Weg von russischem Gas

Noch teurer als LNG? Das sagt Gasbranche zu Olaf Scholz' Wasserstoff-Mission in Kanada

Deutschland will künftig kein Gas aus Russland und hat auch keine Zeit für LNG-Importe aus Kanada. Dafür soll grüner Wasserstoff verschifft werden – ein komplettes Neuland für Deutschland.

Kanadischer Premierminister Justin Trudeau begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag, den 22. August 2022 in Montreal.
Kanadischer Premierminister Justin Trudeau begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag, den 22. August 2022 in Montreal.www.imago-images.de

Anfang dieser Woche sind Kanzler Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit einer Wirtschaftsdelegation in Kanada unterwegs. Kanada ist zwar weit weg, dafür aber „eine verlässliche Demokratie“, wie der SPD-Politiker nach seiner Ankunft in Montreal in der Nacht auf Montag sagte. Und dafür noch an Bodenschätzen ähnlich reich wie Russland. „So eröffnen sich neue Felder der Zusammenarbeit“, so Scholz.

Diese „neuen Felder“ bei den Energieexporten hatte der kanadische Premierminister Justin Trudeau schon Ende Juni in Aussicht gestellt, als es um die Rückgabe der berüchtigten Nord-Stream-1-Turbine aus Kanada ging. Kanada erwäge einen Ausbau der Energieinfrastruktur, sagte Trudeau damals am Rande des G7-Gipfels, um Europa „mittelfristig“ beim Verzicht auf russisches Gas mit dem eigenen Flüssiggas, bekannt als LNG, zu helfen.

Doch kein teures LNG für Deutschland aus Kanada?

Deutschland braucht aber schon jetzt eine Alternative zum russischen Gas. Selbst im besten Fall, also wenn die spanische Firma Repsol SA ihr bereits bestehendes Importterminal an der Atlantikküste Kanadas in einen Exporthub umbauen würde, könnten laut dem kanadischen Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson, drei bis vier Jahre vergehen. Der Bau eines neuen Terminals könnte mit allen Genehmigungen und zu erwartenden Protesten der Umweltschützer ein Jahrzehnt dauern. Dafür will die Bundesregierung langfristig generell weg vom Gas.

Deswegen werden Scholz und Habeck am Dienstag nur noch ein Deutsch-Kanadisches Wasserstoffabkommen unterzeichnen („Canada-Germany Hydrogen Alliance“), wie die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums Susanna Ungrad auf Anfrage der Berliner Zeitung bestätigt. Der Anspruch ist jedoch groß. Ungrad weiter dazu: „Wir wollen einen Grünwasserstoff-Exportkorridor aufbauen, von der Atlantikküste Kanadas nach Deutschland.“

Denn die Atlantik-Provinzen hätten „sehr gute Windressourcen, hohe Wasserkraftkapazitäten, niedrige Industriestrompreise und Häfen in relativer Nähe zu Europa“. Grüner Wasserstoff (fast nur mit erneuerbaren produziert, Anm. d. Red.) aus Kanada könne zur zukünftigen Versorgung Deutschlands mit nachhaltiger Energie und „so zu mehr Energiesicherheit in Europa beitragen“. Sollte alles gut gehen, könnten die ersten Schiffe grünen Wasserstoff bereits 2025 von der Atlantikküste Kanadas nach Deutschland bringen. So wenigstens die Erwartung des deutschen Wirtschaftsministeriums.

Deutschlands Energiesicherheit komplettes Neuland?

Aber zu welchen Preisen? Das lässt sich noch kaum kalkulieren. Fakt ist, dass es für den Wasserstoff generell keinen Spotmarkt und keinen Börsenpreis gibt (wie zum Großteil auch für das LNG) und die Mengen künftig noch direkt bei Anbieter zu beschaffen wären – in diesem Fall am besten über langfristige Verträge mit Kanada. Auch Deutschland produziert und importiert noch keinen grünen Wasserstoff. Ende 2021 begann eine Niederlassung des niederländischen Unternehmens Nobian in Sachsen-Anhalt „als erstes deutsches Unternehmen“ mit der Lieferung von grünem Wasserstoff an einen nicht näher genannten „führenden internationalen Kunden“. Die jährliche Produktionsmenge? Nur 2.700 Tonnen. Das ist also noch komplettes Neuland für Deutschland.

Bekannt ist auf der anderen Seite, dass der Transport von Wasserstoff noch schwieriger wäre als der von LNG. „LNG muss man ‚nur‘ auf minus 161 Grad herunterkühlen, und dabei verliert das Gas trotzdem viel Volumen“, sagt der Sprecher des Branchenverbandes Zukunft Gas, Charlie Grüneberg, der Berliner Zeitung. Man könne durch diese Verflüssigung relativ viel Erdgas mit einem Schiff transportieren. „Wasserstoff müssen Sie auf minus 253 Grad herunterkühlen. Dabei verliert er aber nicht so viel an Volumen wie das Erdgas.“ Das Problem am Ende: Der Prozess ist aufwändiger und teurer, die transportiere Menge aber geringer als bei verflüssigtem Erdgas.

„Erdgas über Pipeline allerdings am günstigsten“

Es sei also sehr wahrscheinlich, sagt Grüneberg weiter, dass Wasserstoff nicht in flüssiger und tiefgekühlter Form über die Meere transportiert werde, sondern beispielsweise in Form von Ammoniak NH3, der aus einem Atom Stickstoff und drei Atomen Wasserstoff besteht. Ammoniak müsse man „nur“ auf minus 33 Grad herunterkühlen, auch verfüge er über eine deutlich höhere Energiedichte als flüssiger Wasserstoff.

„Zumindest beim Transport über Land ist der Gastransport per Pipeline preislich meist am günstigsten und zwar sowohl von Erdgas als auch von Wasserstoff“, schließt Grüneberg ab.

Eine weitere Besonderheit des LNG-Transports von der Atlantikküste nach Europa könnte sich künftig auf den internationalen Wasserstoff-Handel übertragen: die Konkurrenz mit Asien. Die Daten der LNG-Exporten der USA zeigen zum Beispiel, dass diese seit Anfang 2021 gemessen an den Mengen nicht größer geworden sind. Der Preis ist zwar dramatisch gestiegen, doch die Menge ist fast konstant geblieben. Denn um diese verfügbare Menge konkurriert die EU mit Asien und muss Asien im Preis überbieten, damit das LNG auch in die EU geliefert wird. Das treibt den Preis nach oben.

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