Berlin-Das Café Frieda ist der Lieblings-Spot der kulinarischen Food-Kritik-Elite. Unser Gastro-Chef Jesko zu Dohna war damit nicht einverstanden und hat vor einigen Tagen einen Verriss verfasst. Seine Kollegin Eva Biringer hat ebenso das Café besucht und kommt, ähnlich wie unsere Gastro-Kritikerin Tina Hüttl, zu einem ganz anderen Urteil. Wegen des gebotenen Meinungspluralismus, dem sich die Redaktion der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung verpflichtet fühlt, wollen wir den geneigten Leserinnen und Lesern das Urteil der Kollegin Biringer nicht vorenthalten.
Dass niemand früher auf die Idee gekommen ist! Ein Sauerteigcroissant mit einer ganzen Burratakugel, auf die sich Kaffeeschalensirup ergießt wie ein Sommerregen. Fett, Sahne, Zucker, Knusper, so einfach kann es sein. Schnell wurde dieser Teller zum Instagram-Hit und zum Signature Breakfast Dish eines erst wenige Wochen alten Lokals.
Es liegt vorteilhaft am Helmholtzplatz und auch, wenn die In-Crowd eher in Neukölln zugange ist, gibt es hier viel zu gucken. Aus dem ehemaligen Frida Kahlo, einem Nachbarschaftsmexikaner mit blue-curaçao-blauer Fassade wurde jetzt das Café Frieda, dessen Stilkonzept das Besitzerpaar utopian urbanism nennt. Rechts neben der Glasvitrine, in der die Patisserie präsentiert wird wie zeitgenössische Kunst (ist sie ja auch), stehen Tischensembles vor einer Plattencoverwand. Links führt der Weg an der offenen gefliesten Küche vorbei in einen weiteren, auf Wunsch abtrennbaren Raum. Dessen Herzstück ist eine rosa Tafel des Möbeldesigners Moritz Bannach, so schön, dass wir uns gleich über deren Anschaffungskonditionen informiert haben (leider der Gegenwert von acht Monatsmieten).
Mit Buchweizencreme und karamellisiertem Honig gefüllte Choux
Das Café Frieda folgt dem Tagesbarkonzept, was konkret bedeutet: Wer möchte, bleibt nach dem Frühstück einfach sitzen. Abgesehen vom eingangs erwähnten Croissant kommen zwei dicke Scheiben jenes Sauerteigbrots, mit dem Ben Zviel bereits im Lockdown für Aufsehen sorgte – damals wie heute eines der besten der Stadt. Bestrichen werden sie mit Orangenmarmelade, sizilianischem Olivenöl und einer mehrere Wochen im Weinkeller gereiften Butter. Für die Schrippentypen unter uns gibt es Brötchen auf Basis fermentierter Kartoffeln. Unbedingt zu probieren ist der Ricotta vom Erdhof Seewalde, dem Lieblingsmilchproduktlieferanten der Berliner Spitzengastronomie, getoppt mit Blaubeeren, Honigwaben, Shiso Blättern und Olivenöl. Von einem früheren Besuch erinnere ich mich an das Financier mit Beifuß und Brandenburger Haselnüssen und jenes mit einer emissionsfrei aus Tschechien importierten Schokolade.
Leider nicht auf der aktuellen Karte: das mit Buchweizencreme und karamellisiertem Honig gefüllte, in Pflaumenlikör getränkte Choux. Allesamt Beispiele einer Patisserie auf der Höhe der Zeit, reduziert im Zuckeranteil, mit Produkten aus der Region. Über die Qualität des Bonanza-Kaffees muss man nicht sprechen – volle Punktzahl –, toll für Spätsommertage ist auch der mit Pflaumen und schwarzem Pfeffer flott gemachte Lapsang-Spritz. Von 13 bis 18 Uhr gibt es eine wechselnde Mittagskarte, an diesem Tag etwa Stracciatella mit Zucchini und Pistazien, Hähnchenleber-Paté von Odefey & Töchter oder, hoppla, Grafschafter Weinbergschnecken, wovon ich allerdings nichts probiert habe. Ganz im Gegensatz zum Rohmilch-Softeis, wieder von David Peacock, das Ben Zviel mit Molke-Karamell kombiniert. Spielt in derselben Top-Liga wie das Büffelmilch-Softeis bei Gazzo Pizza, wobei hier kein Olivenöl, sondern verbrannte Kombu-Alge zum Zug kommt.
Dass hier so viel Wert auf Details gelegt wird, überrascht nur, bis man weiß, wer dahintersteckt. Gemeinsam mit seiner Partnerin Samina Raza führt der aus Israel stammende Ben Zviel bereits das einige Straßen entfernte Mrs. Robinson‘s. Nachdem dort die Zeichen mehr und mehr auf Fine statt Casual Fine Dining stehen – so gibt es beispielsweise nur noch Menüs statt einzelner Teller – ist das Café Frieda die perfekte Alternative für entspanntere Stunden. Fuck Industrial Food Systems, Farm Regeneratively or die ist der Speisekarte als Motto vorgestellt, das klingt nach brutal lokal und nach einer Ernährungsphilosophie, von der sich die aktuelle Ministerin eine Sauerteigbrotscheibe anschneiden könnte. Wir bleiben derweil beim Burrata-Croissant.
Wertung: 5 von 5 Punkten
Café Frieda, Lychener Str. 37, 10437 Berlin, Mittwoch bis Sonntag 10 bis 21 Uhr.


