Große Pläne für die Besiedelung des Mondes

Die TU Berlin will zum Mond fliegen: Tests für „Moon Village“ aus Mondstaub

Gemeinsam mit Laser-Zentrum Hannover wollen Forscher testen, ob man aus Mondstaub Landeplätze, Straßen und Gebäude für eine Mondstation errichten kann.

So stellt sich der Grafiker die künftige Mission der TU Berlin vor. Der Laser soll mit einem Landeapparat auf dem Mond landen und dort vor Ort Mondgestein aufschmelzen. Eine Kamera soll Bilder auf die Erde senden, die mithilfe Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden.
So stellt sich der Grafiker die künftige Mission der TU Berlin vor. Der Laser soll mit einem Landeapparat auf dem Mond landen und dort vor Ort Mondgestein aufschmelzen. Eine Kamera soll Bilder auf die Erde senden, die mithilfe Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden.LZH

Berlin/Hannover-Was will der Mensch eigentlich auf dem Mond? Das fragt sich mancher, wenn er die großen irdischen Probleme betrachtet. Doch im Grunde ist es auch beruhigend, dass es weiter Forscher gibt, die von der Neugier getrieben werden: das Universum immer weiter zu erkunden und neue Raumfahrt-Missionen vorzubereiten – auch, um möglicherweise Lösungsansätze für irdische Probleme zu finden.

Für solche Pläne eignet sich der Mond sehr gut – als mögliche Forschungsstation und „Sprungbrett“ für Raumschiffe. Verschiedene Weltraumorganisationen denken seit einiger Zeit darüber nach, auf dem Mond eine feste Basis zu installieren, in der auch Menschen wohnen können. In diesem Zusammenhang plant die Technische Universität (TU) Berlin gemeinsam mit dem Laser-Zentrum Hannover (LZH) einen Flug zum Mond. Forscher wollen testen, auf welche Weise man Landeplätze, Straßen und Gebäude auf dem Erdtrabanten bauen könnte.

Materialtransport für Mondstation würde eine Million Dollar pro Kilo kosten

„Mit Kosten von bis zu einer Million Dollar pro Kilogramm wäre ein vollständiger Transport des Materials von der Erde auf den Mond extrem kostspielig“, sagt Jörg Neumann, Leiter des Projekts „Moonrise“ am LZH. Deshalb soll versucht werden, die Bauten vor Ort zu errichten, und zwar aus Mondstaub, auch Regolith genannt. Dabei handelt es sich um eine bis zu fünfzehn Meter dicke Schicht aus pulverisiertem Mondgestein mit ganz besonderen Eigenschaften.

Der neu entwickelte Laser am Roboterarm eines Mond-Rovers
Der neu entwickelte Laser am Roboterarm eines Mond-RoversLZH

Die Wissenschaftler wollen ein Lasersystem zum Mond bringen, das den Mondstaub schmilzt. Künstliche Intelligenz (KI) soll diesen Prozess unterstützen. Mit Experimenten auf dem Mond sollen Grundlagen gelegt werden für eine mögliche 3D-Laserdruck-Technologie, mit der man irgendwann einmal Teile für die künftige Infrastruktur auf dem Mond „drucken“ kann.

Die Verarbeitung vor Ort vorhandener Materialien werde in der Raumfahrt auch In-Situ Resource Utilization (ISRU) genannt, teilt die TU Berlin mit. Sie könnte „ein entscheidender Faktor sein, die Exploration des Mondes und des Weltraums voranzubringen“. Erste Grundlagen dafür seien bereits gelegt. Denn in einem von der Volkswagen-Stiftung geförderten Vorgängerprojekt hätten Forscher bereits einen „kompakten, robusten Laser“ entwickelt und im Labor erfolgreich am Roboterarm eines Mond-Rovers getestet.

Lasertest unter Mondbedingungen – aber auf der Erde

Den Wissenschaftlern sei es gelungen, im Experiment echten Mondstaub unter Bedingungen der Mondgravitation aufzuschmelzen, so die TU. Dies passierte im Einstein-Elevator eines Instituts der Leibniz-Universität Hannover. Der Mond besitzt nur ein Sechstel der Anziehungskraft, die auf der Erde herrscht. Wer auf der Erde 60 Kilogramm wiegt, würde also auf dem Mond gerade mal zehn Kilo wiegen. Dies hat zum Beispiel auch Auswirkungen auf den Mondstaub, weil sich aufgewirbelte Partikel langsamer wieder zurück auf die Oberfläche senken.

So etwas muss für künftige Technologien mitbedacht werden. Im Einstein-Elevator – einem mehr als 20 Meter hohen Fallturm in Hannover, der Experimente in Schwerelosigkeit und im Vakuum möglich macht – ist es dem Bericht zufolge gelungen, Regolith unter Bedingungen der Mondgravitation zu zusammenhängenden Strukturen aufzuschmelzen. Der Laserkopf wurde dabei über den Roboterarm eines Rovers angesteuert, ähnlich, wie er in Zukunft auf dem Mond eingesetzt werden könnte.

Dem Forscherteam ist es bereits gelungen, Mondstaub mit dem Laser zu zusammenhängenden Strukturen aufzuschmelzen.
Dem Forscherteam ist es bereits gelungen, Mondstaub mit dem Laser zu zusammenhängenden Strukturen aufzuschmelzen.LZH

Der Laserkopf sei etwa so groß „wie eine große Saftpackung“ und halte trotzdem den widrigen Bedingungen im Weltraum stand, sagte ein beteiligter Forscher. Zwar kann man mit den aufgeschmolzenen Mondstaub-„Bahnen“ noch keine größeren Bausteine oder gar eine ganze Mondstation bauen, aber der Anfang ist aus Sicht der Wissenschaftler gemacht.

„Jetzt geht es darum, den Laser fit für den Mondflug zu machen“, erklärt die TU Berlin. Wissenschaftler von LZH und TU gingen nun daran, ein Flugmodell des Lasers zu entwickeln, „das für den Einsatz im Weltraum qualifiziert ist“. Helfen soll bei diesem Einsatz die Künstliche Intelligenz. So soll eine Kamera auf dem Mond Fotos von dem aufgeschmolzenen Mondstaub machen, die dann von Wissenschaftlern auf der Erde mithilfe eines intelligenten Bildverarbeitungssystems ausgewertet werden. Auf diese Weise soll „eine KI-basierte Prozess- und Qualitätskontrolle“ möglich werden.

Ein Baukastensystem aus Mondstaub dient der TU Berlin als Hilfe

Trainiert werden muss diese KI bereits auf der Erde. „An der TU Berlin wird dazu ein Labor entstehen, in dem das Regolith unter Beleuchtungsverhältnissen fotografiert wird, die denen auf dem Mond nachempfunden sind“, erklärt die TU. So werde ein entsprechender Pool an Bildern angelegt, mit denen die KI lernen könne.  „Zudem wurde über die letzten Jahre ein Regolithbaukasten entwickelt, der es ermöglicht, die verschiedenen möglichen Landestellen von den Eigenschaften her präzise nachzustellen.“

Das Baukastensystem dient dazu, mittels irdischer Gesteine die unterschiedlichen Zusammensetzungen des Regoliths an den möglichen Landeplätzen darzustellen. Dies soll dann im TU-Labor geschehen, je nachdem, wo der Landeapparat zum Stehen kommt, sodass „der Laser und die KI auf die reale Mondmission hin ausgerichtet werden können“, wie Benedict Grefen von der Arbeitsgruppe Exploration und Antriebe im Fachgebiet Raumfahrttechnik der TU Berlin erklärt.

Der Flug zum Mond ist für das Jahr 2024 geplant. Details werden nicht genannt. Das Projekt nennt sich „Moonrise-FM“ und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Es wird vom Bundeswirtschaftsministerium mit 4,75 Millionen Euro gefördert. Projektträger ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Der Mondstaub – große Gefahr und Hoffnung zugleich

Die Herausforderungen für ein Leben und Arbeiten auf dem Mond sind sehr groß. Und ein Grund dafür ist der Mondstaub, der nicht nur als Baumaterial genutzt werden soll – sondern mit dem man überhaupt erst einmal umgehen lernen muss. Er haftet an Stiefeln, Handschuhen und allen Stoffen, die mit ihm in Berührung kommen – und zwar offenbar aufgrund elektrostatischer Aufladung durch die Strahlung der Sonne. Diese Erfahrung machten Apollo-Astronauten, die nach ihrer Rückkehr vom Mondspaziergang immer etwas Staub mit in die Kabine brachten. Er sei weich wie Schnee und doch „ruppig“ und rieche wie verbrauchtes Schießpulver, erzählten sie.

Mondregolith besteht aus Silizium, Aluminium, Kalzium, Eisen, Magnesium, Titan und anderen Stoffen. Er ist eher mit Sand als mit Staub vergleichbar. Entstanden ist er über viele Milliarden Jahre durch das ungebremste Bombardement von Brocken aus dem All, die das Krustengestein zertrümmerten und regelrecht pulverisierten. Teilchen des Sonnenwindes – vor allem Wasserstoff, Helium, Neon, Kohlenstoff und Stickstoff – sind im Mondstaub gespeichert. Man spricht von einer Art Archiv des Sonnenwindes.

Die einzelnen Partikel sind nicht von Wasser, Wind und Wetter abgerundet, sondern scharfkantig. Darunter befinden sich auch Glassplitter, die durch große Hitze bei Asteroideneinschlägen entstanden sind. Der Mondstaub zerstört Reißverschlüsse an Raumanzügen, reizt Atemwege und Augen der Astronauten, die vom Außeneinsatz zurückkehren. Er kann in Dichtungen und mechanische Bauteile gelangen, Optiken und Solarzellen schädigen. In einer Studie von 2005 hat die US-Weltraumagentur Nasa den Mondstaub als größte Herausforderung für zukünftige Mondmissionen eingestuft.

Aber der Mondstaub ist auch ein Grund, warum man überlegt, überhaupt auf dem Mond siedeln zu wollen. Wirtschaftliche Hoffnungen richten sich unter anderem auf seltene Rohstoffe wie Iridium und andere Metalle. Mondstaub könnte als Speichermedium dienen. Und Helium-3, ein auf der Erde extrem seltenes Isotop des Edelgases Helium, könnte für Kühlmittel, Messinstrumente und künftige Fusionsreaktoren genutzt werden.

Möglicher Nutzen eines Aufenthalts auf dem Mond

Insofern richten sich die Augen verschiedener Nationen auf den Mond. Vor allem die US-Raumfahrtagentur Nasa hat große Pläne, nachdem 2019 erneut der Kurs „Auf zum Mond!“ verkündet worden war. Weil die geringere Anziehungskraft des Mondes und das Fehlen einer Atmosphäre den Treibstoffbedarf für Raketen drastisch senken, könnte der Erdtrabant zum Beispiel als Plattform für bemannte Missionen zum Mars dienen.

Die Nasa plant im Rahmen ihres Artemis-Programms eine Raumstation in der Umlaufbahn des Mondes, getragen von einer internationalen Kooperation. Irgendwann soll dann eine Mondstation – das sogenannte Artemis Base Camp – entstehen, und zwar voraussichtlich in der Nähe des Shackleton-Kraters am Südpol des Mondes. Auf dem hoch herausragenden Kraterrand gebe es stets genügend Sonnenlicht, sodass Solarmodule zu jeder Zeit genügend Strom produzieren könnten, heißt es. Außerdem wird im vier Kilometer tiefen Krater Wasser vermutet, und zwar in Form von Eis.

So könnte das Artemis Base Camp der Nasa einmal aussehen.
So könnte das Artemis Base Camp der Nasa einmal aussehen.Nasa

Aber auch andere Organisationen wollen auf dem Mond mit dabei sein. So landete Anfang 2019 erstmalig eine Raumsonde auf der Rückseite des Mondes: die chinesische Sonde „Chang’e 4“ mit einem Roboterfahrzeug. Weitere Pläne sehen bisher unter anderem vor, dass etwa in den 2030er-Jahren eine russisch-chinesische Forschungsstation auf dem Mond entstehen soll, an der sich möglicherweise auch weitere Partner beteiligen könnten. Was daraus angesichts der aktuellen Vorgänge auf der Erde wird, weiß niemand.

Gerade die Rückseite des Mondes interessiert Astronomen. Hier könnten besonders leistungsstarke Teleskope für die weitere Erforschung des Weltalls errichtet werden, weil die Bedingungen für Beobachtungen sehr gut sind. Aber nicht, weil die Rückseite „stets dunkel“ ist, wie es jüngst in einer Darstellung hieß – was wahrscheinlich von Pink Floyds „The Dark Side of the Moon“ herrührte.

Nein, alle Seiten des Mondes werden im Laufe eines Monats von der Sonne beschienen. Die Rückseite blieb zwar für die Menschen lange „dunkel“, weil diese stets nur eine Seite sehen können – wegen der gebundenen Rotation. Aber wenn zum Beispiel Neumond ist, steht der Mond zwischen Erde und Sonne und wird „von hinten“ beschienen.

Der Mond wird in Köln simuliert

Das Entscheidende ist, dass die Mondrückseite nicht durch störende Strahlung von der Erde beeinflusst wird –von Radaranlagen, Wlan, Handys und Satelliten. Zugleich fehlt auf dem Mond die Atmosphäre (Ionosphäre), die auf der Erde vor allem Radiowellen niedrigerer Frequenzen „verschluckt“. So könnte man mit einem Radioteleskop auf der Rückseite des Mondes astronomische Messungen durchführen, die auf der Erde gar nicht möglich sind – zum Beispiel das Universum erforschen, wie es 300.000 Jahre nach dem Urknall aussah.

Bereits vor Jahren überlegten die Europäer, ein großes Langwellen-Radioteleskop auf der Mondrückseite zu bauen, als ersten Schritt zu einer bemannten europäischen Mondstation. Auch Jan Wörner, bis Februar 2021 Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation (Esa), warb schon 2016 für ein „Moon Village“,  das allen interessierten Nationen offenstehen soll. Bisher ist in diese Richtung nicht viel passiert. Die Europäer beteiligen sich vor allem am aktuellen Nasa-Mond-Programm – mit der Lieferung von Ausrüstung und Technologie und möglicherweise mit eigenen Astronauten.

Mondlandschaft im Innern der geplanten Kölner Luna-Halle
Mondlandschaft im Innern der geplanten Kölner Luna-HalleDLR/ESA/F. Rometsch/CC-BY

Allerdings soll am Europäischen Astronautenzentrum in Köln eine Mond-Trainingsanlage entstehen, um Astronauten auf längere Mondaufenthalte vorzubereiten. Der Förderbescheid des Landes Nordrhein-Westfalen kam im März 2022. Die Anlage heißt Luna und ist ein Gemeinschaftsprojekt von Esa und DLR. Geplant sind unter anderem die Nachbildung der Mondoberfläche in einer großen Halle, ein Mondstaubsimulator, Tag- und Nacht-Simulationen, Testmöglichkeiten für Technologien sowie ein Wohnmodul, genannt Future Lunar Exploration Habitat, kurz: FlexHab.

Der Mondstaub für die Anlage stammt übrigens aus Deutschland. Es ist ein Regolith-Ersatz aus Vulkanpulver, das 45 Millionen Jahre alt ist und von Vulkaneruptionen aus der nahe gelegenen Eifel stammt. Mit diesem soll in Köln die Mondoberfläche nachgebildet werden.

Es wird wohl noch sehr lange dauern, bis auf dem Mond Behausungen aus echtem Mondstaub hergestellt werden – vielleicht sogar in einer internationalen Kooperation, wie sie Jan Wörner 2016 vorschwebte. Zurzeit besteht eher die Gefahr, dass der Mond eine Art Spiegelbild der Erde wird: mit dem Gegeneinander oder sogar der Feindschaft konkurrierender Nationen.