtigen Amt mitgeteilt, dass das Präsidialdekret bisher nicht in Kraft getreten sei und Änderungsanträge eingebracht worden seien.
Die Bronzen seien mit dem Ziel an Nigeria zurückgegeben, historisches Unrecht zu beheben, das im Erwerb und im unrechtmäßigen Besitz der Artefakte lag, heißt es in Baerbocks Erklärung weiter. „In der gemeinsamen Erklärung vom 1. Juli 2022 zur Rückgabe der Benin-Bronzen hatten Deutschland und Nigeria die Absicht bekundet, dass die Öffentlichkeit auch nach Rückgabe weiterhin Zugang zu den Benin-Bronzen haben wird.“
Claudia Roth zu Benin-Bronzen: Es bleibt richtig, Raubkunst zurückzugeben
Früher am Sonntag hat sich die Kulturstaatsministerin Claudia Roth zu dem Vorgang geäußert: Am Sonntag ließ die Kulturstaatsministerin Claudia Roth dazu mitteilen: „Wir werden gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt klären, was diese Maßnahme des scheidenden Präsidenten zu bedeuten hat. Dazu wollen wir mit der neuen nigerianischen Regierung ins Gespräch kommen, sobald diese im Amt ist. Eine wichtige Grundlage der Verhandlungen war die Zuständigkeit der National Commission for Museums & Monuments für den Restitutionsprozess. Richtig bleibt es, Raubkunst an die Staaten zurückzugeben, die heute die Menschen und Kultur repräsentieren, denen diese Kunst einst gestohlen wurde.“
Roth war Ende Dezember gemeinsam mit der Außenministerin Annalena Baerbock nach Nigeria gereist, um 20 Benin-Bronzen zurückzugeben, darunter auch Artefakte aus Berlin – ein hoch mit Symbolik aufgeladener Wiedergutmachungsakt. In diesem Jahr sollen Hunderte weitere Artefakte aus deutschen Museen nach Nigeria zurückgehen.
In einer am 23. März 2023 veröffentlichten offiziellen Bekanntmachung mit dem Titel „Notice of Presidential Declaration“ hatte Buhari verfügt: „Nach dem vorgeschlagenen Gesetz müssen alle Artefakte an den Oba von Benin übergeben werden, der die Rechte des ursprünglichen Eigentümers ausübt. Dies gilt sowohl für die bereits zurückgegebenen als auch für die noch nicht zurückgegebenen Gegenstände.“ Nach der Plünderung und Verwüstung des Königspalastes von Benin durch britische Truppen im Jahr 1897 wurden mindestens 3000 Artefakte international verstreut.
Das Königshaus Benin war in den Sklavenhandel verstrickt
In Deutschland hatte zuerst die Frankfurter Allgemeine Zeitung über den Vorgang berichtet. Die Gastautorin Brigitta Hauser-Schäublin, eine Schweizer Wissenschaftlerin, bewertet den Vorgang höchst kritisch: „Für die deutsche Politik und die ihren Zielen dienenden Museumsleute endet damit die Rückgabe der Bronzen an ‚das nigerianische Volk‘ in einem Fiasko. Wie leichtfertig formuliert die Vereinbarung zur Eigentumsübertragung zwischen Deutschland und Nigeria war, zeigt sich jetzt in aller Deutlichkeit“, schreibt sie.
Auch erinnert Hauser-Schäublin daran, dass das Königshaus von Benin bis zu seiner Unterwerfung durch die Briten schlimmste Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe: „Notorische Angriffskriege über Jahrhunderte hinweg mit Plünderungen, Zerstörungen, Massakern, Versklavung von Kriegsgefangenen, Menschenopfer zu Ehren der in den Gedenkköpfen repräsentierten Ahnen sowie Sklavenjagd und -handel in großem Stil.“



