Tina testet

Restaurant Pars in Charlottenburg: Küche, Kunst und Konfekt

Kristiane Kegelmann ist eine Powerfrau: Die Macherin von Pars Pralinen hat nun ein Restaurant eröffnet, und das ist ebenso meisterlich wie ihr Konfekt.

Winterlich: Grünkohl mit Meerrettich, Apfel und Roter Bete
Winterlich: Grünkohl mit Meerrettich, Apfel und Roter BetePujan Shakupa

Tief drinnen weiß jeder von uns, wie viel er sich zumuten kann. Jeder hat eine andere Grenze, die Menge an Energie scheint nicht gleich unter uns Menschen verteilt. Die einen wollen eine ruhige Kugel schieben, zumindest was die Arbeit angeht. Andere dagegen brennen darauf, ihr eigenes Ding zu machen, werden Künstlerin, Unternehmerin, Gastronomin, Mutter – oder alles gleichzeitig, wie Kristiane Kegelmann.

Zurückgefunden zur Schokolade

Ich habe diese junge Frau schon immer bewundert, das gestehe ich gern: Sie ist lässig, selbstbewusst und wusste offensichtlich schon früh, was sie will: Mit den Händen arbeiten. Kegelmann lernte, wie man nachlesen kann, nach dem Abitur Patissière in München, später in Wien, modellierte in wochenlanger Detailarbeit feinste Torten, die manchmal bis unter die Decke reichten. Dann emanzipierte sie sich vom Konditorhandwerk, zog nach Berlin, wurde Bildhauerin – und fand schließlich zurück zur Schokolade.

Schlicht, fast asketisch und schön: der Speiseraum
Schlicht, fast asketisch und schön: der SpeiseraumPujan Shakupa

Nichts gemein mit dem klassischen Konfekt

Nicht zur herkömmlichen Schokolade, wie wir sie kennen, die ganz platt formuliert süß, schlecht und böse ist, weil als Massenware der allergrößte Teil der Kakaobohnen unter ausbeuterischen Bedingungen für Mensch und Natur angebaut wird. Nein, zum Rohstoff Kakao, aus den Fabriken und Supermärkten befreit, der ebenso wie ihre daraus angefertigten Skulpturen Charakter hat, individuell, nachhaltig und geschmacklich mehrdimensional ist.

Vor vier Jahren habe ich bei einem Dinner-Event zum ersten Mal eine ihrer essbaren Skulpturen gesehen. Eine Rum-Marke hatte eingeladen, Kristiane Kegelmann hatte, inspiriert von den Farben und Aromen des Rums, eine raumhohe, abstrakte Pralinen-Installation erschaffen. Wir Gäste durften sie als Dessert essen. Es schmeckte wunderbar und ungewohnt, auch weil der Akt der Zerstörung sich auf das Geschmackserlebnis übertrug.

Derartige Auftragsarbeiten macht Kegelmann noch immer. Und noch viel mehr: Neben ihrem Atelier gründete sie die Manufaktur Pars Pralinen, deren Kreationen nichts mehr mit dem klassischen Marzipan- oder Nougatkonfekt gemein haben. Jede Praline ist ein handgearbeitetes, individuelles Kunststück, hergestellt in selbst entworfenen Gussformen, bemalt oder besprüht mit Pflanzenfarben und Goldstaub, gefüllt mal mit sizilianischer Zitrone, Roter Bete oder Johannisbeere. Zu kaufen gab es sie bisher nur bei ausgewählten Händlern wie etwa dem KaDeWe, seit November jedoch auch in der Grolmannstraße in Charlottenburg.

Denn Kegelmann, die offensichtlich mehr Energie als der Durchschnittsbürger hat, hat nun auch ein Restaurant eröffnet. Entstanden aus der Idee, tagsüber zwischen 10-16 Uhr einen Pralinenverkauf mit Café zu schaffen und abends einen Ort, an dem man einzelne Speisen oder auch ein Sechs-Gänge-Menü aus regionalen Zutaten genießen kann.

Brutalistisch: Pralinen, gefüllt mit Hagebuttenmus und grünem Wacholderöl.
Brutalistisch: Pralinen, gefüllt mit Hagebuttenmus und grünem Wacholderöl.Pujan Shakupa

Sinnigerweise hat sie es ebenfalls Pars genannt. Es ist jedoch kein Süß- oder Dessert-Restaurant wie das Coda, vielmehr geht es ihr wie bei ihren Pralinen darum, das Wesentliche im Geschmack der jeweiligen Zutaten genau herauszuarbeiten. Sie selbst übernimmt im Pars die Rolle der Gastgeberin. Um sich herum hat sie ein Frauenteam geschaffen. Die Küchenchefin heißt Alina Jakobsmeier, ist ebenfalls gelernte Konditormeisterin, und die Sommelière ist Sophie Skowronek. Zusammen haben sie das ehemalige Café Savigny dafür umgebaut.

Das Ladenrestaurant ist sehr schlicht gehalten. Im hinteren, intimeren Raum stehen einzelne hellgrüne Tische. Hier parkt abends auch der Kinderwagen mit dem Baby von Kristiane Kegelmann, die fast zeitgleich mit ihrem Restaurantprojekt Mutter geworden ist. Das Kind schläft, sie selbst guckt hin und wieder danach, scheint jedoch maximal entspannt und kümmert sich sehr konzentriert um ihre Gäste. Bewundernswert.

Ich habe im vorderen, schlichten Raum Platz genommen, in dem alles weiß erstrahlt und nur eine lange Tafel entlang der Küche steht. An dieser sitzt man und wird gefühlt Teil der Kochprozesse und ihrer Geräusche. Das Küchenteam tauscht untereinander leise Anweisungen aus. Ich beobachte präzise Handbewegungen mit minimalen Sounds. Einmal piept der Timer des Ofens, einmal wird es etwas lauter wegen eines Pacojets. Ansonsten konzentriere ich mich hier aufs Essen, das Achtsamkeit verdient, weil es mit der gleichen Präzision und Hingabe wie die Pralinen gemacht ist. Dienstag bis Samstag gibt es ab 19.30 Uhr ein wechselndes Sechs-Gänge-Menü, davor kann man Kleinigkeiten à la carte essen.

Kristiane Kegelmann
Kristiane KegelmannPujan Shakupa

Ich habe das Menü gewählt. Es beginnt um diese Jahreszeit mit einer dicken Scheibe hellen Sauerteigbrots von Domberger, dazu wird aufgeschlagene Rohmilchbutter und ein herrliches Griebenschmalz mit karamellisierten Zwiebeln serviert. Kurz darauf stellt Kegelmann noch ein Tellerchen mit Grünkohl dazu: zart, jung und vollkommen roh belassen, mit winzigen Brunoise aus süßlicher Bete und Apfel und einem kräftigen Abrieb aus frischem Meerrettich dekoriert. Dieser Fingerfood-Snack klärt erst einmal die Nase, bevor es mit einem schmelzigen, aromenstarken Pilzfond weitergeht.

Darin – so zart wie drei Blüten - mit karamellisierten Schalotten gefüllte Ravioli. Fenchelsaatöl rundet dieses pur auf den Punkt gebrachte Geschmackserlebnis ab. Dann geht es weiter mit einem abgeflämmten Forellenfilet, das mit einem schön bitteren, schwarzen Winterrettich kombiniert ist. Auch hier fehlt Flüssiges nicht: Ein klarer Fischfond mit Senfsaat und -öl wird am Tisch aufgegossen.

Buchweizen, wie ein Risotto im Parmesansud gegart, überzeugt mich als nächster Gang. Toll auch der roh geraspelte Rosenkohl als knackiger Salat obenauf sowie ein saures Weißweinschäumchen, das alles umspielt. Ich bewundere nichts mehr als neue Ideen, die geschmacklich aufgehen.

Auch der Gang Schwein-Chicorée-Pflaume ist alles andere als gewöhnlich: Optisch ist das mit Wurzelgemüse und im Eigenfett konfierte Schulter- und Schenkelfleisch wie eine Praline präsentiert. Dazu bilden kurz gegrillter Chicorée und eine säuerlich-zimtige Pflaumensauce die Kontraste. Dann, kurz vor dem eigentlichen Dessert, einem herrlichen Schokoladensorbet auf dicker Rohmilchsahne, wird eine Pars Praline serviert. Sie erinnert mich an eine Miniatur der Elbphilharmonie: Ihre Hülle changiert von türkisblau über gold und tiefgrau, je nach Licht, innen wartet einen rostrotes Hagebuttenpüree, das zusammen mit goldenem Wacholderöl ausläuft. Im Pars fließen Handwerk und Kunst zusammen – in den Pralinen sowie im Menü.


Pars Restaurant. Grolmanstraße 53, 10623 Berlin, Café und Shop – Di-Sa 10-16 Uhr, Restaurant Di–Sa 18–23 Uhr. Tel: 030 491786, parspralinen.com

Kleinere Gerichte à la carte 6-13,50 Euro, Desserts 7-8 Euro, Praline pro Stück 7 Euro, Sechs-Gänge-Menü inklusive Praline 95 Euro, Weinbegleitung 70 Euro