Berlin-Liebe Leser, sind Sie von den meisten italienischen Restaurants in Deutschland auch so genervt wie ich? Es gibt wirklich immer (oft schlechtes) Vitello Tonnato, Wasser von San Pellegrino (die Flaschen kommend meist schon geöffnet am Tisch, Verschwörung!), und wenn es hart auf hart kommt, dann gibt es noch karierte Tischdecken, stehen alte Chianti-Körbe im Regal und es werden irgendwelche Paolo-Conte-Schmonzetten abgedudelt. Kurz: Man fühlt sich wie in einer kitschigen Filmkulisse, nur um danach festzustellen, dass die Wirtsleute keine Italiener, sondern Albaner (ich habe grundsätzlich nichts gegen Albaner) sind.
Wenn Sie all das nicht wollen (aber auch keine weißen Tischdecken wie bei dem wirklich enttäuschenden Schicki-schicki-Italiener Petrocelli auf dem Kurfürstendamm), sondern einfach mal unter der Woche für kleines Geld ein bisschen die Seele baumeln lassen wollen, dann gehen Sie doch einfach zum winzig kleinen Italiener La Bolognina in Neukölln – in der Donaustraße, eine Parallelstraße zur Sonnenallee.
Das Schöne ist: Der Laden wird von drei entspannten und freundlichen jungen Italienern in Turnschuhen geschmissen, denen man ansieht, das sie gerne selbstgedrehte Zigaretten rauchen. Der Laden hat vielleicht fünf Tische, es läuft zarte Rockmusik, an den Wänden hängen einfache Poster. Das Ganze könnte auch eine Studentenkneipe in Catania oder Triest sein.
Kein San Pellegrino und günstiger Hauswein
Und auch das Angebot ist herrlich schlicht und einfach. Es gibt keine teuren, authentischen Produkte, sondern Wasser von Gerolsteiner, das natürlich besser schmeckt als San Pellegrino, und ein halber Liter süffiger roter Hauswein kostet gerade mal 9 Euro und kann ohne Bedenken getrunken werden. Die teuerste Flasche Wein auf der Karte ist ein Montepulciano für gerade mal 32 Euro.
Schaut man sich die einfach laminierte Karte (vier verschiedene Piadina, vier Sorten Pasta für je unter 10 Euro) an, muss man unweigerlich an so nervige Berliner Köche wie Billy Wagner und Tim Raue denken, die uns so gern mit ihrer „bedingungslosen Produktküche“ vollschwallern. Dieses Zicklein kommt aus Blablabla im Brandenburger Havelland und wird in Splitterbrötchen-Sirup gebadet, um danach sous vide abgebräunt zu werden. Mein Kollege Marcus Weingärtner sagte dazu diese Woche: „Mich interessiert nicht, woher die Zutaten kommen. Hauptsache, es schmeckt!“
Im „Bolognina“ werden Sie all das nicht finden. Die Antipasti bestehen aus ganz normaler italienischer Großmarkt-Salami, Parmesankäse mit Honig, Scamorza und industriell hergestellter Mortadella. Letztere schmeckt ja auch nur, wenn industriell hergestellt. Als Kind habe ich mir immer vorgestellt, dass Schweine im Inneren aus Mortadella bestehen. Die weißen Fettaugen, dachte ich, sind die Knochen. Man schneidet einfach ein Stück Wurst vom lebenden Schwein ab und knotet das Ganze wieder zu. Daher das Ringelschwänzchen.
Pasta mit Salsiccia und Burrata & die selbstgemachte Cannoli
Und die Pasta? Die ist natürlich selbstgemacht, frisch und völlig in Ordnung. Besonders gut sind die großen Ravioli mit Spinat-Ricotta-Füllung, Salbei, ordentlich Butter und Parmesan. Wir haben noch die Tagliatelle mit Salsiccia-Ragú bestellt und welche mit Pistazien-Pesto und Burrata. Alles sehr schmackhafte Gerichte.
Zum Schluss noch dieser Tipp: Bestellen Sie zum Finale noch einen Espresso, und dazu unbedingt den riesigen, selbstgemachten sizilianischen Cannolo. Sie kennen wahrscheinlich diese frittierten Schmalzgebäckröllchen aus dem italienischen Supermarkt. Die sind gut, aber die bei La Bolognina sind eindeutig besser. Vor allem, weil der Chef mit der Brille die zuckrige Ricottacreme erst Sekunden vor dem Servieren aus dem Spritzbeutel in die Röllchen drückt. Und das schmeckt man!
Bewertung: 4 von 5 Punkten! Vor allem wegen hervorragender Preis-Leistung. Das lieben wir Deutschen ja.
La Bolognina, Donaustraße 107, 12043 Berlin, Dienstag bis Samstag 17 bis 23 Uhr.
