Liebe Leser, erinnern Sie sich vielleicht noch an mein Interview mit der französischen Botschafterin Anne-Marie Descôtes vom 5. März 2022? Das Interview war am Donnerstag vor dem Erscheinen der Wochenendausgabe entstanden: Auf den Straßen lag zu diesem Zeitpunkt noch Splitt vom vergangenen Winter, es war grau, und die allgemeine Stimmung war aufgrund des Ausbruchs des Ukraine-Krieges gedrückt. Begleitet wurde ich an dem Tag vom Fotografen Salvatore Di Gregorio, der, wie ich finde, trotz der knappen Zeit in der französischen Botschaft sehr schöne Bilder von der Botschafterin gemacht hat.
Es muss nicht immer Schnitzel sein
Die Botschafterin appellierte im Interview an den europäischen Zusammenhalt und zeigte sich äußerst besorgt über die Entwicklungen in der Ukraine. Kollege zu Dohna fragte mich vor dem Termin, ob ich nicht die Frage stellen könne, ob das französische Festhalten an der Atomkraft und das deutsche Unverständnis dafür vielleicht mit der Vorliebe für Foie Gras vergleichbar sei.
Eigentlich eine gar nicht so schlechte Idee. Aufgrund der Ernsthaftigkeit der sicherheitspolitischen Lage in Europa verwarf ich diesen Vorschlag allerdings. Nach dem Interview gingen der Fotograf und ich noch ein Stück zusammen in dieselbe Richtung und kamen dabei auch an einem bei Touristen beliebten Frühstückslokal Unter den Linden vorbei, das auf meine durchaus wohlwollende Besprechung in der Vergangenheit bestürzend humorlos reagiert hatte, zornige E-Mails an den Chefredakteur inklusive. Letztere natürlich nur, weil dem Geschäftsführer des Restaurants meine eigene E-Mail-Adresse nicht bekannt war – ein Hang zum Autoritären würde ich wirklich niemandem unterstellen.
Von Italienern empfohlen: Das Partenope in Friedrichshain
Restaurantkritik ist nämlich völlig legitim, wer sein nicht vorhandenes Abonnement der Berliner Zeitung über eine aus seiner Sicht missglückte Restaurantkritik kündigen will, darf das tun. Ich mag dieses Lokal aber niemandem madig reden, schon alleine, weil der Martini und das Clubsandwich wirklich gut sind. Honi soit qui mal y pense.
An diesem Tag war mir jedoch mehr nach Pizza, deshalb fragte ich Salvatore, ob er mir eine gute Pizzeria empfehlen könne, er komme ja schließlich aus Italien. Und dass sich Italiener oft leidenschaftlich mit Essen auseinandersetzen, ist zwar ein überstrapaziertes Klischee, der Sache nach aber nicht ganz falsch.
Tatsächlich hatte er auch so gleich einen heißen Tipp: Das Partenope #081 in der Gärtnerstraße in Friedrichshain. Zwar wimmelt es in dieser Gegend um den Boxhagener Platz vor schlechten Italienern, aber Partenope sei ob der Pizza wirklich zu empfehlen. Leider erforderte die Transkription des Interviews dann doch noch meine volle Aufmerksamkeit an diesem Tag, so dass ich erst am drauffolgenden Sonntag dazu kam, das Restaurant aufzusuchen (ich war natürlich auch in meiner Freizeit gerne für Sie im Einsatz – gar kein Problem!). Das Partenope liegt in einer kleinen Seitenstraße, draußen sind ein paar Tische aufgebaut, spätestens ab 13 Uhr scheint hier meist die Sonne.
Ragù Genovese: Zwölf Stunden gekochtes Glück
Achten Sie mal darauf, wie der Stand der Sonne und die Belegung der Außengastronomie korrelieren: Sobald eine Häuserwand unglückliche Schatten wirft, ist so manches bis eben noch voll belegte Café wie ausgestorben.
Die Qualität spielt eine untergeordnete Rolle, wie auf dem Berliner Mietmarkt: Die Lage ist alles. Ich nehme auf einem der sonnenverwöhnten Tische draußen Platz und bin bereit, mir eine Pizza und ein kaltes Birra Moretti zu bestellen. Die freundliche Kellnerin offenbart mir jedoch: Im Partenope ist leider der Pizza-Ofen ausgefallen!
Nun gut, jetzt heißt es improvisieren: Ich bestelle also die frittierten Pizzastreifen (Angioletti fritti), die zusammen mit Tomatensauce und Stracciatella di bufala (nicht zu verwechseln mit dem Stracciatella-Eis) serviert werden. Sehr fettig, sehr lecker!
Als Hauptgericht wähle ich das Ragù Genovese (Pasta mit Ragout aus weißen Zwiebeln mit Schweine- und Rindfleisch und Pecorino, laut Speisekarte zwölf Stunden lang gekocht). Ein angenehm unkompliziertes Gericht, das sich weit abhebt vom Pasta-Einheitsbrei, der nur ein paar Straßen weiter serviert wird. Die Zwiebeln und das Fleisch harmonieren wunderbar miteinander. Eigentlich hatte ich mich auf die Pizza gefreut, geblieben bin ich aber wegen der Pasta.
Auch das Dessert hebt die Laune, allerdings nur geringfügig den Pegel, denn im Partenope geht man mit dem namensgebenden Rum beim Baba au Rhum eher sparsam um. Eigentlich genau richtig, denn die Creme dieser ohnehin mächtigen Süßspeise schließt den Magen auch ganz ohne weiteres Zutun. Der Gastraum des Restaurants ist – für Friedrichshain nicht untypisch – eher spartanisch eingerichtet; für den großen Berlin-Besuch der Verwandtschaft, die man zu beeindrucken trachtet, ist es vielleicht nicht der richtige Ort. Lassen Sie sich davon jedoch nicht beirren: Die Küche im Partenope ist über jeden Zweifel erhaben.
Bewertung: 4 von 5 Punkten

