Pasta, Pasta, Pasta – dieses Gericht, ob nun als Spaghetti, Penne oder Orecchiette, ist inzwischen vom Speiseplan der Deutschen nicht mehr wegzudenken. Es hat sich in unsere kulinarische DNA so sehr eingepflanzt, dass die meisten von uns italienische Nudelgerichte täglich zu sich nehmen. Am Anfang der Corona-Pandemie, als die ganz Ängstlichen von uns anfingen, Notvorräte anzulegen, waren neben Klopapier vor allem Teigwaren rasch ausverkauft. Man kann also sagen: Die Pasta ist für uns Deutsche mindestens genauso wichtig wie ein sauberer Hintern. Und macht mindestens genauso glücklich.
Erinnern Sie sich an die Menükarten in den ersten italienischen Restaurants – es ging schon in den 60ern los, in Deutschland in den 80er- und 90er-Jahren. Man fand dort früher endlos viele Gerichte. Carbonara, Bolognese und viele andere. Und alle hatten je nach Wirt und Herkunft andere Namen. Bei meinem Lieblingsitaliener während des Studiums in München gab es zum Beispiel ein Gericht, das „Finanzamt al forno“ hieß. In Anspielung an die damals (und teilweise auch heute noch) gängige Praxis der kreativen Buchführung handelte es sich um nichts Ausgefalleneres als überbackene Cannelloni mit einer Soße aus Hackfleisch und Tomaten.
Heute ist selbst in den meisten Pizzerien eine deutlich reduzierte Auswahl zu finden. Auch der Eckitaliener beherzigt inzwischen die goldene Regel der Gastronomie: Je kleiner die Karte, desto besser die Gerichte. Diese Regel ist natürlich immer richtig und für mich mindestens so wahr wie: Viel Butter, viel lecker! Die Italiener haben es also in den vergangenen Jahren mehr und mehr auf die Qualität der Zutaten und bestes Handwerk angelegt. Darüber freuen wir uns sehr, aber wir vermissen doch auch ein paar Gerichte.

Spaghetti Carbonara erlebte nach 2000 einen Hype
Gerade die schönen einfachen Pasta-Gerichte der cucina povera, also der Küche der Bauern und armen Leute, dieser weltweit geliebten Küche aus dem südlichen Italien, sind inzwischen ein wenig in Vergessenheit geraten. Zum Glück aber noch nicht ganz. Vereinzelt feiern einige Gerichte immer mal wieder eine Art Renaissance, beispielsweise ist in der „Foodie-Szene von Berlin“ die römische Pasta Cacio e Pepe aktuell extrem beliebt. Ihr ergeht es wie der Spaghetti Carbonara vor ein paar Jahren.
Wir Kinder kennen sie noch, die eingedeutschte Variante der schweren Holzköhler-Nudeln: Sie wurde mit Kochschinken und ordentlich Sahne zubereitet und so auch in italienischen Restaurants von Stuttgart bis Kiel serviert. Dass man sie eigentlich aber ohne Sahne und Kochschinken und stattdessen mit getrockneter Schweinebacke (Guanciale) und einer Emulsion aus Nudelwasser und Ei zubereitet, lernten wir Banausen erst Anfang der Jahrtausendwende. Heute kennen wir alle Carbonara-Varianten und haben sie rauf und runter gekocht. Und so verschwindet die Carbonara von den Speisekarten der hippen Italiener mehr und mehr.
Im Grunde genommen ist der Hype um die Cacio e Pepe, die abgespeckte kleine Schwester der Köhlernudel, auch fast schon wieder vorbei, aber Sie werden dennoch im Anschluss ein Rezept dazu finden, weil wohl keine Pasta so einfach ist wie diese. Selbst schon halb vergammelte und uralte Parmesan- oder Pecorinorinde können Sie hier noch zu einem Festmahl führen.

Erste McDonalds-Filiale in Italien eröffnet 1986
Aber zurück zur unermesslichen Vielfalt der italienischen Küche. Allein Pastasorten gibt es unzählige, und in fast jedem Örtchen gibt es eine lokale Spezialität. Als die allerersten Anzeichen sich zeigten, dass es der italienischen Küchentradition an der Kragen gehen könnte, wehrten sich die Italiener energisch. Als 1986 nämlich die erste McDonald's-Filiale in Rom eröffnete, auch noch an der antiken Piazza Navona, platzte den Italienern der Kragen. Ähnlich wie später bei dem Versuch von Starbuck's, in Mailand eine Kaffeefiliale zu eröffnen; aber das ist eine andere Geschichte über das wehrhafte Italien.
Bereits vor dem Angriff der amerikanischen Burgerkette auf Rom hatte der Piemonteser Carlo Petrini gemeinsam mit Freunden auf dem Schloss Fontanafredda, berühmt für seinen fantastischen Barolo, die „Arcigola“ gegründet, quasi das Saatkorn der heute weltweit bekannten Slowfood-Bewegung. Die Eröffnung einer Fastfood-Filiale im Herzen Roms war der Stein des Anstoßes! Weltweit zählt die Bewegung heute rund 80.000 Mitglieder, die meisten davon in Europa. Und die McDonald's-Filiale hat in Rom zwar eröffnet, aber ist schon lange wieder verschwunden. Eine Filiale im Zentrum Roms gibt es allerdings: auf der Piazza di Spagna, direkt unterhalb der Spanischen Treppe. Naja!
Auf einer Italienreise im Sommer 2002 hatte ich mir zwei Bücher mitgenommen. Den für Köche und Möchtegern-Genießer unverzichtbaren Guide Michelin und den kulinarischen Reiseführer „Osterie d’Italia“, der jährlich von der Slowfood-Bewegung herausgegeben wird. Schnell war klar, dass der Guide Michelin dem italienischen Führer nicht ansatzweise das Wasser reichen konnte. Ich fraß mich also ganze drei Wochen durch einige der schönsten Wirtshäuser Italiens und war einfach entzückt über all die fabelhaften Gerichte und kulinarischen Stilrichtungen dieser naturnahen und authentischen Küche.

Pasta-Zutaten bekommt man für weniger als einen Euro
Besonders in Erinnerung geblieben sind mir ein völlig unverhofft sagenhafter „Caffè“ (Espresso) in Florenz, ein „Est! Est!! Est!!!“, das ist ein weißer Schaumwein aus der Provinz Viterbo in Montefiascone (Latium) und all die schönen Pastagerichte, die es überall gab. Später vertiefte ich meine Erfahrungen während unterschiedlicher Aufenthalte in Florenz, Turin und Rom. Und immer wieder kam ich zu der Erkenntnis, dass es vor allem die Pasta ist, die, neben all der schönen italienischen Lebensfreude und dem charmanten Chaos, für den globalen Erfolg des Landes verantwortlich ist. Mille grazie Italia für dieses Geschenk!
Nun aber zu den versprochenen Rezepten. Wir haben uns dafür entschieden, Ihnen drei Klassikern vergleichbare Rezepte zu präsentieren. Anstelle der Bolognese-Soße – von der es in Deutschland so viele deutsche Varianten gibt, wie dieses Land Einwohner hat, nämlich mehr als 83 Millionen –, wollen wir Bucatini all’Amatriciana machen, statt einer Carbonara gibt es eben die angesprochene Cacio e Pepe, und die Puttanesca ersetzen wir durch eine simple Spaghetti alla Siciliana. Alle Rezepte sind einfach zuzubereiten, und die Zutaten sind für ein paar Cents zu besorgen. Denn italienische Pasta-Gerichte kann sich wirklich jeder leisten. Im Studium reichten mir Spaghetti für 36, Discounter-Tomaten für 30 und eine olle Knoblauchzwiebel für 20 Cents aus, um ein akzeptables Mahl für zwei Personen unter einem Euro zuzubereiten.
Los geht’s also mit unseren Klassikern! Und das Schöne ist: Alle Rezepte brauchen nur so lange, wie die Pasta kocht. Denn alle Pastasoßen macht man, während die Nudeln kochen. Sie haben also immer knapp 10 Minuten Zeit, je nachdem, was für Pasta Sie benutzen.
Rezept: Bucatini all’Amatriciana
Zutaten: Bucatini (wie Spaghetti, nur mit einem Loch in der Mitte), Tomatensugo (bitte eine gute Qualität!), Guanciale (im Zweifel tut es auch Pancetta, Lardo oder getrockneter Schinken), Knoblauch, Pecorino, frische Peperoni, Salz, Pfeffer (aus der Mühle).
Zubereitung: Geben Sie die Bucatini in reichlich gesalzenes kochendes Wasser. Es muss natürlich so salzig schmecken wie das Meer vor Forte dei Marmi. Sie wissen ja, so salzig wie das Wasser ist, so salzig wird auch die Pasta. Schmecken Sie also das Kochwasser ab.
Schneiden Sie den Guanciale in schöne Stifte (mundgerecht, etwa 5 Millimeter breit und hoch und zwei Zentimeter lang). Okay, das ist spießig. Schneiden Sie den Speck, wie Sie wollen. Braten Sie die Würfel knusprig in einer Pfanne aus (Achtung Temperaturmanagement!). Sie benötigen eigentlich kein Öl dazu, denn der Guanciale hat ausreichend Fett. Ist alles schön kross, geben Sie die knusprigen Stifte auf ein Küchentuch. Die kommen später wieder hinzu.
In dem Fett der Pfanne schwitzen Sie kurz etwas Knoblauch und Peperoni an, dann kommt ordentlich Tomatensugo dazu. Nun alles köcheln lassen, bis die Nudeln fast fertig sind. Diese werden nämlich mit einer Kelle Kochwasser im Sugo in der Pfanne gar gekocht. Sind die Nudeln fertig, geben Sie den krossen Guanciale hinzu. Dann auf einem Teller anrichten, einen Hauch Pfeffer hinzu und ordentlich geriebenen Pecorino. Fertig.

Rezept: Pasta Cacio e Pepe
Zutaten: Spaghetti (echte Spaghetti!), Pecorino, Pfeffer aus der Mühle (in diesem Fall schön grob), Salz.
Zubereitung: Dieses Gericht wird gelegentlich zu einer Art Kunst verklärt, dabei ist es ein sehr einfaches und ebenso altes Rezept der römischen Küche. In meinem Freundeskreis sprechen wir bei kulinarischen Problemen oft von „Krisen“. Ich hatte letztens etwa eine Marmeladen-Krise, das heißt, ich war völlig verzweifelt, weil alle Marmeladen so langweilig schmeckten. Ein anderer Kumpel hatte etwa eine Cacio-e-Pepe-Krise. Er schaffte es über Wochen nicht, die perfekte Konsistenz der Soße hinzukriegen. Immer flockte der Käse aus. Er musste eine Pause einlegen und sich entspannen. Ihnen wird das nicht passieren. Denn Sie sind ja entspannt.
Geben Sie also die Spaghetti in das Kochwasser, selbes Spiel wie oben. Nun reiben Sie reichlich, wirklich reichlich, Pecorino in eine große Schale. Die Schale muss so groß sein, dass später die Pasta noch hineinpasst. Dann den Pfeffer dazu. Sind die Nudeln al dente, kommen sie in die Schale mit der Pecorino-Pfeffer-Mischung. Achtung – hier werden die Nudeln im Topf zu Ende gegart! Mit Resthitze der Platte. Mischen Sie alles gut durch, zum Beispiel mit zwei Gabeln. Dann geben Sie nach und nach etwas von dem Kochwasser hinzu und mischen weiter. Bald schon entsteht aus der Stärke der Nudeln, dem heißen Kochwasser und dem Käse eine samtige, fast sahnige, Soße. Fertig! Einfacher geht es nicht.

Spaghetti alla Siciliana
Zutaten: Spaghetti (Sie wissen schon…), Olivenöl, Sardellen, Oliven (grün und schwarz), Kapern, Semmelbrösel (selbst gemacht: altes Brot mixen und mit Butter in der Pfanne braun werden lassen), Knoblauch.
Zubereitung: Die Spaghetti werden im Salzwasser gekocht. In der Zwischenzeit rösten Sie die Semmelbrösel schön kross in einer Pfanne an. In einer weiteren Pfanne schwitzen Sie in Olivenöl den Knoblauch leicht an, dann kommen Sardellen aus dem Glas dazu (die italienischen sind oft milder als die spanischen aus Asturien). Anschließend die Kapern und Oliven (entsteinte Oliven empfehlen sich, wer mag, halbiert sie) bereitstellen. Nun ist auch die Pasta fertig, und wir geben diese mit einem Schuss Kochwasser dazu. Alles gut vermengen, auf einem Teller anrichten und ordentlich Semmelbrösel darauf. Dieses Gericht lebt wie die meisten italienischen Gerichte besonders durch die Qualität der Zutaten!
Tipp: Zu allen meinen Pasta-Gerichten würde ich Ihnen einen Weißwein empfehlen. Nutzen Sie doch die Gelegenheit und probieren Sie mal einen „Est! Est!! Est!!!“ aus. Wenn Sie Glück haben, finden Sie einen Weinhändler, der Ihnen sogar die namensgebende Geschichte zu diesem Wein erzählen kann, die ist nämlich sehr amüsant!
Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung veröffentlicht er regelmäßig seine Lieblingsrezepte.
Haben Sie Fragen zu unseren Rezepten? Ideen und Wünsche für Geschichten oder einen Restauranttipp für uns? Dann Schreiben Sie unserem Food-Chef Jesko zu Dohna auf Instagram oder per Email: briefe@berliner-zeitung.de






