Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung steigen. Im kommenden Jahr, das hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gesagt. Auch hat er gesagt, der Anstieg solle moderat sein, was immer das heißen mag. Klar ist schon jetzt, dass ein solcher Schritt vor allem diejenigen hart treffen wird, denen ohnehin nicht viel Geld zur Verfügung steht. Besserverdienende werden nicht stärker zur Kasse gebeten. Die Beitragsbemessungsgrenze soll unverändert bleiben.
Lauterbach begründet es damit, dass dies so im Koalitionsvertrag der Ampelregierung fixiert sei. Er pflege, sich an Abmachungen zu halten. Sich an einmal vereinbarte Dinge gebunden zu fühlen, ist grundsätzlich ein guter Wesenszug für jemanden, der die Gesundheit von 82 Millionen Menschen verantwortungsvoll im Blick zu behalten hat, auf den sich diese Menschen verlassen können sollten. Eine Notlage sozial entschärfen lässt sich so jedoch nicht.
Zumal der Minister an dem Volumen der Ausgaben nicht rühren möchte, die zum großen Teil auf Krankenhäuser mit rund einem Drittel sowie Arzneimittel und ärztliche Behandlungen mit jeweils 17 Prozent entfallen. Die Gesamtkosten steigen stetig. Sie sind zwischen 2017 und 2021 von 217,83 auf 263,41 Milliarden Euro angewachsen.
Der GKV-Spitzenverband rechnet nun aber für 2024 mit einem Defizit von 3,5 bis sieben Milliarden Euro. Finanzminister Christian Lindner will keine Steuermittel mehr zuschießen, weil er trotz Rezession die Schuldenbremse einzuhalten gedenkt. Neben der Option, sich das Geld anderswo zu holen oder weniger davon auszugeben, muss deshalb diskutiert werden, ob ebenjene Ausgaben nicht anders verteilt werden sollten.
Kassenchef: Wer Zähne putzt, muss nicht zum Zahnarzt
Längst sind Lobbyisten angetreten, die Debatte zu ihren Gunsten zu lenken. Die schönste Nebelkerze hat dabei die IKK-Innovationskasse gezündet, die ihrem Namen alle Ehre erwies, indem ihr Chef vorschlug, die komplette zahnärztliche Versorgung aus dem Programm zu nehmen, die Kosten für Füllung, Krone oder Prothese jedem Einzelnen zu überlassen. Auf diese Weise ließen sich ungefähr 16,33 Milliarden Euro einsparen. Wer sich im Wesentlichen zweimal am Tag die Zähne putze, teilte Kassenchef Ralf Hermes mit, bekomme fast keine Probleme. Wohl gemerkt: fast.
Ebenso fast ist man versucht zu erwidern: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit derartigen Sparvorschlägen um sich werfen. Die jährlichen Bezüge der Kassenvorstände hierzulande betragen zwischen rund 200.000 und mehr als 360.000 Euro, was die Frage aufwirft, ob das deutsche Gesundheitswesen wirklich 96 Krankenkassen benötigt. Aus Gründen des Wettbewerbs? Wohl kaum. Abgesehen von Zusatzleistungen vergüten sie Leistungen alle gleich nach einem festgelegten Katalog. Zum Beispiel für eine Behandlung beim Zahnarzt.
Dafür beansprucht die Verwaltung einer solchen Kasse durchschnittlich gut vier Prozent ihres Gesamtetats. Immerhin mehr als doppelt so viel, als sie für Apotheken aufwendet. Weil diese ihre Vergütung seit Jahren unverändert sehen, haben sie für diesen 14. Juni zu einem bundesweiten Protesttag aufgerufen.
Die Krankenkassen ihrerseits haben vorgeschlagen, der Bund möge die Beiträge all jener aus Steuern finanzieren, die auf Bürgergeld angewiesen sind. Etwa zehn Milliarden Euro würden so frei, lautet die Rechnung. Durch eine solche staatliche Unterstützung würden auch die rund neun Millionen Menschen stärker in die Solidargemeinschaft eingebunden, die privat krankenversichert sind.
Bleiben die Ausgaben. Die Beiträge müssen sinnvoll eingesetzt werden, das findet auch Lauterbach. In Deutschland kommt es immer noch zu überflüssigen Behandlungen, wird unnötig operiert, oft wegen falscher finanzieller Anreize. Die Deutsche Gesellschaft für innere Medizin (DGIM) zum Beispiel setzt auf Eigenverantwortung, betreibt Hilfe zur Selbsthilfe, ihr Projekt heißt: „Klug entscheiden“. In Anlehnung an eine Initiative aus den USA veröffentlichen zwölf Fachgesellschaften unter dem Dach der DGIM alljährlich Vorschläge für Diagnose und Therapie, etwa in der Kardiologie, Onkologie oder Gastroenterologie.




