TV-Kritik

Lauterbach bei Lanz: Kann er auch noch anderes als Corona-Politik?

Aktuell gäbe es für den Gesundheitsminister Dringenderes zu tun – warum fragt ihn niemand danach? Bei „Markus Lanz“ bewirbt Lauterbach gleich wieder Paxlovid. 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat bei „Markus Lanz“ im ZDF in der Nacht zu Freitag einmal mehr für Paxlovid geworben. 
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat bei „Markus Lanz“ im ZDF in der Nacht zu Freitag einmal mehr für Paxlovid geworben. www.imago-images.de

Die Runde ist zum Scherzen aufgelegt, am Ende wird viel gelacht. Da hat Markus Lanz im ZDF am Donnerstagabend gerade den CDU-Politiker Mario Czaja aus Berlin danach gefragt, ob dieser wirklich Lobbyarbeit für eine Berliner Gesundheitsagentur namens Brückenköpfe betrieben habe, wie der Spiegel recherchiert hat.

Czaja war einst Gesundheitssenator in der Hauptstadt, dann wechselte er in jene Agentur, die dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ihre Vorschläge zur Digitalisierung in der Gesundheitspolitik quasi ins Gesetz diktiert haben soll, schließlich wechselte Czaja wieder zurück in die Politik und ist nun CDU-Generalsekretär unter Friedrich Merz.

„Säße ich in Ihrem Stuhl, würde ich zugeben, dass das Lobbyismus war, denn das ist es ja definitiv gewesen“, empfiehlt nun Karl Lauterbach (SPD) dem herumdrucksenden Czaja, da muss Helene Bubrowski lachen: Anderen könne man das immer gut sagen, sagt die FAZ-Journalistin. „Sie haben mich nicht überführt, Frau Bubrowski“, scherzt Lauterbach zurück, und auch der Moderator muss sehr laut schmunzeln ob des Umstandes, dass da in seiner Sendung ausgerechnet Karl Lauterbach dem Kollegen empfiehlt, Lobbyismus zuzugeben.

Genau jener Karl Lauterbach nämlich, der gleich zu Beginn der Sendung quasi zur Begrüßung gleich mal wieder Paxlovid empfohlen hat – jenes Pfizer-Medikament, das ihm selbst so gut geholfen habe bei seiner kürzlich überstandenen Covid-Erkrankung, wie er nie und nirgends müde wird zu betonen. „Sie machen neuerdings ständig Werbung für Paxlovid, warum ist das so?“, fragt Lanz auch gleich. „Ich frage, weil bisher nur 30.000 Dosen davon verschrieben wurden, aber 280.000 verfallen im Februar“, gibt er sich selbst die Antwort. Dadurch sollen dem Bund Verluste in Höhe von 17 Millionen Euro drohen.

Lauterbach erklärt deshalb einmal mehr die Paxlovid-Kampagne, die nun über die Hausärzte anlaufe: Ganz leicht sei das Medikament auf Zuruf zu bekommen, man brauche nur einen Positiv-Test und schon könne der Arzt das Mittel per Boten nach Hause senden, es brauche nicht mal mehr den Umweg über die Apotheke. Man müsse den Hausarzt nur anrufen.

Da fragt sich der geneigte Zuschauer doch: Wenn das plötzlich so schnell und einfach geht, das übliche Prozedere über Hausarztbesuch, Anamnese, Diagnose, Rezeptausstellung, Apotheke und Bestellung schlicht ausgesetzt werden kann für ein einzelnes Medikament – wieso wird es dann an allen möglichen anderen Stellen im Gesundheitsbereich immer komplizierter?

Nur ein Beispiel dazu aus der aktuellen Gesundheitspolitik: Derzeit tritt ein Wortungetüm namens Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) in Kraft, das auch noch aus der Feder von Jens Spahn stammt. Manche erinnern sich: Das war der Gesundheitsminister, der im Rekordtempo ein Gesetz nach dem anderen durchpeitschte, sich um deren Umsetzung oder Durchsetzbarkeit aber kaum kümmerte. So ist es auch mit dem GVWG, das Lauterbach von ihm geerbt hat, um dessen Umsetzung er sich aber ebenfalls nicht kümmert. Denn wie ist es anders zu verstehen, dass Pflegekräfte zwar seit 1. September ein Anrecht auf Lohnerhöhung haben, deren Finanzierung aber gar nicht geklärt ist?

Immer mehr Betroffene, Patienten und Angehörige melden sich nun, weil sie die neuen Preise zur Versorgung ihrer Pflegebedürftigen durch Pflegedienste oder Heime, die offenbar gerade eins zu eins auf sie abgewälzt werden sollen, gar nicht bezahlen können. Pflegekräfte bekommen nun schon Angst um ihre Jobs, und sogar der Spitzenverband der Krankenkassen bittet die Politik um ein neues Gesetz, das ihn in die Lage versetze, sich wie vorgesehen an den Tariferhöhungen zu beteiligen. Da darf man sich getrost fragen: Ist die Politik verrückt geworden? Wie kann man ein Gesetz beschließen und sich dafür feiern lassen, ohne die Finanzierung zu klären? Und schon wieder sind die Leidtragenden Patienten und vor allem ihre Angehörigen, die eh so oft übersehen werden von der Politik, obschon sie den allergrößten Teil der Pflege tragen in diesem Land.

Zu diesem Problem, das dringend gelöst werden muss, weil sich sonst ein Teil der Patienten die Pflege schlicht nicht mehr leisten können wird, hätte der Gesundheitsminister jetzt gut befragt werden können. Stattdessen ging es bei Lanz, Sie ahnen es schon: wieder mal nur um Corona.

Erst durfte Lauterbach noch einmal sagen, dass es unangenehm sei, Kollegen zu kritisieren, weshalb er sich zum maskenfreien Regierungsflieger lieber nicht äußere.  Und dann ging es den Großteil der Sendung um das Infektionsschutzgesetz für den Herbst.

Dabei interessierte Lanz vor allem das befürchtete „Impf-Abo“. Die Idee geht so: Die Infektionszahlen steigen womöglich wieder im Herbst, die Länder dürfen dann eine Maskenpflicht für die Innenräume vorschreiben. Lanz fragt mehrfach: Ich lasse mich dann mit den neu angepassten Impfstoffen impfen und darf für drei Monate wieder ein normales Leben haben, also ins Restaurant und Kino und Theater gehen ohne Maske. Und dann muss ich mich wieder impfen lassen?

Nein, versichert Lauterbach, eine Impfung alle drei Monate sei medizinisch nicht indiziert und sogar schädlich, „das habe ich auch immer gesagt, von Anfang an“.

Was passiert also, wenn ich mich nach drei Monaten nicht noch mal impfen lasse, insistiert der Gastgeber. Andere hätten vielleicht gesagt: Dann, lieber Markus Lanz, ist der Winter auch bald schon wieder rum und die Maßnahmen werden wieder zurückgefahren, also alles wieder beim Alten. Lauterbach aber ist höflich und sagt: Dann müssen Sie Maske tragen oder einen Test vorweisen. Bubrowski ergänzt, dass viele Restaurantbetreiber das Testmanagement wohl zu kompliziert finden könnten und weiter auf Maske bestehen. Womit wir wieder beim Regierungsflieger wären und der falschen Außenkommunikation.

Die war eh das Herzensthema des Abends für Lanz: die Kommunikation, vor allem die von Lauterbach. Warum er das immer wieder mache, die Menschen so in Angst und Panik zu versetzen, wollte der Moderator vom Gesundheitsminister ein ums andere Mal wissen. Natürlich bekam er nicht die gewünschte Antwort. Stattdessen eine Mutmaßung von Bubrowski, die damit wohl gar nicht mal so falsch lag: Als normaler Abgeordneter habe Lauterbach mit seiner Kritik an der Corona-Politik zum damaligen Zeitpunkt noch eine vergleichsweise gute Figur gemacht, jetzt aber fände er in seine Rolle nicht richtig hinein, jetzt sei er nun mal der Gesundheitsminister. 

Doch es nützt alles nichts, man kann sich darüber jede Nacht die Köpfe heiß reden, warum Lauterbach dies und jenes nicht oder zu viel davon macht, was Corona betrifft. Solange alle das mitmachen, dass es immer nur und anhaltend um Corona geht und kaum anderes mehr in der Gesundheitspolitik eine Rolle spielt, solange kann es sich ein Lauterbach auch leisten, genau das zu tun. Sich ausschließlich weiter mit diesem Thema zu befassen. Auf Kosten seiner anderen Aufgaben. Von denen sehr viele brachliegen.

Mit diesen wird sich dann in ein paar Jahren wohl ein anderer Gesundheitsminister befassen müssen, der dann wieder sagen kann: Ich bin nicht schuld, dass das Gesundheitssystem zusammengebrochen ist. Das waren meine Vorgänger.