Berlin-Wenn Nadiia Telenchuk von der ukrainischen Sprache spricht, spricht sie von ihrer Schönheit, ihrer melodischen Ausdrucksweise und ihren vielen Bedeutungsnuancen. Telenchuk ist Lyrikerin und Autorin, die in vier Sprachen schreibt – Liebesgedichte schreibt sie aber nur auf Ukrainisch, sagt sie, denn dafür sei diese Sprache am besten geeignet. Am Telefon hört man, wie sie lächelt, als sie über Sprache und Literaturerbe ihres Landes spricht. Obwohl sie derzeit eigentlich andere Dinge im Kopf hat.
Jüngst erfuhr Telenchuk, dass das Dorf im Oblast Cherson im Süden der Ukraine, wo sie aufwuchs und wo ihre Eltern und Großeltern bis vor kurzem noch wohnten, von russischen Streitkräften bombardiert und niedergebrannt wurde. Ihre Familie war zum Glück schon wenige Tage zuvor in die Stadt Cherson geflohen, das allerdings unter russischer Besatzung steht. Jetzt sei es ihr wichtig, dass die Welt dem Leid der Menschen in der Ukraine Aufmerksamkeit schenkt. „Dieser Krieg läuft nicht erst seit drei Wochen, er begann eigentlich schon vor acht Jahren in der Ostukraine“, sagt Telenchuk. „Aber die Menschen sollten wissen, dass sie auch hier in Berlin viel tun können, um zu helfen.“ Ihre ehrenamtliche Arbeit habe ihr geholfen, mit Angst und Sorgen umzugehen, die der Konflikt in ihr auslöste.

Solidarität mit der Ukraine auf der Bühne
Am Sonntag wird Telenchuk eine Künstlerin in der Varieté-Show „La La Peace“ in der Neuköllner Bar Das Gift sein. Der Eintritt ist kostenlos, es werden aber Spenden gesammelt für die ukrainische NGO Come Back Alive gesammelt. Der ursprüngliche Plan war, nur ukrainischen und russischen Künstlern und Künstlerinnen, die in Berlin arbeiten, die Bühne zu bieten. Jetzt nehmen auch Komiker, Musiker und Tänzer anderer Nationalitäten teil, die sich für ukrainische Geflüchtete in Berlin engagieren.
„Wir wollten, dass alle Darstellungen eine einheitliche Botschaft für den Frieden verbindet“, sagt Comedian Moni Zhang, eine der Organisatorinnen der Veranstaltung. „Alle Teilnehmenden sind entweder direkt von diesem Krieg betroffen, oder sie haben sich seit Beginn des Krieges stark engagiert, um Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen.“
Dass sowohl russische als auch ukrainische Künstler die Bühne teilen werden, hält Nadiia Telenchuk für ein wichtiges Zeichen: „Es ist wichtig zu unterstreichen, dass dies ein Problem für die gesamte internationale Gemeinschaft ist.“ Der Fokus des Abends sollte aber auf der Ukraine und dem Elend ihrer Landsleute vor Ort liegen.

„Es ist schön zu sehen, dass wir nicht allein sind“
Dinara Rasuleva, die am Sonntag ebenfalls ihre Gedichte vorlesen wird, sieht das ähnlich. Sie stammt ursprünglich aus der russischen Stadt Kazan und sieht sich eher als Tatarin denn als Russin. Sie spricht von ihrer Frustration über „imperialistische und kolonialistische“ Handlungen Russlands. Das Thema berührt sie persönlich: Als Kind schämte sie sich, ihre Muttersprache Tatarisch in der Schule zu sprechen - denn im Vergleich zu Russischen galt die Sprache als „uncool“, sagt sie.
In den letzten Wochen sei es ihr schwer gefallen, neue Gedichte über diese Gefühle zu schreiben, sagt sie. Am Sonntag will sie das Gedicht einer ukrainischen Freundin sowie ihre eigenen Werke vorlesen. „Ich kann natürlich nicht richtig über die Ukraine und die Menschen dort berichten, weil ich nicht dort bin“, so Rasuleva. „Es wäre unfair, wenn ich plötzlich jetzt anfangen würde, darüber zu schreiben.“
Die meisten Aufführungen des Abends werden auf Englisch stattfinden, Nadiia Telenchuk will aber eines ihrer Gedichte auf Ukrainisch vorlesen. Sie sagt, sie sei noch nie so stolz auf ihr Land gewesen wie jetzt – der Anblick der blauen und gelben Farben in Berlin löst bei ihr allerdings gemischte Gefühle aus. „Es ist schön zu sehen, dass wir nicht allein sind“, sagt sie. „Natürlich wünsche ich mir aber, dass es ein paralleles Leben gäbe, in dem ukrainische Fahnen und ukrainische Stimmen auch im positiven Sinne präsenter wären.“
„La la Peace“, Varieté-Show, Bar Das Gift, Donaustraße 119, 12043 Berlin
