Mars-Kolonisation

Wohnen bald die ersten Menschen auf dem Mars?

Stephen Hawking sagte einst, die Menschheit müsse sich eine neue Heimat suchen, denn die Erde sei in Gefahr. Wie weit sind die Pläne zur Besiedlung des Mars?

Mars City hat Elon Musk in Präsentationen die erste menschliche Kolonie auf dem Mars genannt. Hier eine Simulation seines Unternehmens SpaceX.
Mars City hat Elon Musk in Präsentationen die erste menschliche Kolonie auf dem Mars genannt. Hier eine Simulation seines Unternehmens SpaceX.SpaceX

Berlin-Die US-Raumfahrtagentur Nasa füttert die Menschheit mit Nachrichten vom Mars. Nahezu wöchentlich kann man eine neue lesen. Neben der Erforschung des Roten Planeten geht es auch darum, irgendwann einmal Menschen auf dem Mars anzusiedeln. „Mars is calling!“, twitterte die Raumfahrtbehörde kürzlich und rief Freiwillige auf, ein Jahr lang an einer simulierten Mars-Mission teilzunehmen. Und zwar in einer künstlichen Marslandschaft in Houston, Texas.

Zwei Arten von Nachrichten halten das Interesse am Mars wach. Die einen appellieren an den Abenteurer- und Entdeckergeist. Sie zeigen, dass es durchaus möglich sein könnte, auf dem Mars zu leben. Denn hier seien ja sogar große Mengen an Wassereis an den Polen zu finden, wie es vor einiger Zeit hieß. Die andere Art von Nachrichten könnte man unter dem Motto zusammenfassen: Die Menschheit muss dringend weg von der Erde!

Gerade erst wurde eine Botschaft verbreitet, die der 2018 gestorbene britische Astrophysiker Stephen Hawking hinterlassen hat. Er warnte die Menschheit davor, dass sich die Erde in weniger als 600 Jahren in einen brodelnden Feuerball verwandeln werde. Warum? Weil mit der steigenden Bevölkerungszahl auch die Ausbeutung der Erde, energiebedingte Emissionen und die Erderwärmung zunähmen. Die Menschheit sollte „kühn dorthin gehen, wo noch niemand zuvor gewesen ist“.

Hawking schlug vor, den Mars zu besiedeln oder sich sogar dem gut vier Lichtjahre entfernten Sternsystem Alpha Centauri zuzuwenden, wo es möglicherweise einen lebensfreundlichen Planeten (Proxima Centauri b) gibt. Die Reise dorthin würde „mit in absehbarer Zeit verfügbarer Technik 6300 Jahre“ dauern, schrieb der Spiegel. Mit der gegenwärtigen Technik wären es noch Zehntausende von Jahren. Und niemand weiß, was man dann dort wirklich vorfindet.

Aber der Mars! Zu dem würde es natürlich schneller gehen. Die US-Raumfahrtagentur plant für die 2030er-Jahre eine bemannte Mars-Umrundung, aber noch ohne Landung. Auch Russland und China arbeiten an künftigen Mars-Missionen. Außerdem engagieren sich sehr stark US-Milliardäre wie Jeff Bezos und Elon Musk.

Treibstoff für Raumschiffe soll auf dem Mars produziert werden

Elon Musk treibt als Tesla-Chef nicht nur den Bau riesiger Fabriken für irdische E-Autos voran, unter anderem im brandenburgischen Grünheide. Sondern er will mit seinem 2002 gegründeten privaten Weltraumunternehmen SpaceX auch Spitzenreiter bei bemannten Flügen zum Mars sein. Dafür arbeitet seine Firma unter anderem am „Starship“, einem Mega-Raumschiff, das Fracht und Menschen zum Mars transportieren soll. Elon Musk will dazu beitragen, die Menschheit „multiplanetar“ zu machen. 

Schon in wenigen Jahren – bis 2026 – sollen die ersten Menschen zum Mars fliegen. Irgendwann sollen dann einmal täglich drei „Starships“ ins All starten, um am Ende Hunderttausende Menschen auf den Mars zu bringen. Das Neue dabei ist die Orientierung auf ein vollständig wiederverwendbares Transportsystem. Der Treibstoff, der zur Rückkehr der Raumschiffe zur Erde nötig ist, soll auf dem Mars selbst produziert werden. Die Komponenten dafür – Methan und Sauerstoff – ließen sich auf dem Mars finden beziehungsweise aus Vorhandenem herstellen, heißt es.

So soll das Mars-Raumschiff „Starship“ von SpaceX aussehen, das zurzeit entwickelt wird.
So soll das Mars-Raumschiff „Starship“ von SpaceX aussehen, das zurzeit entwickelt wird.SpaceX/Tech Vision

Nach und nach soll eine Stadt, eine neue Zivilisation auf dem Mars entstehen. Ansätze für neue Technologien, die man vor Ort nutzen kann, gibt es auch. Erst vor wenigen Tagen haben Forscher der University of Manchester im Fachjournal Materials Today Bio eine Studie veröffentlicht, der zufolge man auf dem Mars eine Art Bio-Beton herstellen könnte – und zwar aus Marsstaub, menschlichem Blut und Harnstoff, gewonnen aus Urin, Schweiß und Tränen. Eine sechsköpfige Crew soll innerhalb von zwei Jahren mehr als 500 Kilogramm von diesem Baustoff namens Astrocrete herstellen können.

Könnte die Menschheit also schon in den nächsten Jahrzehnten mit dem Umzug auf den Mars beginnen? Elon Musk selbst begeistert dieser Gedanke. Von einem „herrlichen Abenteuer“ und einer „unglaublichen Erfahrung“, die auf jeden warteten, sprach er im April 2021, zu sehen und zu hören auf YouTube. Zugleich gab er „ehrlicherweise“ zu, dass „ein Haufen Leute wahrscheinlich am Anfang sterben“ würden.

Die große Vision ist nämlich das eine. Das andere sind die immensen Risiken. Das beginnt schon bei den Kosten. 2018 schätzte ein Nasa-Prüfbericht, dass eine bemannte Mars-Mission 210 Milliarden US-Dollar kosten würde – und das ohne Landung. Die Firma SpaceX will es zwar für einen Bruchteil der Kosten schaffen, und zwar mit einer möglichst umfassenden Wiederverwendung von Raumschiffen und Raketen. Doch teuer würde es wahrscheinlich dennoch werden. Das Geld soll zum großen Teil aus „Starlink“ kommen, einem riesigen Satellitennetzwerk von SpaceX, das künftig weltweiten Internetzugang bieten soll.

Forscher sehen eher die Ausmaße einer Forschungsstation in der Antarktis

Vor fünf Jahren hörte man den Vorschlag von Elon Musk, dass das Ticket für die Reise pro Person zunächst 200.000, später 100.000 Dollar kosten soll, um die Reise „für jeden erschwinglich zu machen“. Spätestens hier stellt sich die Frage: Geht es wirklich um eine Chance für „die Menschheit“, den angeblich immer lebensfeindlicheren Bedingungen auf der Erde zu entfliehen, wie es auch Stephen Hawking vorschwebte?

Musk sagte, dass „jeder, der will“, mitfliegen sollte, und dass es Kredite geben müsse, die man auf dem Mars abarbeiten könne, denn dort werde es genug Arbeit geben. Aber gemessen an der Größe der Menschheit wird es auch im günstigsten Fall nur eine sehr kleine Gruppe sein. „Die Unterkünfte werden wohl eher einer Forschungsstation in der Antarktis gleichen“, sagte der Scott Hubbard, ehemaliger Nasa-Forscher und Stanford-Professor, im April 2021 der „Tageschau“. Die Visionen Musks nannte er „ein sehr, sehr schwieriges Unterfangen“.

Das beginnt bei der etwa halbjährigen Reise, die große Risiken aufweist. Der Flug selbst birgt unzählige Gefahren, etwa durch Mikrometeoriten oder den Ausfall von Technik. Die Astronauten müssen vor Strahlung geschützt werden. Auch auf dem Mars selbst ist die Strahlenbelastung ein riesiges Problem. Sie ist mindestens 17-mal höher als auf der Erde, bei Sonnenstürmen sogar 50-mal. Wie jüngst ein Experiment der niederländischen Universität von Wageningen ergab, funktionieren zum Beispiel Gewächshäuser auf dem Mars eher nicht – anders, als man es etwa 2015 in dem Spielfilm „Der Marsianer“ mit Matt Damon sehen konnte.

Unter im Labor simulierten Marsbedingungen wuchsen Pflanzen wie Roggen und Kresse schlecht. Blätter zeigten Verformungen, Nekrosen und braune Stellen. Die Forscher sehen als möglichen Ausweg, dass man Pflanzen unter speziellen Strahlenschutzhüllen oder unter dem Marsboden anbaut – was die Kosten und den Arbeitsaufwand weiter erhöhen würde.

Nie werde eine große Anzahl von Menschen dauerhaft auf dem Mars leben können, lautet die Einschätzung mancher Wissenschaftler. Bereits die Landung auf dem Mars ist ein großes Risiko, wie auch die verunglückten Raumsonden der Vergangenheit zeigen. Und selbst wenn die Firma von Elon Musk ein erfolgreiches „Taxi zum Mars“ liefern sollte, muss die gesamte Infrastruktur für ein Leben auf dem Mars bereitgestellt werden, mit Lösungen für unzählige Probleme. Zu ihnen zählen die Versorgung mit Atemluft, Wasser, Energie und Nahrung, die Roh- und Baustoffgewinnung und der Transport. Da stellt sich recht schnell die Frage, ob es „sich rechnet“.

Muskelschwund, Erbgut-Schäden und psychische Probleme

Die wichtigste Frage ist allerdings: Was passiert mit den Menschen selbst? Bietet der Mars wirklich einen lebenswerten Ort für sie? Medizinisch stellen sich hier einige Probleme. Denn Millionen Jahre der Evolution haben den menschlichen Körper an bestimmte Schwerkraft- und Druckwerte angepasst. Auf dem Mars dagegen herrschen nur 38 Prozent der Anziehungskraft der Erde und aufgrund der schwachen Atmosphäre 0,6 Prozent des Erddrucks. Auf der Erde entspräche das dem Druck in einer Höhe von 35 Kilometern.

Bereits die Schwerelosigkeit beim Langzeitflug im Raumschiff wirkt sich aus. Die Folge: Der Mensch erleidet einen rasanten Muskel- und Knochenschwund. Das Stützgewebe leiert aus. Das Herz wird schwächer. Das vaskuläre System – darauf trainiert, gegen die irdische Schwerkraft anzukämpfen – pumpt Blut und Flüssigkeiten in die oberen Körperregionen. Es kommt unter anderem zu Sehschwierigkeiten. Eine Zwillingsstudie hat auch Schäden im Erbgut der Zellen und eine herabgesetzte Immunabwehr belegt.

Weltraummediziner versuchen, Technologien zu entwickeln, um zumindest einige Folgen auszugleichen: mit künstlicher Schwerkraft, Ausdauer- und Krafttraining, Systemen zum Druckausgleich. An die Behausungen auf dem Mars werden hohe Anforderungen gestellt. Sie müssen vor Strahlung schützen, Temperaturschwankungen von bis zu 100 Grad Celsius ausgleichen, ständig die richtige Mischung von Sauerstoff und Druck bereitstellen. Eine große Unbekannte sind auch die psychologischen Belastungen, die im Training auf der Erde oder im erdnahen Weltraum gar nicht simuliert werden können.

Modell eines denkbaren Außenposten auf dem Mars im jüngst eröffneten Zukunftsmuseum Nürnberg, einer Zweigstelle des Deutschen Museums München.
Modell eines denkbaren Außenposten auf dem Mars im jüngst eröffneten Zukunftsmuseum Nürnberg, einer Zweigstelle des Deutschen Museums München.dpa/Daniel Karmann

Und was die potenziellen Baustoffe aus lockerem Marsboden (Regolith) betrifft: Vor einiger Zeit stellten britische Forscher anhand von Versuchen fest, dass der Marsboden giftiger sei als gedacht. Unter dem Einfluss von UV-Strahlung ergebe sich ein lebensfeindlicher Cocktail aus Perchloraten, Eisenoxid und Wasserstoffperoxid. Dieser finde sich auch im Sickerwasser, so die Forscher. Wie sich dieses auf Mikroorganismen tödlich wirkende Gift auf Menschen auswirkt, hat man nicht getestet.

Es gibt auch die Idee des sogenannten Terraforming – bisher vor allem Science-Fiction. Damit ist die Veränderung der auf einem Planeten herrschenden Bedingungen gemeint, sodass sie für menschliches Leben geeignet sind. Wenn Technologien dafür entwickelt werden sollten, stellt sich sofort die Frage: Warum für den Mars und nicht für die Erde? Hier gibt es ja bereits Ansätze für ein sogenanntes Geoengineering. Forscher überlegen, ob man das Klima nicht durch Beeinflussung von Sonneneinstrahlung und Wolken, durch hellere Flächen oder durch Rückgewinnung von CO2 aus der Atmosphäre verändern kann. Doch es zeigt sich, dass globale Wirkungen auf der Erde damit kaum zu erreichen sind.

In absehbarer Zeit wird der Mars wohl bestenfalls ein Ort für Forscher und Abenteurer sein, aber kein Ausweg für die Menschheit, die einer UN-Prognose zufolge bis 2060 auf mehr als zehn Milliarden Menschen angewachsen sein wird. Und deren Probleme werden sich aufgrund von Klimawandel, Wassermangel, Hunger und neuen Krankheiten innerhalb dieses Jahrhunderts ganz akut verschärfen. Es braucht sehr schnell irdische Lösungen dafür.

Eine zweite Erde gibt es für Menschen in absehbarer Zeit nicht

Nirgendwo in von uns in absehbarer Zeit erreichbaren Regionen des Weltalls gibt es so etwas wie die Erde: mit Ozeanen, üppiger Pflanzen- und Tierwelt, für uns atembarer Atmosphäre, auf uns abgestimmten Bedingungen. Es lohnt sich, alle Forschungsmilliarden vor allem auf die Erde zu konzentrieren.

Es ist eine trügerische Hoffnung, die Stephen Hawking und auch Elon Musk geschürt haben. Der Umzug auf einen „rettenden Planeten“ könnte sich am Ende als Flucht von einer kleinen Elite erweisen – wie in einem Endzeit-Katastrophenfilm. Da wäre es doch besser, man entwickelte die Mars-Überlebensbehausungen gleich für die Erde. Dies könnte man auch in Massenproduktion tun. Auch wenn nichts dagegen zu sagen ist, dass der Mensch als Forscher und Entdecker weiter seinen Fuß auf andere Planeten setzt – eine Lösung für „die Menschheit“ ist der avisierte Umzug auf den Mars nicht.