Hochsommerzeit ist Beeren- und Steinfrüchtezeit. Jetzt ist es also wieder soweit, wenn man mit offenen Augen durch die Natur geht, dann sieht man sie: wilde Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Kirschen, Zwetschgen, Pflaumen, Mirabellen, Renekloden und mit etwas Glück sogar Aprikosen. Um diese Jahreszeit ist das Angebot vollreifer saftiger Früchte besonders hoch.
Die Marktstände biegen sich vor sonnengereiften Früchten. Auch in den Schrebergärten unserer Hauptstadt wird fleißig geerntet, und so mancher Glückspilz bekommt von Freunden, Verwandten oder dem Lieferanten einer der beliebten Bio-Kisten jetzt volle Körbe aus den Gärten Brandenburgs und Berlins geschenkt oder geliefert.
Bis vor ein paar Jahren konnte es uns Deutschen ja nicht convenient genug zugehen. Marmeladen, Kompott und Gemüse wurden gerne in der Dose oder im Glas gekauft. Meist kam das Zeug dann aus industriellen Großbetrieben. Das riesige Angebot vor allem von Obst wurde immer weniger genutzt. Fahren Sie dieser Tage mal durch Brandenburg oder Sachsen-Anhalt.

Lebensmittelverschwendung: Das Obst fault am Baum
Sie werden staunen, wie ungepflegt viele Streuobstwiesen sind. Oft wurden die Bäume jahrelang nicht nachgeschnitten. Sie tragen nicht nur wenig Früchte, sondern sterben auch früher. Und auch an den Landstraßen zeigt sich dasselbe Bild: Viele Bäume werden gar nicht mehr abgeerntet. Im ländlichen Raum fressen oft nur Insekten und Vögel die herrlichen Zwetschgen, oder das Obst verfault einfach auf dem Boden. Ganze Alleen wunderbarer alter Apfelsorten, wie beispielsweise Glockenäpfel, bleiben so ungenutzt.
Was für eine Verschwendung – und das in heutigen Zeiten von Klimawandel, Inflation und Energiekrise. Achtloser Food Waste ist das Schlagwort. Wobei es dabei meist um Überproduktion und sinnlos entsorgte Essensreste geht. Ungenutzte Kapazitäten – wie unsere Obstbäume und Sträucher – werden nur selten oder teilweise gar nicht darunter berücksichtigt. Dabei ist das ganze mindestens genauso schlimm. Also: Schluss damit!
Wenn ich mit meinem Auto so am Wochenende durch die Landschaft der Börde fahre, komme ich immer mit großen Körben voller toller Sachen zurück. Im Juni etwa, nach der offiziellen Spargelzeit, breche ich mir die grünen durch die Hügel gewachsenen Spargelstangen ab. Gestern habe ich wie jedes Jahr die ersten Ananasrenetten in Hörsingen am Feld gepflückt. Einfach so. Und Brombeeren sammele ich jetzt sowieso in rauen Mengen. Schließlich wuchern die Sträucher schlimmer als Unkraut.

Was in der Natur wild wächst, ist Gemeingut
Ob das erlaubt ist? Ich sehe es jedenfalls so: Was in der Natur wild wächst, ist Gemeingut, Sie dürfen sich also daran bedienen. Aber passen Sie auf, denn schnell kann es kriminell werden, informieren sie sich also vorab, was erlaubt und was verboten ist. Und wem das Land, auf dem der Baum steht, gehört. An einer Bundesstraße ist das meist unproblematisch. Die Bürokratie hat, denke ich, andere Probleme, als sich um Sie zu kümmern.
Wir wollen jedenfalls nicht offiziell zum Mundraub aufrufen, wobei wir der ganzen Thematik durchaus etwas Humorvolles abgewinnen können. Denn für den urbanen Großstädter sind heute natürliche Lebensmittel manchmal wichtiger als für den Landbewohner. Beim Metzger in Erxleben in Sachsen-Anhalt gibt es jedenfalls weder Rindfleisch noch sonst biodynamisches und regionales Fleisch. Einzige Produkte: Die Fleisch- und Wurstwaren von Großkonzernen wie Tönnies oder Westfleisch.
In einem artfremden Umfeld macht also der räubernde Städter dem Landvolk sein fauliges Obst streitig. Mit dem 9-Euro-Ticket ist so ein Raubzug in diesem Sommer sogar fast umsonst. Die Bäuerin mit der Kittelschürze wird Sie argwöhnisch aus ihrem Vorgarten beäugen. Und ist doch machtlos. Das hat etwas von Louis de Funès, der seine Kohlköpfe vor Außerirdischen beschützt. Im Film gibt’s ein Happy End. Denn am Ende essen beide einträchtig Kohlsuppe.

Mundraub.org: Hier sehen Sie Obstbäume in Ihrer Nähe
Und übrigens gibt es auch in Berlin Obst, Gemüse und sogar Wildkräuter zu sammeln und zu rauben. Und zwar nicht nur in den Parks, Wäldern und Feldern, sondern mitten in der Stadt. Im Internet gibt es sogar eine Karte von Deutschland, die anzeigt, wo es was zu stibitzen gibt. Auf Mundraub.org kann jeder Schätze finden und eigene Fundorte eintragen.
Wie dem auch sei, der Winter rollt auf uns zu und wir stehen wohl kurz davor, eine heftige Rezession zu erleben. Wie es aussieht, wird der Winter auch ziemlich kalt werden, da müssen wir dieses Jahr besonders vorsorgen. Auch wegen der Gasknappheit.
Opfern Sie also jetzt etwas Ihrer Freizeit und wecken Sie einige der vollreifen Früchte frühzeitig für die harten Zeiten ein. Ganz so wie Sie es von Ihrer Oma kennen, die immer alles eingekocht und im kleinen Holzregal im Keller verstaut hat. Das ist ganz einfach, Sie finden zahlreiche Rezepte auf YouTube. Hier zwei einfache Rezepte von mir, als Inspiration. Und eine Sache noch: Marmeladen und Kompott können Sie natürlich auch jetzt im Sommer essen. Ich habe zum Beispiel mein Pflaumenkompott, das ich vergangene Woche eingekocht habe, schon aufgegessen.

Aprikosen mit Thymiansud
Zutaten: 1 kg Aprikosen, 1 Bund Thymian, 1 Zitrone, 150 g Zucker, ½ Liter Aprikosensaft, Weckgläser oder alte Marmeladengläser (je nach Größe 4–8 Stück)
Zubereitung: Die Gläser (inklusive Deckel und ggf. Gummis) kochen wir anfänglich ab, sie müssen ordentlich gereinigt werden, damit die Füllung darin nicht schlecht wird. Alle Zutaten werden ordentlich gewaschen, die Zitrone wird einmal mit heißem Wasser übergossen, um die Bitterstoffe etwas zu neutralisieren.
Entkernen Sie dann die Aprikosen und geben Sie die Aprikosenhälften (oder Viertel) in die Weckgläser.
Dann kochen wir den Sud: In einem Topf machen wir ein Karamell aus Zucker, löschen mit dem Aprikosensaft ab. Alles ordentlich aufkochen und dann Zitronenabrieb und -saft und die Thymianstängel rein. Der Sud sollte dann mindestens 20 Minuten ziehen, aber nicht kochen. Er muss aber heiß bleiben (Temperaturmanagent!).
Nach 20 Minuten sieben wir den Sud und geben ihn dann heiß in die Weckgläser auf die Aprikosen. Bis ganz zum Rand auffüllen. Die Gläser verschließen und fertig. Durch die Hitze bildet sich von selbst ein Vakuum. Sie können die Gläser anschließend noch in einem großen Topf mit Wasser abkochen, das ist quasi ein Pasteurisationsprozess. So bleibt alles gut sechs Monate haltbar.

Tipp: Sie können natürlich auch andere Früchte nehmen. Renekloden, Äpfel und anderes Obst. Seien Sie kreativ! Es lohnt sich. Wie wäre es denn zu Weihnachten mit Palatschinken mit eingemachten Aprikosen aus dem August? Ein wunderbares Dessert!

Zwetschgenkompott mit Brandy und Vanille
Zutaten: 1 kg Zwetschgen, 100 ml Brandy oder Cognac oder Bourbon, 50 ml Wasser, 1 Vanilleschote, 150 g Zucker, Weckgläser oder alte Marmeladengläser (je nach Größe 4–8 Stück)
Zubereitung: Der Prozess ist dem obigen sehr ähnlich, nur wollen wir dieses Mal ein Kompott kochen. Sie werden schon sehen und verstehen. Waschen Sie also die Zwetschgen und entkernen Sie sie. Dann einen Teil vierteln und einen Teil halbieren. So hat man später immer wieder ein paar größere Fruchtstücke im Kompott und das lieben wir Erwachsenen doch alle. Für die Kinder kann es natürlich nicht passiert genug sein.

Wir geben also den Brandy und das Wasser in einen großen Topf, kochen alles auf, dann kommen die Zwetschgen dazu. Der Dampf der Flüssigkeit hilft dabei, den Kochprozess zu starten, die Früchte beginnen, ob des Dampfes zu zerfallen. Wir geben dann den Zucker dazu und köcheln das ganze gut 15 bis 20 Minuten. In den letzten zwei bis drei Minuten erst geben wir Vanille dazu. Sie sollte nicht zu lange kochen, denn die Hitze schadet dem Aroma.

Die ausgekratzte Schote schneide ich in kleine Stücke und geben dann später beim Umfüllen jeweils ein Stück davon mit in ein Weckglas. So kann sich das Aroma dort weiter ausbreiten. Das heiße Kompott wird dann in die Weckgläser abgefüllt. Diese hinterher wieder abkochen, dann halten sie länger und sind geschützt vor Schimmel oder Bakterien. Gar nicht so schwer alles, oder?
Haben Sie Fragen zu unseren Rezepten? Ideen und Wünsche für Geschichten oder einen Restauranttipp für uns? Dann Schreiben Sie unserem Food-Chef Jesko zu Dohna auf Instagram oder per E-Mail: briefe@berliner-zeitung.de





