Leipzig-Sie, liebe Leser, kommen ja viel rum. Und Sie essen und trinken wahrscheinlich auch nicht nur in Ihrer Hauptstadt. Eine Stadt im Osten, die zumindest in einigen Punkten Berlin ähnelt, ist bekanntlich Leipzig (1 Stunde 12 Minuten braucht der ICE). Und Leipzig ist die coole kleine Schwester Berlins. Manches was es in Berlin gibt, gibt es hier noch nicht. Und manches, was es in Berlin schon nicht mehr gibt, gibt es eben noch in Leipzig.
Wenn jungen Berlinern Berlin zu uncool geworden ist, dann ziehen sie in die sächsische Metropole. Nur die Leipziger kehren nicht, wie die Berliner, heraus, dass sie hipp sind. Sie wollen lieber, dass das niemand mitkriegt und sie in Ruhe unter sich bleiben können. „Leipzig ist eben ein exklusiver Club“, sagt mein Kollege Josa Mania-Schlegel, Chefreporter der Leipziger Volkszeitung, mit dem ich mich vor einer Woche zum Mittagessen verabredet hatte.

Am 13./14. November 2021 im Blatt:
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Hier beim Schnellbuffet Süd im alternativen Stadtteil Connewitz will der Kollege mich alten Wessi also in die (in Berlin) fast vergessene DDR-Kulinarik einweihen und mir das Lebensgefühl dieser stolzen und uralten Stadt näherbringen. Und er hätte den Ort nicht besser wählen können, denn das Schnellbuffet Süd ist eine Art Kantine mit DDR- und Ost-Spezialitäten, wie es sie in Berlin kaum noch gibt. Sie ist ein klassenübergreifender Sehnsuchtsort, an dem Bauarbeiter, Hipster, Antifa-Kämpfer, zottelige Familienväter und Professoren gleichermaßen einkehren.

Ein kulinarisches Kleinod, so divers wie die Bewohner von Leipzig
Und auch hinter der Selbstbedienungstheke atmet dieses Kleinod die Weltoffenheit Leipzigs. Denn die Spezialitäten wie Herzragout mit Kartoffelpüree (7,50 Euro) oder Vogtländische Schwamme-Spalken (ein schmackhafter Pilzeintopf für 4,40 Euro) werden hier von syrischen Einwanderern nach traditioneller Rezeptur zubereitet.
Der Kollege bestellt eine Art Grillkäse mit Blumenkohl, Kartoffeln und viel Hollandaise (5,40 Euro). Für mich bestellt er, na klar!, den Signature-dish des Ostens: Jägerschnitzel mit Spirelli (aus Risa natürlich) und Feuerwehrsoße (6,30 Euro). Mein Kollege Marcus Weingärtner hatte mich ja vorher eindringlich gewarnt: Das Ganze sei ein „trostloses Gericht“. Ein Fertigprodukt (Jagdwurst) werde mit Backteig und heißem Fett einfach abgetötet: „Fertig ist das Placebo-Schnitzel.“
Und was soll ich sagen, ich finde, er hat (was mein Exemplar angeht) unrecht. Für mich ist diese dicke rosarote und fettige ausgebackene Wurstscheibe eine edle Alternative, wenn man mal keine plattierten Kalbsschnitzel essen möchte. Und die verkochten Spirelli mit roter Soße und Pizzakäse? Die erinnern mich an meine Kindheit in Dortmund. Kein moderner Standard, lösen aber doch schöne Erinnerungen aus. Und darum geht es doch!
Insgesamt ist das Jägerschnitzel des Ostens (gut gemacht) eine schöne Sache und das Schnellbuffet die beruhigende Antwort auf das überdrehte Berlin. Denn noch sind Bowls, Ramen und die kleinen Plastik-Sushi-Schiffchen, die einen künstlichen Kanal entlangschippern, in Leipzig noch nicht angekommen. Die gibt es schließlich bisher nur in Berlin.
Bewertung: solide 3 von 5 Punkten! Und das ist eine gute Bewertung.
Schnellbuffet Süd, Karl-Liebknecht-Straße 139, 04275 Leipzig, täglich außer Sonntag 7 bis 22 Uhr.




