Berlin-Der Mensch ist hauptverantwortlich für die globale Erderwärmung, so lautet eine zentrale Aussage im ersten Teil des neuen Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Am Montagvormittag wurden die Ergebnisse vorgestellt. 234 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 65 Ländern haben für den Bericht den aktuellen Stand zu naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels sechs Jahre lang gesichtet und zusammengefasst. Die Botschaft des Berichts ist dramatisch.
So sei die CO2-Konzentration bereits heute höher als in den vergangenen zwei Millionen Jahren. Die Meere hätten sich in den vergangenen Jahren deutlich erwärmt und würden so zunehmend versauern. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass die globale Temperatur bereits Anfang der 2030-er Jahre um 1,5 Grad in Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung ansteigen könnte. In Deutschland seien die Temperaturen bereits seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Schnitt um 1,6 Grad gestiegen. Zudem wird im IPCC-Bericht betont, dass ohne schnelle und massive Gegenmaßnahmen die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten die Zwei-Grad-Celsius-Marke überschreiten wird.
Extremwetterereignisse häufen sich
Der Klimawandel wirke sich laut Bericht schon heute auf jede Region der Erde auf vielfältiger Weise aus. Dabei äußere sich der Klimawandel allerdings unterschiedlich, je nach Region. Die Expertinnen und Experten haben daher auch eine interaktive Karte für alle Regionen weltweit entwickelt. Bereits an den beobachteten Wetter- und Klimaveränderungen der vergangenen Jahre lasse sich ablesen, dass es mehr Dürren, Hitzewellen und Starkregenereignisse gebe. Die Forschenden zeigen in dem Bericht unter anderem auf, dass insbesondere Hitzeextreme in allen Regionen der Welt deutlich zunehmen werden und bereits heute auftreten, wie etwa die jüngsten Hitzeperioden in Griechenland, Italien und der Türkei zeigen.
Der Weltklimabericht enthält außerdem erstmals ein eigenes Kapitel über Wetterextreme. In diesem warnen die Expertinnen und Experten, dass Extremwetterereignisse, wie Dürre, Tropenstürme, Starkregen und Überschwemmungen, weltweit zunehmen werden. „Oft sind solche Ereignisse von mehreren Faktoren beeinflusst, zum Beispiel Hitze mit Dürre und Feuergefahr – auch das wird in diesem Bericht betont, mit beobachteten Änderungen in der Häufigkeit und Stärke von Ereignissen und der Erwartung, dass solche Ereignisse mit fortschreitender Erwärmung immer häufiger werden,“ erklärt die Klimatologin Gabriele Hegerl.
Gletscher- und Poleisschmelze wird sich fortsetzen
Ein weiteres Ergebnis des IPCC-Berichts: In den letzten einhundert Jahren ist der Meeresspiegel schneller angestiegen, als das in den vergangenen 3000 Jahren der Fall war. Der neue Report verdeutlicht zudem, dass sich die Gletscher- und Poleisschmelze fortsetzen wird. Die Folge: Ein weiter steigender Meeresspiegel wird Städte, Infrastrukturen und Millionen von Menschen bedrohen. Selbst wenn es gelingen sollte, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, dürfte der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts um bis zu 62 Zentimeter höher sein als 1995 bis 2014, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Klimaneutralität bedeutet, dass nur noch höchstens so viel Treibhausgas ausgestoßen wird, wie die Natur aufnehmen kann.
Auch das Auftauen von Permafrostböden – Böden, die ganzjährig gefroren sind – wird weitergehen. So werden etwa die obersten drei Meter Permafrost in der Arktis komplett auftauen, falls die globale Erwärmung zwei bis vier Grad erreichen sollte. Das Eis in der Arktis habe bereits den niedrigsten Stand der letzten 1000 Jahren erreicht, heißt es in dem IPCC-Bericht. „Die Polarregionen als Frühwarnsystem unseres Planeten schlagen eindeutig Alarm: Schon vor 2050 werden wir in der Arktis aller Voraussicht nach zum ersten Mal einen Sommer erleben, in dem das Nordpolarmeer weitestgehend frei von Meereis sein wird – und zwar in allen untersuchten Zukunftsszenarien“, erklärt Mitautor Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie.
Eine mögliche Entwicklung, die der Weltklimarat nicht ausschließen kann, sei ein Kollaps der Atlantischen Umwälzströmung (AMOC), die bereits an Fahrt verloren hat. Jene Strömung verteilt kaltes und warmes Wasser im Atlantik und beeinflusst den Monsun in Afrika und Asien. Ein Zusammenbruch des Systems, zu dem auch der Golfstrom gehört, hätte auch Auswirkungen auf Europa. Forschende warnten bereits in einer aktuellen Studie, die vergangene Woche im Fachmagazin Nature Climate Change, veröffentlicht wurde, vor einem möglichen Kollaps der Atlantikströmung.
Klimaschutz muss weltweit verschärft werden
Die zentrale Botschaft des ersten Teils des 6. IPCC-Sachstandsberichts: Der bisher angestrebte Klimaschutz reicht längst nicht aus. Nicht nur die CO2-Emissionen müssen dem Weltbericht zufolge weltweit deutlich reduziert werden. Auch andere Treibhausgase wie Methan müssen sinken. Methan entsteht vor allem durch die Erdgasförderung und -transport sowie durch die Landwirtschaft. Null-Emissionen würden die Erwärmung quasi auf dem gegenwärtigen Level stoppen, heißt es in dem IPCC-Bericht. Doch dafür müsse es einen verschärften Klimaschutz geben.
Positive Effekte auf die atmosphärische Konzentrationen von Treibhausgasen und Luftverschmutzung würden sich allerdings nicht sofort bemerkbar machen. Wenn wir heute Treibhausgasemissionen stark herunterfahren würden, werden die Veränderungen der globalen bodennahen Lufttemperatur erst 20 Jahre später messbar sein, heißt es in dem Bericht. „Erfolge von Emissionsreduktionen werden wir wahrscheinlich erst mit Zeitverzögerung sehen oder messen können“, sagt auch Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Und dennoch sind rasch verringerte Emissionen so entscheidend für das langfristige Ausmaß der Folgen der Klimaveränderungen – insbesondere über 2040 hinaus.“
„Im Wesentlichen bestätigt der Bericht die Aussagen der vorangehenden Berichte. Das zeigt, dass die Wissenschaft schon vor 30 Jahren die wesentlichen Entwicklungen korrekt vorhergesagt hat“, sagt Klimaforscher Mojib Latif. Wenn man alle Aussagen des Berichts zusammennehme, würde Latif sie wie folgt interpretieren: „Die Menschheit ist dabei, den klimatischen Wohlfühlbereich zu verlassen, den sie über die letzten Jahrtausende genießen durfte.“




